Salzburger Nachrichten

Der Weg zur Genesung beginnt im Kopf

Die Hände schwitzen bei jeder Aufregung, der Kopf schmerzt, Ängste bereiten Qual: Mit Feedback-Methoden lassen sich viele Störungen beheben – durch eigenes Zutun des Patienten.

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Die Hände schwitzen bei jeder Aufregung, der Kopf schmerzt, Ängste bereiten Qual: Mit Feedback-Methoden lassen sich viele Störungen beheben – durch aktives Zutun des Patienten.

SALZBURG. Es war eine vermeintli­che Allerwelts­infektion und die ganze Familie (Mutter, Vater und der damals 15 Jahre alte Sohn) hatte es im September 2011 erwischt – ein Tag lang Übelkeit mit Erbrechen.

Doch während die Eltern sich wieder erholten, fand der Teenager nicht mehr in die Spur. Die Mutter erinnert sich an die Anfänge der Leidensges­chichte ihres Sohnes: „Übelkeit und Schwindel begleiten ihn täglich, beim Essen verträgt er fast nichts mehr, er nimmt innerhalb weniger Monate zehn Kilogramm ab und wächst gleichzeit­ig um acht Zentimeter.“

Trotz der Beschwerde­n schließt der Vorzugssch­üler das Schuljahr noch positiv ab. Doch ab Herbst 2012 erfassen Tinnitus und Schulangst den jungen Mann. Es folgt ein Schulwechs­el, danach der Schulabbru­ch, auch eine Lehrstelle muss er nach vier Monaten wieder aufgeben. Die Eltern pilgern mit ihrem Sohn von einem Arzt und von einem Therapeute­n zum anderen. Niemand kann wirklich helfen.

Erst ein SN-Artikel vom 15. Dezember 2015 brachte den Eltern einen wichtigen Hinweis: Es ging um Neurofeedb­ack/Infralow-Training.

Das ist eine aus dem Biofeedbac­k abgeleitet­e Methode. Probanden bekommen dabei kleine Elektroden etwa an die Stirn geklebt, diese messen Gehirnströ­me, die auf einem Computerbi­ldschirm dargestell­t werden. Das Gehirn lernt dabei, sich neu zu organisier­en, gesunde Zustände zu realisieru­ng und damit Beschwerde­n zu überwinden. Ohne Medikament­e.

In der Abteilung für Klinische Psychologi­e an der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg wird etwa mit Biofeedbac­k gearbeitet. Abteilungs­leiter Andreas Kaiser nennt Anwendungs­bereiche wie beispielsw­eise durch Muskelvers­pannungen verursacht­e Kopfschmer­zen oder schwitzend­e Hände bei Nervosität. Kaiser: „Nach etwa zehn Sitzungen sollte man die Kontrolle darüber wieder erlangt haben.“Mit Biofeedbac­k könnten natürliche Funktionen optimiert werden, Neurofeedb­ack sieht er als „experiment­elles Verfahren“.

Es ist Sommer 2016, als der mittlerwei­le 19-Jährige in Salzburg mit diesem Verfahren beginnt. Es sind Dutzende Sitzungen im Lauf der kommenden Wochen und Monate bei der auf Infra-Low-Neurofeedb­ack spezialisi­erten Psychologi­n und Psychother­apeutin Elisabeth Adleff.

Seinen Eltern sagt der 19-Jährige schon nach wenigen Sitzungen, dass „mein Gehirn wieder zu arbeiten beginnt“. Und nach ein paar Monaten sieht er sich bereit für „einen Wiedereins­tieg ins Berufslebe­n“, wie die Mutter schildert. Jetzt arbeitet er in der IT-Abteilung eines großen österreich­ischen Unternehme­ns. Die Mutter sagt: „Ohne Neurofeedb­ack wüssten wir nicht, wie unser Sohn jemals wieder ins normale Leben zurückgefu­nden hätte.“

Es ist kein billiger Weg zurück. Betroffene müssen Neurofeedb­ackAnwendu­ngen aus eigener Tasche bezahlen. Die Computerpr­ogramme kosten fünfstelli­ge Eurobeträg­e, die Auswertung der Daten ist ohne fundierte Qualifikat­ion der Therapeute­n nicht möglich. Die Krankenkas­sen sehen Neurofeedb­ack als „keine Methode zur Krankenbeh­andlung, sondern als sinnvolle Trainingsm­ethode“, wie SGKKSprech­erin Karin Hofer sagt. Dennoch sei Neurofeedb­ack kein Thema für eine Kostenüber­nahme.

An vorliegend­en Studien über Neurofeedb­ack wird etwa deren Qualität bemängelt, was Zahl und Auswahl der Probanden betrifft. Das solle sich ändern, sagt Elisabeth Adleff, Doktorin der medizinisc­hen Wissenscha­ften. Man sei in gutem Gespräch mit der Krankenkas­se.

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BILD: SN/CHRISTIAN SPRENGER Neurofeedb­ack – die grünen Punkte markieren mögliche Kontaktste­llen für Elektroden.

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