Koalitionärer Kassenkampf
Kann die Koalition am Zwist um die Krankenkassen scheitern? Kommt es zum Aufstand der Länder? „Das Problem wäre leicht lösbar“, sagt ein Experte.
WIEN. Zuletzt hat sich sogar Josef Pühringer vom Altenteil aus gemeldet. Der langjährige oberösterreichische Landeshauptmann habe seinen Nachfolger Thomas Stelzer telefonisch bestürmt, in der Frage der Krankenkassen nur ja hart zu bleiben, wird erzählt. Im Büro Stelzers hat man die Szene ein wenig nüchterner in Erinnerung: „Es gibt einen regelmäßigen Gedankenaustausch zwischen Pühringer und Stelzer, die Frage der Kassen wurde besprochen“, wurde den SN knapp beschieden.
So oder so: Sollten die schwarzblauen Koalitionsverhandler in Wien tatsächlich die Fusionierung der neun Gebietskrankenkassen in eine „Österreichische Gebietskrankenkasse“(ÖGK) geplant haben, werden sie diesen Plan wohl fallenlassen müssen. Denn der Widerstand aus den Ländern ist enorm und die Länder sitzen auf dem längeren Ast. Eine Fusionierung der Kassen ist nur per Verfassungsgesetz möglich. Wenn die schwarzen Landeshauptleute „ihre“Nationalratsmandatare dazu anhalten, im Parlament gegen die Reform zu stimmen, ist sie zum Scheitern verurteilt. Einige schwarze Landeshauptleute sollen bereits ihre grünen Regierungspartner aufgefordert haben, in den Protest gegen die Pläne der künftigen Koalition einzustimmen. „Diese Angelegenheit hat weit mehr Brisanz, als es nach außen hin den Anschein hat“, sagt ein mit den Verhältnissen auf Länderebene vertrauter Informant den SN. Sebastian Kurz und sein Team hätten übersehen, dass ihr Kampf gegen die rote Wiener Gebietskrankenkasse zu einer Frontstellung der übrigen acht Landeshauptleute geführt habe, die ebenfalls um die Eigenständigkeit ihrer Kassen fürchteten.
Aus Salzburg und Oberösterreich kommen versöhnlichere Töne. Man beharre nicht auf der Aufrechterhaltung der alten Strukturen, die neun völlig autonome Gebietskrankenkassen vorsähen, kann man hier hören. Es reiche eine Teilautonomie, die verhindere, dass die Rücklagen einzelner Landeskassen zur Sanierung der schlechter gestellten Kassen zweckentfremdet würden. Ähnlich klingt es im Büro des Vorarlberger LH Markus Wallner: Planung und Finanzhoheit über die Kassen müsse in Landeskompetenz bleiben.
Laut dem langjährigen ÖVP-Finanzpolitiker Günter Stummvoll handle es sich um ein „hochgespieltes“Problem, das „leicht lösbar“wäre. „Warum schafft man nicht einen einheitlichen Träger – und neun Landesstellen mit Finanzund Budgethoheit? Das ist keine Hexerei“, sagt er den SN. Eine ähnliche Struktur gebe es seit jeher bei den Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA).
Bisher haben sich die mächtigen ÖVP-Landesorganisationen mit öffentlichen Unmutsäußerungen über die Koalitionsverhandlungen zurückgehalten. Einzig die Tiroler Bildungslandesrätin Beate Palfrader äußerte ihren Unmut darüber, dass die Länder bei den schwarz-blauen Verhandlungen nicht ausreichend eingebunden seien. Und der oberösterreichische LH Stelzer verlangte eine finanzielle Kompensation für die vom Bund verfügte Abschaffung des Pflegeregresses, der derzeit zum Großteil von den Ländern getragen werden muss.
Die Koalitionsverhandler in Wien tagten am Dienstag in Zweierrunden. Heute, Mittwoch, kommt wieder die „Steuerungsgruppe“zusammen, die aus den Parteichefs Kurz und Strache sowie jeweils vier ihrer engsten Mitstreiter besteht. In Wiener Polit-Kreisen kursieren erste angebliche Ministerlisten, deren Vorhandensein von den Koalitionsverhandlern umgehend dementiert wurde.