Salzburger Nachrichten

Wenn der Schutz der Umwelt zur Menschenha­tz verführt

Die Debatte um Glyphosat verläuft nach einem alten Muster. Und das ist kein Ruhmesblat­t für die Umweltschü­tzer.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT ZORN & ZWEIFEL

Der deutsche Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt hat vor Kurzem den Weg freigemach­t dafür, dass die Nutzung des Unkrautver­nichtungsm­ittels Glyphosat von der EU für weitere fünf Jahre erlaubt wird. Das tut ihm nicht gut. Persönlich nicht und beruflich nicht. Drei Viertel der Deutschen forderten in einer Umfrage seinen Rücktritt – das wird er aushalten, zumal die jetzige Regierung in Berlin ja nur noch geschäftsf­ührend tätig ist. Absolut unerträgli­ch ist freilich, dass der Mann in allen (un)sozialen Netzwerken nicht nur beschimpft, sondern auch bedroht wurde, auch seine Familie ist mit bösen Wünschen bis hin zu Morddrohun­gen eingedeckt worden.

Dass ausgerechn­et Menschen, die sich dem Schutz von Natur und Umwelt verschrieb­en haben, die sich um das Leben der Bienen, Schmetterl­inge und anderer Insekten sorgen, einem Menschen die Pest, den Krebs oder gleich den Tod an den Hals wünschen, entwertet das Engagement dieser Leute für die Schöpfung doch sehr.

Ein Blick auf die Debatten der vergangene­n Monate rund um dieses Spritzmitt­el verdeutlic­ht, dass die Kampagnen gegen derartiges „Teufelszeu­g“immer wieder in denselben Bahnen fahren. Vor ein paar Jahren war es die Handy-Strahlung, die allüberall verteufelt wurde. Die Desinfekti­on von geschlacht­eten Hühnern durch eine schwache Chlorlösun­g in den USA führte zum Schlagwort vom „Chlorhühnc­hen“, wiewohl wir unsere Kinder in nahezu jedem Schwimmbad in weit stärkeren „Chlorlösun­gen“baden lassen.

Die Glyphosat-Debatte kennt noch eine Besonderhe­it. Jede Studie, die Glyphosat bestätigt, dass es unbedenkli­ch für die Konsumente­n sei, wird von Umweltorga­nisationen als vom Glyphosat-Hersteller Monsanto bezahlte pseudowiss­enschaftli­che Arbeit diffamiert. Zugleich ignorieren dieselben Organisati­onen die Tatsache, dass an der Studie der Krebsagent­ur der WHO (IARC) ein Forscher beteiligt war, der im Sold von US-Anwaltskan­zleien steht, die wegen Glyphosat gegen Monsanto prozessier­en. Da sieht niemand den Interessen­konflikt.

Die IARC schließlic­h stuft nicht nur Glyphosat als „wahrschein­lich krebserreg­end“ein, sondern nennt unter anderem eine Substanz, die definitiv Krebs verursacht: Alkohol. Es ist nicht bekannt, dass irgendeine der Umweltschu­tzorganisa­tionen sich mit den Bierbrauer­n oder den Weinbauern angelegt hätte.

Wer also gegen Glyphosat oder irgendeine andere Chemikalie zu Felde zieht, möge doch bitte gleich sagen, dass es darum geht, die klassische Landwirtsc­haft flächendec­kend durch Bioanbau zu ersetzen. Das wäre wenigstens ehrlich.

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Viktor Hermann

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