Kataloniens Separatisten sind frei – in Belgien
Spaniens Höchstgericht zog die internationalen Haftbefehle aus taktischen Gründen zurück.
Der nach Belgien geflüchtete katalanische Separatistenchef Carles Puigdemont wird nicht mehr international gesucht. Spaniens Oberster Gerichtshof hob den gegen ihn und vier seiner Ex-Minister erlassenen Europäischen Haftbefehl samt Auslieferungsgesuch auf. Damit endet das bereits angelaufene Auslieferungsverfahren. Der frühere Ministerpräsident Kataloniens und seine Mitstreiter können Belgien nun wieder verlassen.
In Katalonien droht ihnen allerdings weiterhin die Festnahme. Der nationale Haftbefehl der spanischen Behörden bleibt bestehen. Gegen Puigdemont und sein gesamtes Ende Oktober abgesetztes Kabinett wird wegen Rebellion, Anzetteln eines Aufstands und Veruntreuung von Steuergeld in Millionenhöhe ermittelt. Sein früherer Vize Oriol Junqueras und der ehemalige Innenminister Joaquim Forn sitzen deswegen in Madrid in Untersuchungshaft. Den separatistischen Politikern wird vorgeworfen, mit unerlaubten Methoden versucht zu haben, die Abspaltung Kataloniens von Spanien durchzusetzen. Unter anderem wird ihnen angelastet, ein illegales Unabhängigkeitsreferendum organisiert und eine widerrechtliche Unabhängigkeitserklärung durchgesetzt zu haben. Damit sei gegen Spaniens Verfassung verstoßen worden, die eine Abtrennung von Regionen nicht vorsieht. Auch hätten sich die Separatisten über etliche Gerichtsverbote hinweggesetzt sowie die katalanische Bevölkerung zum Ungehorsam und damit zu Straftaten aufgerufen.
Die Annullierung des EU-Haftbefehls hat vor allem taktische Gründe, wie der zuständige spanische Ermittlungsrichter Pablo Llarena in seinem Beschluss erläutert. Angesichts der Besonderheiten des belgischen Rechtssystems habe die Gefahr bestanden, dass Belgien eine Auslieferung an Bedingungen knüpfe. Etwa indem eine Überstellung wegen der Vorwürfe der Rebellion und des Aufstands, die in Belgiens Strafgesetzbuch so nicht existieren, abgelehnt worden und nur eine Auslieferung wegen Veruntreuung akzeptiert worden wäre. Dann hätte Puigdemont auch nur wegen dieses Anklagepunkts in Spanien der Prozess gemacht werden können.
Noch am Montag hatte ein belgisches Gericht Puigdemont und seine vier Ex-Minister in Brüssel zu den Vorwürfen angehört. Die fünf Separatisten hatten eine Auslieferung abgelehnt. Sie behaupteten, dass sie in Spanien wegen ihrer politischen Ideen verfolgt würden und deswegen dort keinen gerechten Prozess erwarten könnten. Am 14. Dezember wollte der belgische Auslieferungsrichter eine Entscheidung treffen – was nun nach der Annullierung der EU-Haftbefehle nicht mehr notwendig sein wird.
Puigdemont wird nun abwägen müssen, ob er das Risiko eingehen will, nach Katalonien zurückzukehren oder ob er aus der Ferne in den katalanischen Wahlkampf eingreifen will, der gestern, Dienstag, angelaufen ist. Er ist Spitzenkandidat der Unabhängigkeitswahlliste Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien), die laut Umfragen bei der Wahl am 21. Dezember keine Siegchancen hat. Als stärkste Unabhängigkeitspartei gilt die Separatismusliste Esquerra Republicana (Republikanische Linke) des in U-Haft sitzenden Oriol Junqueras. Die Meinungsforscher sagen ein Kopf-anKopf-Rennen zwischen dem separatistischen und dem spanischen Block voraus, die beide aus jeweils drei Parteien bestehen.