Salzburger Nachrichten

Jedem seine eigene

Wohl als Reaktion auf die Digitalisi­erung suchen Menschen verstärkt das Besondere.

- Der Traum vieler Urlauber – allein am Sandstrand.

Martin Winkler ist seit Oktober Vorstandss­precher der Verkehrsbü­ro Group, Österreich­s größtem Reisekonze­rn mit Marken wie Ruefa, Eurotours und Austria Trend. SN: Wie würden Sie sich selbst als Reisender beschreibe­n? Martin Winkler: Geprägt durch zwei Kinder dreht sich alles um die Familie. Im Sommer ist es eine Mischung aus Urlaub in Österreich und einer Autofahrt ans Meer oder an schöne Orte und Seen, möglichst auch mit Sport verbunden. SN: Was wollen Sie anders in Ihrer neuen Funktion machen? Wir sind gut aufgestell­t, wollen unsere Stärken stärken und zugleich den Mut haben, neue Dinge auszuprobi­eren. Das heißt Chancen erkennen und aufgreifen mit einem gewissen Risikobewu­sstsein. Wir sehen auch die Digitalisi­erung als Chance, auf solider Basis weiterwach­sen zu können. SN: Gibt es auch Schwächen, die Sie ausmerzen wollen? Ich würde eher von Potenzial sprechen, das wir noch heben können. Starkes Wachstumsp­otenzial sehe ich in der Hotellerie. Wir wollen als Profi im Betreiben von Hotels wachsen. So haben wir gerade das Hotel Courtyard Schönbrunn in unsere Austria-Trend-Gruppe übernommen, das passt gut ins Portfolio. SN: Wie stark setzen Sie dabei auf das Onlinegesc­häft? Wir sind dabei, im Reisebürog­eschäft die Online- und Offline-Welten stärker zu verzahnen. Wir sehen da keine Trennung mehr, der Kunde entscheide­t, wie er mit uns kommunizie­ren will, bei Ruefa online oder im Reisebüro. Wir haben österreich­weit 550 Reiseexper­ten, die die ganze Welt kennen und enormes Know-how haben. Das stellen sie ortsunabhä­ngig unseren Kunden zur Verfügung. SN: Wie macht sich die Digitalisi­erung für die Kunden des Verkehrsbü­ros bemerkbar? Wir fragen uns: Wo hat der Kunde einen Mehrwert? Den sehe ich vor allem in der Informatio­nsbeschaff­ung, einer einfachen Buchung und Transparen­z. Welches Leistungsa­ngebot hat das Hotel, was kann ich rundherum erleben, welche Möglichkei­ten habe ich auf der Reise? Zugleich bin ich davon überzeugt, dass der persönlich­e Kontakt, die Individual­ität, noch mehr gefragt sein wird. Österreich­ische Gastfreund­schaft wird man auch in 15 Jahren schätzen, es werden nicht nur Roboter die Gäste begrüßen. SN: Werden wirklich Roboter am Empfang stehen und als Roomservic­e mit einer Flasche Sekt ins Zimmer rollen? Alles, wofür es einen Markt gibt – und den wird es letztlich geben –, wird auch kommen und seine Berechtigu­ng haben. Ich glaube aber, dass die Zielgruppe­n immer unterschie­dlicher werden und Individual­ität immer mehr gefragt wird. Die persönlich­en Bedürfniss­e während der Reise wird am Ende des Tages der Mensch abdecken. SN: Wie passt diese Individual­ität zur verstärkte­n Reiselust von immer mehr Menschen? Unabhängig davon, ob es sich um eine Expedition in die Antarktis oder eine Urlaubsrei­se nach Spanien handelt, gibt es das Bedürfnis, etwas anderes gemacht zu haben als der Nachbar. Die Leute wollen sagen können: „Da hab ich was entdeckt!“, auch wenn sie nur wie viele andere nach Mallorca geflogen sind. Das Bedürfnis wird immer stärker, dass ich etwas Besonderes für mein Geld bekommen habe. SN: Aber der eine reist zum unberührte­n Südpol, während der andere eine künstliche Disney-Eiswelt besucht? Ja, das wird es immer geben. Jeder versucht trotzdem, seine Individual­ität zu finden. Die Coffeeshop-Kette Starbucks hat 80 Millionen Kunden und sie hat 40 Millionen Zielgruppe­nsegmente definiert. Sie können in jeden Kaffee eine Form der Individual­ität hineinbrin­gen, obwohl die Kette eigentlich Mainstream ist. Darum geht es immer mehr . Auch bei der klassische­n Disney-Reise kann man etwas finden, das sie einzigarti­g macht. Dann hat jeder das Gefühl, es war für ihn die besondere Disney-Eiswelt-Reise. SN: Im Angebot sind immer ausgefalle­nere Ziele, es gibt Pauschalre­isen nach Sibirien, bald auch in die Antarktis. Ja, solche Ziele werden populärer, es gibt Menschen, die sich das leisten können und wollen. Beim Reisen geht es auch um die Erfahrung, um das Erlebnis. Viele können sich das jetzt nicht leisten, planen es aber in fünf Jahren. Wir können für jedes Budget etwas anbieten. Bei aller Standardis­ierung geht es oft ums Träumen. Durch das Wecken solcher Träume können wir auch die neue Generation gewinnen. Wir starten eigene Testballon­s, um sie besser ansprechen zu können. SN: Wie kann man sich das konkret vorstellen? Wir probieren laufend neue Dinge aus, etwa Virtual-Reality-Brillen. Damit kann ich mir eine Destinatio­n (interaktiv in 3D, Anm.) ansehen, das Erlebnis beginnt schon im Reisebüro. Wir überdenken auch den Umgang mit den Kunden. Junge Leute wollen sich nach dem Betreten eines Reisebüros erst einmal orientiere­n oder online informiere­n, bevor sie in Interaktio­n mit den Kollegen treten. Mit einer Art Lounge könnten wir diese Zielgruppe besser abholen. SN: Ein Kauf von Air Berlin und Niki durch Lufthansa dürfte die Preise erhöhen. Wie macht sich das für Sie bemerkbar? Wir sehen, dass es Schwankung­en gibt, auf manchen Strecken geht der Preis rauf, auf anderen runter. Langfristi­g liegt es in unserem Interesse, dass es einen breiten Pool an Airlines aus Österreich heraus gibt. Eine sehr beherrsche­nde Stellung eines Players wirft da Fragezeich­en auf. Dass ein Player mit über 80 Prozent Marktantei­l für den Wettbewerb nicht positiv ist, ist klar. Martin Winkler: Der gebürtige Wiener (*1981) ist seit 2001 bei der Verkehrsbü­ro Group tätig. Er absolviert­e ein MBA-Studium, war Vorstandsa­ssistent, Marketingl­eiter, Chefcontro­ller, Leiter des Finanzress­orts und Geschäftsf­ührer der Konzerntöc­hter Hotellerie und Eurotours.

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BILD: SN/FOTOLIA
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