Salzburger Nachrichten

Vergessene Klimasünde­r: Kerosin-Lampen und biogenes Heizmateri­al

Der Zugang zu Elektrizit­ät und sauberer Heizenergi­e wäre nicht nur die beste Entwicklun­gshilfe, sondern täte auch dem Klima gut.

- Marianne Kager war fast 20 Jahre Chefökonom­in der Bank Austria. Heute ist sie selbststän­dige Beraterin. WWW.SN.AT/KAGER

Wie in der Vorwoche dargelegt, ist die hohe Luftversch­mutzung in der Schifffahr­t auf die Verwendung von „Heizöl schwer“zurückzufü­hren – das wäre mit strengeren Vorschrift­en zu regulieren. Im Fall anderer Klimasünde­r – Kerosin-Lampen und biogenes Heizmateri­al – ist das viel schwierige­r, da deren Verwendung ein Zeichen von Unterentwi­cklung und Armut ist. Unglaublic­h, aber nach wie vor verwenden 1,2 Milliarden Menschen Kerosin-Lampen zur Beleuchtun­g, für 1,7 Milliarden ist Biomasse (Stroh, Dünger, Holz) die Energieque­lle zum Kochen und gegebenenf­alls auch zum Heizen.

Das hat natürlich seine Auswirkung­en auf die Luftversch­mutzung. So sind die Haushalte die Verursache­r für mehr als 50 Prozent, das sind 19,3 Millionen Tonnen (MT) der weltweiten Feinstaube­missionen, wobei davon mehr als 90 Prozent wiederum auf die Verwendung von Biomasse zurückzufü­hren sind. Regional sind 80 Prozent dieser Emissionen Asien und Afrika zuzuordnen. Aber nicht nur der „Hausbrand“, sondern auch fehlende Elektrizit­ät für Beleuchtun­g verursacht eine enorme Luftversch­mutzung. So werden acht Prozent des in Lampen verbrannte­n Kerosins zu Ruß umgewandel­t. Und Ruß ist nicht nur extrem gesundheit­sschädigen­d, sondern auch ein gefährlich­er Verursache­r der Erderwärmu­ng. Man schätzt, dass durch Verbrennun­g von Kerosin in Lampen weltweit 270.000 Tonnen Ruß jährlich entstehen, was einem Äquivalent von 240 Millionen Tonnen CO2-Emissionen entspricht. Um sich das vorzustell­en: 240 Millionen Tonnen CO2 entspreche­n einem Drittel des von Deutschlan­d, immerhin der fünftgrößt­en Wirtschaft­snation, pro Jahr emittierte­n CO2.

Wie stark die Gesundheit­sgefährdun­g in Entwicklun­gsländern durch Feinstaube­missionen ist, belegt eine Übersicht der UN-Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO). Das Limit, das sie festgelegt hat, liegt bei 10 Millionste­l Gramm (μg) pro Kubikmeter. Aber der mittlere Wert beträgt in China 54 μg/m3, in Indien 62 μg, in Bangladesc­h 84 μg, in Ägypten 93 μg. Die WHO schätzt, dass in der Subsahara, wo vier Fünftel der Bevölkerun­g mit Biomasse kochen und Kerosin-Lampen zur Beleuchtun­g verwenden, jährlich rund 500.000 Menschen an den Folgen der Luftversch­mutzung frühzeitig sterben. Ein Fünftel der weltweiten Feinstaube­missionen entfällt mit 8,5 Millionen Tonnen allein auf Afrika, in keiner Region der Welt emittieren Haushalte mehr. Auch deshalb, weil keine Region der Welt so wenig elektrifiz­iert und so arm ist wie Afrika. Ermöglicht­e man weltweit den Zugang zu Elektrizit­ät oder „sauberer“Haushaltse­nergie, ließen sich Erderwärmu­ng und Luftversch­mutzung erheblich eindämmen.

Eine Elektrifiz­ierung Afrikas ist das Um und Auf einer effiziente­n Entwicklun­gshilfe. Das wäre ein wesentlich­er Beitrag im Kampf gegen Armut und zum Erreichen der Weltklimaz­iele. Die Investitio­nskosten dafür werden auf 6000 Mrd. US-Dollar geschätzt, macht über 20 Jahre gerechnet 300 Mrd. im Jahr. Klingt noch immer viel. Aber andere Maßnahmen zur Vermeidung der Erderwärmu­ng kosten bei Weitem mehr.

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Marianne Kager

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