Was nach fünf Jahren übrig blieb
Dubiose Swap-Versicherung der Stadt: Korruptionsermittler kommen erneut nach Salzburg Am 6. Dezember 2012 nahm der Salzburger Finanzskandal seinen Lauf. Fünf Jahre und drei Strafprozesse später stehen neue Anklagen bevor.
In der Landeshauptstadt scheinen die Wehen des Swap-Prozesses noch lang nicht ausgestanden. Die Stadt hatte 2014 eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, um Gutachterkosten im Zuge des Swap-Verfahrens zu decken. Die Versicherung zahlte, holte sich das Geld aber über höhere Prämien wieder zurück. Als das Konstrukt in den vergangenen Wochen aufflog, hieß es, die Versicherung zahle alles soweit zurück, sodass der Stadt daraus kein finanzieller Schaden entstehe. Der Vorsitzende des Kontrollausschusses, Erwin Enzinger (FPÖ), fertigte „als Privatperson“eine Sachverhaltsdarstellung an und schickte diese an die Staatsanwaltschaft und Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. „Diese Versicherungsklausel, die hier kreiert worden ist, ist mehr als merkwürdig“, sagt Enzinger. Nun rücken die Korruptionsermittler erneut an. Nächste Woche wird der FPÖ-Mandatar einvernommen. Bei der Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft bestätigt man, dass die Sachverhaltsdarstellung des Herrn Enzinger eingelangt sei und man den Sachverhalt prüfe.
SALZBURG. Der Nikolaustag 2012 sollte kein guter Tag werden. Zumindest nicht für jene drei Personen, die an diesem besagten Donnerstag um 15 Uhr zu einem Informationsgespräch in den Chiemseehof luden und bekannt gaben, dass eine einzige Frau im Landesdienst rund 340 Millionen Euro verspekuliert haben soll.
Keiner der drei Herren sitzt heute noch auf seinem Posten. Der ehemalige SPÖ-Shootingstar und Landeshauptmann-Stellvertreter David Brenner musste zurücktreten und arbeitet heute in der Privatwirtschaft, konkret in einem Unternehmen in Dresden. Der ehemalige Finanzhofrat Eduard Paulus ist pensioniert und kämpft gegen eine nicht rechtskräftige Verurteilung in einem Teilbereich des Finanzskandals – und damit auch um seine Pensionshöhe. Der ehemalige Landesrechnungshofdirektor sitzt mittlerweile auf einem Posten in der hinteren Reihe der Landesamtsdirektion.
Der Salzburger Finanzskandal hat eine vorgezogene Neuwahl im Mai 2013 verursacht und jenes Wahlergebnis gebracht, das sich heute auf der Regierungsbank in der schwarz-grünen Landes regierung widerspiegelt. Gabi Burgstaller musste als Landeshauptfrau abdanken. Sie arbeitet seither wieder in der Arbeiterkammer. Ihre und auch Brenners Mitarbeiter von einst sind großteils im Landesdienst weiter beschäftigt. Jener Mann, den das Land 2013 zur Aufarbeitung des Skandals geholt hat, nämlich Uni-Professor und Jurist Meinhard Lukas, ist mittlerweile Rektor der Kepler-Universität in Linz.
Die Einzeltätertheorie hat sich in den vergangenen fünf Jahren freilich in Luft aufgelöst. Vielmehr war es ein Totalversagen des Systems im Land, im Landtag und im Landesdienst. Welche Konsequenzen daraus gezogen wurden, zeigt sich schon mit 1. Jänner 2018. Die Finanzabteilung – heute personell aufgestockt – führt als erstes Bundesland Österreichs das System der Doppik (doppelte Buchführung) ein. Budgetabteilung und Buchhaltung sind mittlerweile strikt voneinander getrennt – auch das ist eine unmittelbare Konsequenz aus dem Skandal.
Kann so ein Finanzskandal noch einmal passieren? Der heutige Chef der Finanzabteilung, Herbert Prucher, will die Frage nicht verneinen. Schließlich gebe es überall schwarze Schafe. Menschliche Fehler könnten immer
Herbert Prucher, Finanzabteilung
passieren. „Aber wir haben viel aufgeräumt und stehen auf festem Boden. Es sind viele Vorkehrungen getroffen worden.“
Besagte Frau aus dem Landesdienst, nämlich Monika Rathgeber, ist in ihrer bürgerlichen Existenz hart getroffen. Die Innviertlerin wurde aus dem Landesdienst entlassen und hat drei Gerichtsprozesse hinter sich gebracht. Um die Kosten dafür zu stemmen, hat sie ihre Wohnung in Salzburg verkauft. In Summe stehen drei Verurteilungen, wobei Rathgeber durch Geständnisse auf Anraten ihrer Anwälte stets glimpflich davongekommen ist. Acht Monate hat sie mit Fußfessel verbüßt. Rathgeber hat ihre Version der Geschichte nach Platzen des Skandals in einem Buch verarbeitet, das sich rund 5000 Mal verkauft hat. Ihr einstiger Bürokollege arbeitet weiterhin im Landesdienst.
Das prominenteste Opfer des Finanzskandals ist aber nicht im Land Salzburg, sondern in der Stadt Salzburg zu finden. Bürgermeister Heinz Schaden musste sich in einem Teilbereich des Finanzskandalas – der SwapCausa bzw. dem sogenannten Stadt-Land-Deal 2007 – erst heuer im Sommer vor Gericht verantworten und wurde nicht rechtskräftig in erster Instanz zu drei Jahren Haft (ein Jahr unbedingt) verurteilt. Die BürgermeisterStichwahl am Sonntag ist eine direkte Folge seines Rücktritts. Zwei Spitzenbeamte im Magistrat zittern noch, ob sie ihre Posten behalten oder nicht. Maßgeblich dafür wird sein, wie der Oberste Gerichtshof 2018 entscheidet. In den kommenden Tagen dürfte das mehrere Hundert Seiten dicke Urteil des Swap-Prozesses schriftlich vorliegen. Dann beginnt die Einspruchsfrist.
Wie groß der finanzielle Schaden aus dem Finanzskandal ist oder war, lässt sich gesichert auch heute noch nicht beziffern. Rund 400 Millionen Euro etwa werden von offizieller Stelle genannt. Zum einen hat das Land freiwillig gleich 130 Millionen Euro an Steuern und zwölf Millionen Euro an den Katastrophenfonds bezahlt. Zum anderen wurden mit Bankenvergleichen 117 Millionen Euro wieder hereingeholt. Eine Strafe der EU-Kommission von 30 Millionen Euro wegen falscher Budgetdaten steht noch im Raum.
Strafrechtlich ist der Finanzskandal auch nach fünf Jahren und drei Gerichtsprozessen nicht abgeschlossen. Die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft brütet nach wie vor über zwei Komplexen. Da wäre das Finanzstrafverfahren, das ehemaligen Beamten, Politikern, aber auch dem Land Salzburg wegen Steuerhinterziehung droht. Und da wäre der Abschluss jener 100 Derivatgeschäfte von damals, die das Team des Oberstaatsanwalts ebenfalls noch durchforstet. Ein Teilgutachten ist längst fertig, ein Vorhabensbericht noch nicht.
Beobachter rechnen mit einer Anklageerhebung im kommenden Jahr. Dem sechsten Jahr nach dem 6. Dezember 2012, der alles veränderte.
„Wir haben viel aufgeräumt und stehen auf festem Boden.“