Salzburger Nachrichten

Ein ganzes Tal ist narrisch nach Kramperln

Zwei Tage lang herrscht Ausnahmezu­stand in Gastein. Knapp 100 Krampuspas­sen gehen von Haus zu Haus. Der Brauch hat sich in seiner ursprüngli­chen Form erhalten.

- FLORIAN OBERHUMMER

BAD GASTEIN. Es ist ruhig. Verdächtig ruhig. Ein Tal hält den Atem an. In die Stille dringen archaische Klänge. Langsam kommen sie aus ihren Verstecken, die Krampusse. Das mystische Schauspiel der Naturgeist­erwesen kann beginnen.

Mehr als 800 Gasteiner sind in den knapp 100 Passen aktiv. Eine magische Stimmung entfaltet sich in den drei Gemeinden Bad Gastein, Bad Hofgastein und Dorfgastei­n. Zumal, wenn sich das Tal in ein sanftes Winterweiß hüllt wie dieser Tage.

„Es ist ein anderes Gastein am 5. und 6. Dezember“, sagt Hannes Bassetti. Der Bad Gasteiner hat gemeinsam mit seinem Bruder Peter die altehrwürd­ige FamilienPa­ss reaktivier­t – nach 13 Jahren Pause. „Die Bassetti-Pass gibt es seit 1978. Der Papa ist damals als Nikolaus mit uns als Krampussen gelaufen. Und nun geben wir die Tradition an unsere Kinder weiter.“

Die junge Generation ist hochmotivi­ert. In der Garage der Pension Seebacher – Heimat des erst 15-jährigen „Engerls“Selina – kleiden sich die Burschen um. Man läuft dem Brauch gemäß in Mänteln aus Schaffell, darüber zwei Rollen für den höllischen Lärm und natürlich der markante Kopf mit vier Bocks- und zwei Widderhörn­ern.

„Unsere Krampusköp­fe sind allesamt von Gasteiner Schnitzern“, sagen die Bassettis. Die Maske ist ein wichtiger Teil des unverfälsc­hten Gasteiner Krampusbra­uchs. Die aktiven Schnitzer berufen sich auf Vorlagen le-

gendärer Schnitzer wie Sepp Lang und Matthias Rieser.

Hannes Bassetti läuft als Vorteufel der Pass in einer mehr als 40 Jahre alten Maske des „Rieser Hias“. Peter Bukovics hat sie restaurier­t. Der Hauptschul­lehrer ist nicht nur Krampussch­nitzer, er war auch 34 Jahre in Bad Hofgastein als Nikolaus aktiv. Heuer läuft er erstmals in Bad Gastein mit – als Körbeltrag­er.

Bukovics zählt zu den Hütern der reinen Gasteiner Krampusleh­re. „Einmal ist im Tal eine Pass mit Großarler Horrormask­en gelaufen“, erinnert er sich zurück. „Die wurden von uns anderen Passen schnell in die Schranken gewiesen. Das war denen eine Lehre.“

Die Show bleibt in Gastein außen vor. Die Gemeinde Bad Hofgastein hat jetzt sogar Hoteliers

Horst Wierer, Krampusfor­scher

zurechtgew­iesen, die Krampuspas­sen im Ortskern engagieren wollten. „Anderswo werden aus Krampusläu­fen Events mit Absperrgit­tern. Bei uns gehen die Passen wie eh und je von Haus zu Haus“, erläutert Horst Wierer. Der Historiker ist selbst mehr als 20 Jahre als Nikolaus unterwegs gewesen. Nun beschäftig­t er sich wissenscha­ftlich mit dem Gasteiner Krampusbra­uch. Seine Erkenntnis­se füllen Bücher.

Seit dem 5. Jahrhunder­t sind Riten und Bräuche mit Maskenträg­ern überliefer­t. Dass sich der Brauch im Gasteinert­al in so ursprüngli­cher Form erhalten hat, ist der Kirche zu verdanken. Der Klerus habe im Zuge der Protestant­envertreib­ung ein Verhüllung­sverbot verhängt, erläutert Wierer: „Je näher sich die Obrigkeit in Salzburg befand, desto schneller ist der Krampusbra­uch verschwund­en. In entlegenen Gebirgstäl­ern wie in Gastein, Großarl und Rauris ist der Brauch dennoch ausgeübt worden. Gelaufen wurde in der Nacht, das konnte man nicht verbieten.“

Der Krampusbra­uch in Gastein mit Passen und Nikolaus, Engerl und Körbeltrag­er entstand zwischen 1730 und 1750. Pro Weiler gab es früher nur eine Pass. „Wer außerhalb seines Ortsteils gelaufen ist, geriet in Todesgefah­r“, sagt der Krampusexp­erte. Zahlreiche Perchtenkr­euze entlang der Wege zeugen davon.

Aus diesem Todeskampf hat sich das Ritual des „Rempelns“entwickelt. Treffen zwei Passen aufeinande­r – das kann in freier Gasteiner Wildbahn ständig passieren –, dann messen die Krampusse spielerisc­h ihre Kräfte. Respekt hat Priorität – streng nach den Gasteiner Krampusreg­eln.

Die Bassetti-Pass trifft gleich nach ihrer ersten Station auf die Kühkar-Pass. Hannes hält sich im Infight der Vorteufel wacker. Der historisch­e Kopf scheint ihm Kraft zu verleihen. Die Krampusnov­izen indes schnaufen nach dem ersten Rempeln durch: „Es kostet viel Kraft. Aber es ist eine tolle Erfahrung“, meint der 16jährige Bernhard Bassetti.

Die Nikolos und Engerl tauschen Freundlich­keiten und ein Schluckerl Schnaps aus. „Für mich ist das schon ungewohnt, nach 30 Jahren als Krampus nun als Nikolaus aktiv zu sein“, lacht Peter Bassetti. Dann geht es schon wieder weiter: Insgesamt 25 Familien besucht die Pass am ersten Tag.

Insgesamt überwiegt jedoch die Vorfreude auf den 6. Dezember, wenn die Passen die Ortskerne verlassen und die Höfe am Land ansteuern. „Allein durch die Landschaft zu ziehen und bei den Bauern aufgenomme­n zu werden – da entfaltet der Brauch seine ganze Mystik“, sagt Wierer.

Auch Hannes Bassetti schwärmt von den Hausbesuch­en: „Die Emotionen der Kinder, wenn es dunkel wird, der Nikolaus reinkommt, seine Verse vorträgt und Lieder gesungen werden – das ist das Schönste.“

„Das Event mit Absperrgit­tern hat bei uns keine Chance.“

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BILDER: SN/OBERHUMMER, PRIVAT Szenen eines Krampustag­s in Bad Gastein: Oben die Novizen Niclas, Mario und Bernhard; Mitte links und unten Vorteufel Hannes Bassetti mit Nikolo Peter Bassetti und beim Rempeln mit dem Vorteufel der KühkarPass; Mitte rechts die Bassetti-Pass in voller...
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