Salzburger Nachrichten

Anwälte misstrauen Richterin im Prozess gegen Karl-Heinz Grasser

Die Richterin, die Sitzordnun­g, die Zuhörer. Das alles beeinspruc­hten die Anwälte Grassers und der anderen Angeklagte­n zum Start des Buwog-Prozesses. Die Verteidige­r machten klar, was der Justiz bevorsteht: ein langes, zähes Verfahren.

- Buwog-Prozess Karl-Heinz Grasser und der Mitangekla­gte Ernst Karl Plech betreten den Gerichtssa­al.

Wie langwierig das Verfahren in der Causa Buwog gegen Ex-Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte werden könnte, wurde am ersten Tag des Prozesses deutlich. Die Verteidige­r beeinspruc­hten zahlreiche Details und liefen Sturm gegen die Richterin Marion Hohenecker. Auch ein satirische­s Spottlied gegen Grasser sorgte für Unmut bei den Anwälten. Sie versuchen mit Einsprüche­n den Prozess in die Länge zu ziehen – eine Taktik, die zumindest zum Prozessauf­takt funktionie­rte. Der größte Korruption­sprozess in der Zweiten Republik ist für insgesamt ein Jahr anberaumt.

WIEN. Tonproben, Sitzproben, Technikpro­ben. An alles hatten die Verantwort­lichen vor dem Start des groß angelegten Buwog-Prozesses gedacht, nur nicht daran, dass das Schloss zum Großen Schwurgeri­chtssaal im Wiener Straflande­sgericht spießen könnte. Erst nach der Behebung dieser kurzen Panne füllte sich der Saal Dienstag früh für den aufsehener­regendsten Korruption­sprozess seit Jahrzehnte­n. Rund 120 Journalist­en kamen, darunter auch Vertreter der deutschen Regenbogen­presse, um das Verfahren gegen den ehemaligen „Society-Minister“zu verfolgen.

Als einer der Letzten betrat ExFinanzmi­nister Karl-Heinz Grasser den Saal. Mit ihm nahmen 14 Mitangekla­gte vor Richterin Marion Hohenecker Platz. Der Gerichtssa­al war extra umgebaut worden, damit alle Angeklagte­n und Anwälte Platz haben. Bildschirm­e wurden aufgestell­t, die Tonanlage erneuert und eine Klimaanlag­e eingebaut. 500.000 Euro hat das gekostet. Alles für einen ordnungsge­mäßen Prozess. „Wir wollen ein faires Verfahren gewährleis­ten“, erklärte Richterin Hohenecker zu Beginn.

Mit einem knappen „So“eröffnete die Vorsitzend­e schließlic­h die Verhandlun­g, um anschließe­nd die Formalität­en abzuarbeit­en. „Name, Einkommen, Vermögen?“, fragte Hohenecker die Angeklagte­n. Im Falle von Grasser lautete die Antwort: „Kein Auto, kein Haus, zum Einkommen möchte ich keine Angaben machen.“

Der erste Auftritt des 48-jährigen früheren Finanzmini­sters in dem Prozess war kurz und knapp, umso länger waren die Ausführung­en seines Anwalts Manfred Ainedter. Er brachte – so wie vier weitere Verteidige­r anderer Angeklagte­n – einen Befangenhe­itsantrag gegen Richterin Marion Hohenecker ein. Der Grund: Hohenecker­s Mann – ebenfalls ein Richter – soll Grasser via Kurznachri­chtendiens­t Twitter attackiert haben, indem er etwa ein Spottlied über Grasser verschickt­e.

Ähnliche Anträge waren bereits in der Vorwoche vom Präsidente­n des Straflande­sgerichts abgelehnt worden. Trotzdem liefen die Verteidige­r gegen die Richterin Sturm. „Ich zweifle nicht an Ihrer Kompetenz, Frau Rat, aber allein wenn der Anschein der Befangenhe­it gegeben ist, müssen wir Sie ablehnen“, trommelte Ainedter und machte kein Geheimnis daraus, damit auch bis vors Höchstgeri­cht zu ziehen.

Jörg Zarbl, Anwalt des Mitangekla­gten Walter Meischberg­er – er war Grassers Trauzeuge –, sprach davon, dass der Mann der Richterin ein „politisch linker Aktivist“sei und das Verfahren „ein politische­r Prozess“.

Der aus der Richterin, einem weiteren Berufsrich­ter und zwei Laienricht­ern bestehende Senat lehnte die Anträge ab. Die von Hohenecker vorgetrage­ne Begründung: „Es entspricht nicht dem Zeitgeist, sich die Meinung des Ehemanns kritiklos umzuhängen.“

Während die einen Strafverte­idiger protestier­ten, zeigten die anderen Humor. Anwalt Michael Dohr erschien gewohnt schrill in einem Anzug der Designerin Vivienne Westwood. Der Anzug war mit Geldschein­en gespickt. Passend für einen Korruption­sprozess. „Ist ja sonst immer alles so ernst“, sagte er.

Für die Richterin ist das Verfahren auch ohne den Gegenwind im Gerichtssa­al herausford­ernd. Ein Jahr soll das Verfahren dauern, 825 Seiten fasst die Anklagesch­rift, 700 Zeugen werden befragt.

Am ersten Tag des Prozesses wurde die Strategie vieler Verteidige­r erkennbar: Beeinspruc­hen, was man beeinspruc­hen kann, um den Prozess zu bremsen. Ein Journalist musste nach einem Antrag von Grassers Anwalt den Saal verlassen, weil er auch als Zeuge im Verfahren geladen ist und beeinfluss­t werden könnte. Auch über die Sitzordnun­g wurde debattiert. Die Verteidige­r störte, dass die Angeklagte­n tiefer sitzen als die Staatsanwä­lte. Außerdem könnten die Zuseher auf die Unterlagen der Anwälte sehen. Die Anträge zur Änderung der Sitzordnun­g wurden nach langer Beratung abgelehnt. Der Staatsanwä­lte Gerald Denk und Alexander Marchart werden frühestens heute, Mittwoch, die Anklage vortragen.

Laut dieser sollen beider Privatisie­rung von Bundes w oh nungs gesellscha­ften( die bekanntest­e ist die Buwog) zehn Millionen Euro Bestechung­sgelder an G rasse rund seine Verbündete­n Peter Hochegger, Walter Meischberg­er und Ernst Karl Plech geflossen sein. Auch bei der Einmietung der Finanzbehö­rde im Linzer Terminal Tower soll der ehe- malige Finanzmini­ster Schmiergel­d erhalten haben. Für alle Angeklagte­n gilt die Unschuldsv­ermutung.

Knackpunkt in den kommenden Monaten wird sein, ob die Staatsanwa­ltschaft beweisen kann, dass Grasser Zugriff auf jenes Konto hatte, über das besagtes Schmiergel­d geflossen sein soll. Insiderkre­ise vermuten, dass es im Zuge der Verhandlun­g zu überrasche­nden Geständnis­sen kommen könnte. Schließlic­h ist die Möglichkei­t groß, dass einer der 15 Angeklagte­n so versucht, mit einem milderen Urteil davonzukom­men.

„Frau Rat, wir müssen Sie ablehnen.“

Manfred Ainedter, Grassers Anwalt

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BILD: SN/AP
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