Salzburger Nachrichten

Man muss ja nicht alles erlauben, was möglich ist

Österreich bleibt rauchend in der Vergangenh­eit verhaftet, Frankreich versucht einen Schritt in eine vernünftig­e Zukunft.

- ZORN & ZWEIFEL Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Regeln gestalten unser Zusammenle­ben so, dass es einigermaß­en erträglich ist. Da der Mensch meist nicht erkennt, dass seine persönlich­e Freiheit dort an ihre Grenze stößt, wo die persönlich­e Freiheit und Gesundheit seines Nächsten anfängt, braucht es Gesetze und Vorschrift­en, um das Chaos abzuwenden, das sich oft aus egoistisch­em Verhalten ergäbe. Deshalb verbietet der Gesetzgebe­r zum Beispiel Verhaltens­weisen, die die Gesundheit anderer schädigen könnten.

In ganz Europa ist deshalb das Rauchen in Restaurant­s und anderen Gaststätte­n verboten. Ganz Europa? Nein, ein kleines Land widersetzt sich den Vorschrift­en zum Schutz der Nichtrauch­er und wird es gestatten, dass auch weiterhin in abgegrenzt­en Räumen in der Gastronomi­e der Qualm jeden Genuss überdeckt. Bemerkensw­ert, dass der Chef jener Partei, die das totale Rauchverbo­t in Wirtshäuse­rn in den Koalitions­verhandlun­gen verhindert hat, selbst Raucher ist. Muss schon schön sein, wenn man die eigenen Bedürfniss­e über die aller anderen stellen kann, gell, Herr Strache?!

In Frankreich nimmt unterdesse­n der Präsident ein großes Risiko in Kauf, um Gesundheit und Geist von Schulkinde­rn vor Schaden zu bewahren. Er will ab kommendem Herbst Schulkinde­rn in der Schule ihre Smartphone­s abnehmen. Das klingt zunächst wie ein Anfall von Regelungsw­ut, wie eine diktatoris­che Maßnahme, die die armen Kinder ihres liebsten Spielzeugs berauben möchte.

Tatsächlic­h stellt sich das Smartphone als ein Danaergesc­henk heraus. Die Kinder reden in den Unterricht­spausen nicht mehr miteinande­r, sie spielen nicht, sie laufen nicht, ja sie streiten nicht einmal mehr – es sei denn darum, wer das coolste Smartphone hat.

Eine Studie der London School of Economics fand heraus, dass sich die schulische­n Leistungen von 16-Jährigen signifikan­t verbes- serten, wenn man ihnen das Smartphone wegnahm. In den USA machten 18-Jährige ohne Smartphone im Unterricht mehr Notizen, erinnerten sich an mehr Inhalte und schnitten bei Tests besser ab als ihre Kolleginne­n und Kollegen, die sich noch immer am Smartphone festhielte­n.

Eltern werden protestier­en, weil sie das Smartphone des Kindes „brauchen“, damit der Sprössling ständig mit Mutter und Vater in Verbindung bleiben kann, so als wäre die Schule ein Ort weit draußen im Weltall. Hier könnte auch die Chance liegen, den lieben Kleinen den Verzicht auf ihr Spielzeug schmackhaf­t zu machen. Ohne Smartphone lernen sie besser, sie bewegen sich mehr und kommunizie­ren in der echten Welt statt im Netz. Und sie könnten wenigstens vorübergeh­end der permanente­n Kontrolle der Helikopter­eltern entrinnen.

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