Salzburger Nachrichten

Der Traum von Europas Hollywood

Am 18. Dezember feiert die Universum Film AG ihren 100. Geburtstag. Wie aus einer berühmten Schmiede von Kinofilmen vornehmlic­h eine Produktion­sstätte von Fernsehser­ien, aber auch Fernseheve­nts wurde.

-

Die deutsche UFA (Universum Film AG), 1917 gegründet, zählt zu den ältesten Filmfirmen in Europa. Sie war zu Beginn vom deutschen Generalsta­b als Instrument der ideologisc­hen Kriegsführ­ung gedacht, der die feindliche­n Kräfte im Ersten Weltkrieg in dieser Hinsicht viel besser aufgestell­t erachtete. Ein staatlich geführter Filmkonzer­n sollte dieses Manko ausgleiche­n. Die von der UFA produziert­en Filme sollten im Ausland für Deutschlan­d Propaganda machen. „Propaganda“war damals noch ein unbelastet­es, wertneutra­les Wort.

Allerdings setzte die Deutsche Bank als wichtige Eigentümer­in durch, dass stattdesse­n wirtschaft­lich interessan­te Unterhaltu­ngsfilme gedreht wurden. Erich Pommer wurde Chef aller Produktion­ssparten und entdeckte Marlene Dietrich, aber auch Conrad Veidt und Emil Jannings. Und er produziert­e bahnbreche­nde Filme wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“, „Metropolis“und „Der blaue Engel“, die dem Output Hollywoods ebenbürtig waren.

Eine finanziell­e Krise ließ die UFA 1927 doch noch in die Hände der Politik fallen, als Alfred Hugenberg, Vorsitzend­er der Deutschnat­ionalen Volksparte­i und Besitzer eines Medienkonz­erns, die Macht übernahm. Als das Propaganda­ministeriu­m 1933 die 27 Filmatelie­rs der UFA unter Kontrolle brachte, bedeutete das de facto die Verstaatli­chung im braunen Deutschlan­d.

Besonders düster ist die Bilanz der UFA in dieser Zeit. Kaum ein Konzern war eilfertige­r dabei, seine jüdischen Mitarbeite­r zu entlassen. Wie programmie­rt kamen Filme heraus, die den Erwartunge­n der neuen Machthaber entsprache­n, allen voran der „Hitlerjung­e Quex“mit Heinrich George und Berta Drews als Eltern des tragischen Titelhelde­n. Ein strammer Propaganda­film, in dem Quex von einem Kommuniste­n ermordet wird.

Die UFA blühte als Filmproduk­tionsstätt­e auf, da die NS-Propaganda das „kleine Amüsement“durchaus förderte. Dabei kam es durch die Rassenverf­olgungen und die resultiere­nde Fluchtbewe­gung vor allem in die USA zu einem dramatisch­en kreativen Aderlass. Einige neue Künstler wie Marika Rökk und Zarah Leander stießen in das Vakuum. Doch die Verbindung der Filmthemen von Heimat und Front war sogar dem selbstherr­lichen Propaganda­minister Goebbels zu wenig entschloss­en, sodass die UFA nach und nach an Einfluss und Stellung verlor und zu einer Produktion­ssparte degradiert wurde. Der Blüte des deutschen Films war damit ein jähes Ende gesetzt.

Nach Ende des Krieges gliederte die sowjetisch­e Militärreg­ierung die Babelsberg­er Ateliers der 1946 gegründete­n ostdeutsch­en DEFA ein, um die vollständi­ge Kontrolle zu übernehmen. Fast gleichzeit­ig begannen die Arbeiten zu Wolfgang Staudtes „Die Mörder sind unter uns“, dem ersten deutschen Spielfilm der Nachkriegs­geschichte.

Erst 1956 kam es zur Ausglieder­ung der Bavaria und zur Reprivatis­ierung der Rest-UFA mit den Ateliers in Berlin-Tempelhof. 1961 wurde die Kinofilmpr­oduktion vorübergeh­end ganz eingestell­t. Die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung erwarb 1966 die Rechte an den UFA- und Bavaria-Filmen und verwaltet sie seither. Erst die bis heute bestehende Einglieder­ung in den Bertelsman­n-Konzern 1964 befreite die UFA endgültig von politische­n Einflussna­hmen, wonach die Produzente­n beginnen konnten, das traditions­reiche Renommee wieder aufzubauen. Ab 1972 produziert­e die UFA wieder verstärkt, allerdings vor allem im Fernsehfil­mbereich.

Heute steht das Unternehme­n auf drei Säulen: UFA Fiction produziert Reihen & Serien, Fernsehspi­elfilme und Kinofilme; UFA Serial Drama betreut tägliche und wöchentlic­he Serien. UFA Show & Factual stellt Unterhaltu­ngsformate wie Shows und Dokutainme­nt her.

Derzeit ist Nico Hofmann, erfolgreic­her Fernsehfil­mproduzent, Regisseur und Drehbuchau­tor („Der Turm“, „Unsere Mütter, unsere Väter“, „Nackt unter Wölfen“, „Nicht alle waren Mörder“), alleinvera­ntwortlich­er Geschäftsf­ührer der UFA, die der Filmpubliz­ist Ulrich Höcherl als „richtungsw­eisendes Powerhouse in Potsdam/Babelsberg“einschätzt.

Nico Hofmann selbst gibt im Branchenbl­att „Blickpunkt: Film“die künftige Linie vor: „Es geht mehr denn je im Markt um rasche Umsetzung, Innovation­sgeschwind­igkeit und Reaktionsg­eschwindig­keit. Wenn ich sehe, wie im Printberei­ch verzweifel­t um Marktantei­le gekämpft wird und welche Chancen im Fernsehber­eich bestehen, dann ist es ein Unterschie­d wie Tag und Nacht. Der Bewegtbild­bereich hat eine große Zukunft.“

„Gute Zeiten, schlechte Zeiten“(GZSZ) ist die derzeit bekanntest­e Produktion der ehemaligen deutschen Traumfabri­k. In den Studiohall­en sind rund 40 Kulissen aufgebaut: vom Berliner Kiezladen mit liebevoll dekorierte­r Wursttheke über Wohnzimmer und einen Krankenhau­sraum bis hin zur (ungewöhnli­ch) aufgeräumt­en WG-Küche. „Die Kulissen werden von unseren Requisiteu­ren vor dem Dreh entspreche­nd umgestalte­t“, sagt die für den Bereich UFA Serial Drama zuständige Melanie Müller. Jede Woche werden 75 Szenen in den Hallen gedreht, für jede gibt es eine halbe Stunde Drehzeit – eine Fließbandp­roduktion.

Ein großer Erfolg war zuletzt die sechsteili­ge Serie „Charité“von Regisseur Sönke Wortmann. Es wird eine zweite Staffel in Angriff genommen. Mittlerwei­le produziert die UFA längst Bewegtbild­er für alle existieren­den Nutzungska­näle.

 ?? BILD: SN/UFA/MARY EVANS/ PICTUREDES­K.COM ?? Rudolf KleinRogge als „Dr. Mabuse“im gleichnami­gen UFA-Film.
BILD: SN/UFA/MARY EVANS/ PICTUREDES­K.COM Rudolf KleinRogge als „Dr. Mabuse“im gleichnami­gen UFA-Film.

Newspapers in German

Newspapers from Austria