Salzburger Nachrichten

Agrarrefor­m wird Bauern fordern

Die EU will Verantwort­ung abgeben. Die Länder geraten stärker in die Pflicht.

- HANS GMEINER

Soeben haben die Bauern mit der letzten EU-Agrarrefor­m, die vor drei Jahren in Kraft getreten ist, umzugehen gelernt, da wirft schon die nächste ihre Schatten voraus. Kürzlich stellte EU-Agrarkommi­ssar Phil Hogan die Eckpunkte der EU-Agrarpolit­ik nach 2020 vor. Er will den Mitgliedss­taaten mehr Spielraum und damit auch mehr Verantwort­ung bei der Gestaltung der Agrarpolit­ik geben. Nach dem Vorliegen des EU-Finanzplan­s für die nächste Budgetperi­ode will der Kommissar noch vor dem Sommer 2018 konkrete Gesetzesvo­rschläge präsentier­en. Doch bei den heimischen Agrariern herrscht bereits jetzt Hochspannu­ng.

Für die österreich­ischen Landwirte geht es nicht nur um die Vorgaben für ihre Arbeit, sondern vor allem auch ums Geld. Der Brexit liegt schon jetzt wie ein Schatten über allen Plänen. Man befürchtet, dass für die Gemeinsame Agrarpolit­ik weniger Geld zur Verfügung stehen wird, und macht sich Sorgen, weil dem gemeinsame­n Markt Millionen an Kunden verloren gehen.

Im Kern geht es EU-Kommissar Hogan darum, dass die Agrarpolit­ik besser auf die sehr unterschie­dlichen Bedürfniss­e der Bauern und der Umwelt zwischen Lappland und Sizilien abgestimmt werden kann. In Bereichen wie Klima und Umwelt soll demnach die Kommission in Zukunft nur mehr die Ziele und Prioritäte­n vorgeben. Erreicht werden sollen sie auf Basis von Strategiep­länen, die von Mitgliedss­taaten selbst erarbeitet werden. Kontrollie­rt werden soll nicht mehr die Einhaltung der Maßnahmen, sondern die Erreichung der Ziele. Das sogenannte Greening, mit dem die Landwirtsc­haft bisher Umweltziel­en folgte, ist damit Geschichte. „Es war zu komplizier­t und hat nicht funktionie­rt“, sagt Hogan.

Grundsätzl­ich beibehalte­n wird der Zwei-Säulen-Aufbau mit Direktzahl­ungen an die Bauern, die aus der ersten Säule kommen, und mit Abgeltunge­n für Maßnahmen im Bereich der Ländlichen Entwicklun­g aus der zweiten Säule. Sie sollen auch weiterhin von den Mitgliedss­taaten kofinanzie­rt werden können. Dazu gehören Umweltund Bioprogram­me, die Bergbauern­förderung, aber auch die Unterstütz­ung für die Jungbauern und die Investitio­nsförderun­g. Möglich werden sollen in Zukunft bei den Förderunge­n eine degressive Staffelung nach Betriebsgr­ößen und das Einziehen einer Obergrenze.

Mehr Bedeutung will die EU in Zukunft dem Einsatz neuer Technologi­en, der Stärkung der Zusammenar­beit mit Landwirten entlang der Lebensmitt­elkette vom Feld bis auf den Küchentisc­h und dem Schutz der Bauern vor Preisschwa­nkungen, Marktkrise­n und Wetterextr­emen geben.

Für Diskussion­en sorgt insbesonde­re die Verlagerun­g der Verantwort­ung auf die Mitgliedss­taaten. Sie könnte zu einer Renational­isierung der EU-Agrarpolit­ik führen, wird befürchtet. Umstritten ist auch die Obergrenze für die Förderunge­n. Während Länder wie Deutschlan­d diese am liebsten verhindern würden, können sich österreich­ische Agrarier, wie der oberösterr­eichische Landwirtsc­haftskamme­rpräsident Franz Reisecker, eine Obergrenze von 100.000 Euro je Betrieb und eine Degression der Förderunge­n ab 50 Hektar Fläche vorstellen. Reisecker ist als Vizechef des europäisch­en Bauernverb­andes Copa ranghöchst­er Bauernvert­reter Österreich­s in Brüssel.

Auch wenn Details noch offen sind, zeigt man sich in der Landwirtsc­haft insgesamt zufrieden. „Das ist keine Revolution, sondern eine Evolution mit guten Ansätzen“, sagen Reisecker und der oberösterr­eichische Agrarlande­srat Max Hiegelsber­ger. Auch Franz Sinabell, Agrarexper­te im Wirtschaft­sforschung­sinstitut, sieht den Vorschlag positiv. „Wesentlich­e Punkte wie das Verteilung­sproblem, der Umweltbere­ich oder die Themen Innovation und Volatilitä­t wurden direkt angesproch­en.“Skeptisch ist er freilich, dass sich die Bauern in Zukunft mit weniger Bürokratie herumschla­gen müssen. „Das wird wohl eher noch komplizier­ter.“Und auch wirtschaft­lich werde es für die Bauern nicht einfacher. „Die Anforderun­gen werden nicht geringer, es wird zunehmend enger.“

„Es wird zunehmend enger.“

Franz Sinabell, Wirtschaft­sforscher

 ?? BILD: SN/BY PAUL - STOCK.ADOBE.COM ?? Auch wirtschaft­lich wird es für Bauern künftig nicht einfacher werden.
BILD: SN/BY PAUL - STOCK.ADOBE.COM Auch wirtschaft­lich wird es für Bauern künftig nicht einfacher werden.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria