Spaniens Separatisten verlieren an Zustimmung
Umfragen sehen die liberale Partei Ciudadanos bei der kommenden Wahl knapp vorn.
Bei der Schicksalswahl in Katalonien am 21. Dezember zeichnet sich eine Überraschung ab: Erstmals seit Jahrzehnten könnte eine prospanische Partei die meisten Stimmen gewinnen. Die Umfragen der vier wichtigsten spanischen Zeitungen sehen übereinstimmend die liberale Partei Ciudadanos (Bürger) knapp vorn. An zweiter Stelle folgt die Separatistenpartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke).
Das Separatistenlager, das aus drei Parteien besteht, muss sich auf Verluste einstellen. Umfragen prognostizieren, dass es sein Wahlziel, mehr als die Hälfte der Stimmen zu gewinnen, nicht erreichen wird. Das von der Partei Ciudadanos angeführte pro-spanische Lager kann den Meinungsforschern zufolge auf kräftige Stimmengewinne hoffen. Das wird vor allem der Zugkraft der rhetorisch begabten katalanischen Ciudadanos-Chefin Inés Arrimadas zugeschrieben – und den katalanischen Sozialisten, deren Chef Miquel Iceta im Wahlkampf versöhnliche Töne angeschlagen hat. Die dritte Partei im Bund des spanienfreundlichen Blocks ist die konservative Volkspartei, die aber traditionell keine große Rolle in Katalonien spielt.
Die Regierungsbildung in Katalonien dürfte nicht einfach werden. Die Wählerbarometer signalisieren ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Lager. In den neuesten Umfragen kommen die Separatisten, zu denen noch die Liste „Zusammen für Katalonien“des entmachteten Regierungschefs Carles Puigdemont und die linksradikale kleine Partei CUP gehören, zusammengerechnet auf 44 bis 45 Prozent.
Dem pro-spanischen Lager werden mit 44 bis 46 Prozent etwa gleich viele Stimmen zugetraut. In den Umfragen von „El País“, der größten Zeitung Spaniens, und von „La Vanguardia“, dem wichtigsten Blatt Kataloniens, liegen die ProSpanier sogar vor den Separatisten.
Eine entscheidende Rolle könnte letztlich die kleinere linksalternative Partei „Katalonien gemeinsam“spielen. Umfragen trauen ihr acht bis zehn Prozent der Stimmen zu. Diese Liste wurde von Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau gegründet und steht der Protestbewegung Podemos nahe. Sie vertritt einen dritten Weg zwischen den großen politischen Lagern: Man ist nicht für die Abspaltung von Spanien, wirbt aber dafür, den Katalanen ein legales, verbindliches Unabhängigkeitsreferendum nach schottischem Vorbild zu erlauben.
Spitzenkandidat Xavier Domènech kündigte bereits an, seine Partei werde weder einen Regierungschef aus dem pro-spanischen noch aus dem separatistischen Lager unterstützen.
Domènech schwebt ein anderes Modell vor: Er strebt eine progressive „Regierung der Versöhnung“an. Sie soll aus der linken Unabhängigkeitspartei Esquerra, den Sozialisten und seiner eigenen linksalternativen Liste bestehen. „Wir müssen die Politik der Blöcke durchbrechen“, betonte er.