Salzburger Nachrichten

Heuchelei, dein Name ist wieder Amerika

- MARTIN.STRICKER@SN.AT

Der Streit um den Status von Jerusalem und die Aussagen des amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump sind offenbar bereits Vergangenh­eit. Die USA stellten mittlerwei­le klar, worum es ihnen wirklich geht, nämlich um den Iran.

Die Islamische Republik verletze mit der Bewaffnung militanter Gruppen im gesamten Nahen Osten entspreche­nde UNO-Resolution­en, behauptete der amerikanis­che UNO-Botschafte­rin Nikki Haley. Bei einer aufwendig inszeniert­en Pressekonf­erenz in Washington präsentier­te die Spitzendip­lomatin Raketentei­le und andere Waffensyst­eme, die „unbestreit­bar“aus dem Iran stammten und von den jemenitisc­hen Huthis gegen SaudiArabi­en eingesetzt worden seien.

Dabei soll es sich unter anderen um eine iranische „Qiam 1“-Rakete handeln, eine Kopie der russischen SCUD, welche Anfang November beim Flughafen der saudischen Hauptstadt Riad einschlug. Hunderte Menschen hätten sterben können, sagte Haley, die während ihrer Ausführung­en mit keinem Wort auf die katastroph­ale humanitäre Situation und die drohende Hungersnot im bitterarme­n Bürgerkrie­gsland Jemen einging.

Saudische Kampfflugz­euge bombardier­en den Jemen seit mehr als drei Jahren. Auf dem Flug dorthin werden die Jets von britischen und amerikanis­chen Tankflugze­ugen mit zusätzlich­em Treibstoff versorgt, ohne den die Angriffe nicht möglich wären.

Beobachter in den USA gehen davon aus, dass bei der Pressekonf­erenz das „Überzeugun­gsmaterial“geliefert werden sollte, um die Weichen zum Ausstieg aus dem Vertrag zu stellen. Donald Trump hatte es im Oktober dem Kongress überlassen, innerhalb von 60 Tagen über neue Sanktionen zu entscheide­n. Darauf wurde zu Wochenbegi­nn allerdings verzichtet.

Für Trump ist das nach mehr als zehn Jahren Verhandlun­gen unterzeich­nete Atomabkomm­en mit dem Iran bekanntlic­h „der schlechtes­te Deal, der je ausgehande­lt wurde“. Deshalb müsse er „zerfetzt“werden.

Das Abkommen wurden von den UNO-Vetomächte­n Russland, China, Frankreich, Großbritan­nien, USA sowie Deutschlan­d und dem Iran unterzeich­net. Der UNO-Sicherheit­srat hat das Abkommen einstimmig angenommen. Die EUStaaten, Russland, China und Japan wollen, auch aus wirtschaft­lichen Gründen, an ihrer Annäherung­sstrategie gegenüber dem Iran festhalten. Iranische Raketentes­ts werden zwar kritisiert. Im Gegensatz zu den USA sieht Europa dadurch aber nicht den „Geist des Abkommens“, der keine rechtliche Bewandtnis Was immer Donald Trump angreift, wird Chaos. Das mag beabsichti­gt sein. Immerhin war die Methode, mit Gebrüll viel Schrecken und Durcheinan­der zu verbreiten, um im Rauch still und heimlich sein Ziel zu erreichen, Trumps Markenzeic­hen im Immobilien­geschäft.

Nun sind taktische Manöver, Tauschgesc­häfte und das beinharte Verfolgen eigener strategisc­her Interessen auch im diplomatis­chen Repertoire zu finden.

Doch da wie dort erweist sich, dass eine Basis aus windigen Tricks, Lügen und Halbwahrhe­iten nicht tragfähig ist. Das mussten die USA im Vietnamkri­eg schmerzhaf­t zur Kenntnis nehmen, ebenso bei ihrer Lateiname- rikapoliti­k, als die Unterstütz­ung von Folterdikt­aturen Doktrin im Weißen Haus war.

Unter Donald Trump scheint das alte Klischee des gewissenlo­sen, hässlichen Amerikas wieder Urständ zu feiern.

Es ist eine moralfreie Großleistu­ng, wenn UNO-Botschafte­rin Nikki Haley dem Iran die Bewaffnung militanter Gruppen im gesamten Nahen Osten vorwirft, aber kein Wort über die humanitäre Katastroph­e im Jemen verliert, die vor allem Saudi-Arabien mit amerikanis­chen (und europäisch­en) Waffen verursacht.

Es ist eine Heuchelei sonderglei­chen, vom „Terror“des Irans zu reden und Saudi-Arabien, den ideologisc­hen und finanziell­en Mentor der blutrünsti­gen sunnitisch­en Dschihad-Verirrunge­n, auszuspare­n.

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Martin Stricker

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