Am Haaretag hört keiner gern „Last Christmas“
Vom komplizierten Umgang mit den Ideen, die andere offenherzig und freundlich zur Verfügung stellen.
„Last Christmas“, hat einer gesagt. Und eine andere hat gesagt: „Sauerrahm.“Und ich schnappte kürzlich auch das schöne Wort „Haaretag“auf und habe dann intensiv nachgedacht, ob man daraus etwas machen kann. Und bald habe ich gewusst, dass es falsch war, zu fragen und aufzuschnappen. Um jetzt einmal ein Geheimnis auszuplaudern: Oft sind es Wörter wie „Last Christmas“, „Sauerrahm“oder „Haaretag“, die den Anfang dieser Kolumne machen. Und weil man ja nicht immer im eigenen Ideen-Sumpf stapfen soll und einem solche Wörter nicht immer selbst einfallen, überrumple ich Leute hin und wieder mit der Frage: „Fällt dir etwas ein, aus dem ich die Kolumne basteln könnte?“Ich finde, das ist eine schöne, man möchte fast sagen selbstlose, demokratische und in jedem Fall seltene Dienstleistung. Hauptsächlich frage ich da nämlich Leute, von denen ich weiß, dass sie Leserinnen und Leser dieser Zeitung sind. An die anderen kann ich ja meine Zeit nicht verschwenden, für die habe ich nichts zu bieten, während sich die treue Leserschaft freut, dass sie sich wiederfinden und direkt mitarbeiten kann. Nichts anderes als solche Freude will ich machen. Ein Raffinierter antwortete einmal auf meine Frage, ob er eine Idee habe, woraus die Kolumne gebastelt werden könnte: „Aus Wörtern vielleicht?!“Das war eine gute Antwort, an die ich mich immer halte. Eine Kolumne bloß aus Satzzeichen wäre vielleicht schön anzuschauen. Das sähe dann aus wie ein Kunstwerk, aber es wäre keine Kolumne. Nun bemerke ich in letzter Zeit aber, dass auch alte Freunde (und ich meine nicht „langjährige“, sondern solche, denen man hippes Internettun nicht zutraut) damit beginnen, ihre SMS, E-Mails und vor allem WhatsApp-Nachrichten mit Emojis zu versehen. Ich kam auf die Idee, die erste Emoji-Kolumne der Welt zu erfinden („schreiben“scheint mir da nicht so passend). Ein Text aus Smileys und Gesichter mit Freudentränen – das wäre doch was. Heißt doch eh immer, dass wir in einer Bilderwelt leben. Aber wie das ist bei mir Altem, der sich liebend gern der Schnelligkeit verweigert, habe ich diese Gelegenheit verpasst. Schon vor drei Jahren hat der Chinese Xu Bing das erste Buch mit Emojis statt der üblichen Schriftzeichen veröffentlicht. Für „Haaretag“und „Sauerrahm“fand ich auch gar keine Emojis. Das wird wohl erst kommen. Für „Last Christmas“brauche ich keines. Darüber hätte ich eh nicht geschrieben, weil es reicht, den Song dauernd irgendwo hören zu müssen.