Salzburger Nachrichten

Am Haaretag hört keiner gern „Last Christmas“

Vom komplizier­ten Umgang mit den Ideen, die andere offenherzi­g und freundlich zur Verfügung stellen.

- Bernhard Flieher WWW.SN.AT/FLIEHER

„Last Christmas“, hat einer gesagt. Und eine andere hat gesagt: „Sauerrahm.“Und ich schnappte kürzlich auch das schöne Wort „Haaretag“auf und habe dann intensiv nachgedach­t, ob man daraus etwas machen kann. Und bald habe ich gewusst, dass es falsch war, zu fragen und aufzuschna­ppen. Um jetzt einmal ein Geheimnis auszuplaud­ern: Oft sind es Wörter wie „Last Christmas“, „Sauerrahm“oder „Haaretag“, die den Anfang dieser Kolumne machen. Und weil man ja nicht immer im eigenen Ideen-Sumpf stapfen soll und einem solche Wörter nicht immer selbst einfallen, überrumple ich Leute hin und wieder mit der Frage: „Fällt dir etwas ein, aus dem ich die Kolumne basteln könnte?“Ich finde, das ist eine schöne, man möchte fast sagen selbstlose, demokratis­che und in jedem Fall seltene Dienstleis­tung. Hauptsächl­ich frage ich da nämlich Leute, von denen ich weiß, dass sie Leserinnen und Leser dieser Zeitung sind. An die anderen kann ich ja meine Zeit nicht verschwend­en, für die habe ich nichts zu bieten, während sich die treue Leserschaf­t freut, dass sie sich wiederfind­en und direkt mitarbeite­n kann. Nichts anderes als solche Freude will ich machen. Ein Raffiniert­er antwortete einmal auf meine Frage, ob er eine Idee habe, woraus die Kolumne gebastelt werden könnte: „Aus Wörtern vielleicht?!“Das war eine gute Antwort, an die ich mich immer halte. Eine Kolumne bloß aus Satzzeiche­n wäre vielleicht schön anzuschaue­n. Das sähe dann aus wie ein Kunstwerk, aber es wäre keine Kolumne. Nun bemerke ich in letzter Zeit aber, dass auch alte Freunde (und ich meine nicht „langjährig­e“, sondern solche, denen man hippes Internettu­n nicht zutraut) damit beginnen, ihre SMS, E-Mails und vor allem WhatsApp-Nachrichte­n mit Emojis zu versehen. Ich kam auf die Idee, die erste Emoji-Kolumne der Welt zu erfinden („schreiben“scheint mir da nicht so passend). Ein Text aus Smileys und Gesichter mit Freudenträ­nen – das wäre doch was. Heißt doch eh immer, dass wir in einer Bilderwelt leben. Aber wie das ist bei mir Altem, der sich liebend gern der Schnelligk­eit verweigert, habe ich diese Gelegenhei­t verpasst. Schon vor drei Jahren hat der Chinese Xu Bing das erste Buch mit Emojis statt der üblichen Schriftzei­chen veröffentl­icht. Für „Haaretag“und „Sauerrahm“fand ich auch gar keine Emojis. Das wird wohl erst kommen. Für „Last Christmas“brauche ich keines. Darüber hätte ich eh nicht geschriebe­n, weil es reicht, den Song dauernd irgendwo hören zu müssen.

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