Von der Renaissance bis zur Gegenwart
etablierte Hans Tietze die Albertina als Museum für Zeichenkunst und integrierte ein Österreichisches Architekturmuseum. Die Zeit war günstig, denn gesammelt wurden wichtige Materialien zu den Monumentalbauten, die entlang der Ringstraße entstanden waren, wobei im ganzen Gebiet der Habsburgermonarchie Bauten entstanden, die als Siegerprojekte aus dem 1848 eingeführten Wettbewerbswesen hervorgingen. Das führte zu zahlreichen Dokumentationen. Die jeweiligen Zeichnungen und Pläne von 1700 bis 1918 bilden den Kernbestand, sie stammen zumeist aus kaiserlichem Besitz und sind wunderbare Zeugnisse des staatlichen und höfischen Bauwesens. Der kunsthistorisch wertvollste Teil der Sammlung dagegen stammt aus Rom. Der „Atlas Stosch“, also die umfangreiche Sammlung von Philipp Baron von Stosch (1691–1757), entstand in Rom und – bis zum Tod des Sammlers – in Florenz.
Es ist der rund 1000 Blätter umfassende Nachlass des berühmten römischen Barockarchitekten Francesco Borromini. Der gebürtige Schweizer hatte es sogar geschafft, den Baumeister des Petersdomes, Gian Lorenzo Bernini, aus seinem Amt zu verdrängen, und gestaltete mehrere sakrale Innenräume wie etwa in der Kirche Sant’Ivo alla Sapienza. Ausgestellt ist unter anderem eine Skizze der Laterne der Universitätskirche, die sich schraubenartig nach oben verjüngt und in einem Flammenkelch endet.
Bei Sakralbauten war Clemens Holzmeister ein Großmeister. Allein für Brasilien entwarf er fünf Kirchen. Faszinierend ist der Entwurf für die Kathedrale von Belo Horizonte. 150 Meter hätte der kuppelbekrönte Zylinder aus weiß glänzendem Beton hoch werden sollen. Andere Architekten griffen in bestehende Architektur ein. So entwarf Otto Wagner, Wiens maßgeblichster Städtebaumeister und heute Stolz der Stadt, für das relativ bescheidene Kapuzinerkloster einen Neubau. Anlass war seine Er- schütterung über die Ermordung von Kaiserin Sisi, aber auch aus diesem Memorial-Denkmal wurde nichts. Dafür konnte sich Wagner mit der Planung und Errichtung der Stadtbahn ein Denkmal setzen. Sein Mitarbeiter Joseph Maria Olbrich hinterließ eine dekorative Zeichnung des Hofpavillons der Stadtbahn in Hietzing, welche Otto Wagner entwarf.
Die Ausstellung in den Tietze Galleries ist nach Themen geordnet und in sich chronologisch. Von der Skizze zur Studie, Grundriss, Querschnitt, Frontalansicht oder Perspektivansicht geben Entstehungsprozesse bis hin zur Dreidimensionalität wieder. Es gibt die großen Residenzbauten, etwa von Schloss Mittau aus dem Jahr 1738, oder kleine Entwürfe wie für Brunnen. Veduten wie von Dresden oder Lyon geben wunderbare Stadtansichten wieder. Villen für wohlhabende Mitbürger entwarfen Adolf Loos – sehr knapp und auf das Notwendigste reduziert – oder Frank Lloyd Wright, der für eine gewisse Dorothy Foster in Buffalo ein fast alpin wirkendes Landhaus zeichnete.
Es gibt auch geradezu rührende Beispiele, die trotzdem ins Auge springen, wie die Orthogonalansicht einer Fischerhütte im Fischerdörfl des Parks zu Laxenburg, ein romantisches Beispiel vom Landleben, wie es Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg sich vorstellte. Und dann gibt es historistische Repräsentationsbauten, die Prunk und Protz nicht scheuen. Johann Fischer von Erlach entwarf ein Bergschloss, das hoch über der Thaya hätte thronen sollen. Und obwohl Otto Wagner beim Wettbewerb um den Bau des Justizpalastes nicht eingeladen war, entwarf er in einer akribischen Zeichnung ein Palais, die dann vom Justizministerium angekauft wurde.
Die sachlich kühle Moderne vertritt ein Architekt wie Josef Frank, der nicht nur Villen – ein schönes Beispiel ist das Haus Nr. 9 aus den „Dreizehn Häusern“für Dagmar Grill – entwarf, sondern ganze Stadtviertel in die Höhe zog und die jeweiligen Bauten in unterschiedliche Farben tauchte. Das wiederum führt hin zu sozialen Bauten. Kurator Christian Benedik hat es bei der Auswahl nicht leicht gehabt. Ab 27. Juni wird ein zweiter Teil aus der Sammlung gezeigt. Ausstellung: