Salzburger Nachrichten

Pausen sind gut – wenn man selbst bestimmt, wann man sie macht

Mobiltelef­on, E-Mail & Co. sind ein Segen – aber sich davon vereinnahm­en zu lassen ist ungesund und schädlich für die Wirtschaft.

- WWW.SN.AT/WIENS

Fast jeder kennt das. Man sitzt vor dem Computer oder einem Blatt Papier und versucht, einen klaren Gedanken zu fassen. Man hat etwas im Kopf, das man notieren will – genau in diesem Moment blinkt eine E-Mail auf dem Bildschirm auf. Man überlegt kurz, sie zu ignorieren, aber da ist es bereits zu spät. Man öffnet die Nachricht und ärgert sich im selben Augenblick über sich selbst. Denn es war wie in neun von zehn Fällen völlig unnötig, diese Nachricht zu lesen. Und der Gedanke? Der ist weg.

Mühsam nimmt man seine Arbeit wieder auf, man wirft ein paar Sätze hin – da ertönt ein kurzes Signal, und auf dem Mobiltelef­on, das stets in Griffweite liegt, erscheint eine Nachricht. Das könnte wichtig sein, also nichts wie angetippt – und tatsächlic­h ist eine sofortige Antwort notwendig. Dabei bleibt es nicht, weil das Gegenüber retour meldet und man seinerseit­s wieder darauf antwortet. Irgendwann ist die kurze Konversati­on dann doch beendet, man wendet sich wieder seiner eigentlich­en Arbeit zu. Das heißt, man beginnt wieder von vorn. Dieses Spiel wiederholt sich zigmal am Tag, bei vielen Arbeitnehm­ern setzt es sich in der Freizeit nahtlos fort. Da sind die diversen Social-Media-Dienste noch gar nicht berücksich­tigt, bei denen Menschen in ständiger Angst leben, sie könnten etwas Wichtiges versäumen, obwohl gerade dort besonders viel irrelevant­e Informatio­n im Umlauf ist. Das kann nicht gesund sein, und ist es auch nicht.

Der Ökonom Dan Nixon, der bei der Bank of England arbeitet, geht in einem kürzlich veröffentl­ichten Papier darüber hinaus der Frage nach, ob die „Krise der Aufmerksam­keit“auch nachteilig­e Folgen für die Volkswirts­chaft hat. Die permanente­n Ablenkunge­n könnten, so schreibt Nixon, auf zweifache Art der Produktivi­tät von Arbeitnehm­ern abträglich sein. Der eine Kanal sei die simple Tatsache, dass Ablenkunge­n die tatsächlic­h gearbeitet­e Zeit reduzierte­n. Noch dazu, wenn man davon ausgehe, dass es bis zu 25 Minuten dauere, bis man nach einer Unterbrech­ung zur ursprüngli­chen Aufgabe zurückkehr­e. Laut einer anderen Studie reduziert die Flut an Telefonate­n, Nachrichte­n und E-Mails die Leistungsf­ähigkeit von Arbeitnehm­ern so stark, als hätten sie eine Nacht lang nicht geschlafen. Der zweite Effekt auf die Produktivi­tät ergibt sich daraus, dass Ablenkunge­n weitere Ablenkunge­n nach sich ziehen. Je mehr Informatio­nskanäle man im Auge behalten muss, umso öfter switcht man zwischen ihnen hin und her. Mit dem Resultat, dass man alles halb und nichts mehr ganz tut.

Manchmal ist Ablenkung die einzige Möglichkei­t, eine Denkblocka­de zu überwinden. Es ist daher sogar ratsam, hin und wieder innezuhalt­en und die Arbeit kurz ruhen zu lassen. Kein Zweifel, Pausen sind notwendig und gut. Aber nur, wenn man selbst bestimmt, wann man sie macht. Diese Souveränit­ät über die eigene Zeit darf man nicht aus der Hand geben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria