USA kippen Netzneutralität: Droht Zwei-Klassen-Internet?
Die US-Telekommunikationsaufsicht legt die Axt an die Netzneutralität. Internetanbieter könnten damit zu einer Art Mautwächter werden und bestimmte Dienste drosseln.
Es ist eine umstrittene Entscheidung mit Sprengkraft. Die US-Telekommunikationsaufsicht FCC hat am Donnerstag die strikten Regeln zur Netzneutralität gekippt, also zur Gleichbehandlung von Daten im Internet. Die Entscheidung ist ein Triumph für Telekomkonzerne wie AT&T, Comcast und Verizon. Die Anbieter von Inhalten wie die Filmindustrie in Hollywood, Facebook und Google hatten sich dagegen für einen Erhalt der 2015 unter der Regierung von Barack Obama erlassenen Vorschrift eingesetzt. Mit der Regelung wurde das Internet in den USA als öffentliche Dienstleistung eingestuft, die allen gleichberechtigt zur Verfügung gestellt werden muss.
Was die Neuerung bedeuten könnte? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick:
Was ist Netzneutralität?
Das Prinzip der Netzneutralität sieht vor, dass alle Daten gleichberechtigt durchs Netz geleitet werden – unabhängig davon, woher sie stammen, welcher Art die Daten sind und welchen Inhalt sie haben. Provider sollen demnach die Daten unterschiedslos – ob Videos, Patientendaten, E-Mail-Verkehr oder Spiele – durch ihre Netze leiten.
Die Befürworter der Netzneutralität sehen darin einen Grundsatz, der das Internet als demokratisches Netz erst ausmacht. Sie gilt ihnen als Garant für Wettbewerb und Innovationen wie auch für demokratische Strukturen. Kritiker halten jedoch den immens wachsenden Datenverkehr und immer wieder drohende Staus dagegen. Das mache es erforderlich, bestimmte Daten wie bei Telefonaten oder Videostreaming vorrangig zu behandeln. Die Anbieter von Internetzugängen wie AT&T, Verizon oder Comcast werden nicht mehr mit Telekommunikationsanbietern gleichgestellt, sondern sind Informationsdienste. Die Telekommunikationsaufsicht FCC gibt damit selbst ein Stück ihrer Macht ab, weil sie nur wenig Regulierungsmöglichkeiten über Informationsdienste hat. Nach der alten Regelung war es den Netzbetreibern nicht erlaubt, bestimmten Datenverkehr zu blockieren oder zu verlangsamen und anderen Inhalten Vorrang zu geben. Dieses Verbot fällt nun weg. Das muss sich erst noch zeigen. Gegen die Entscheidung drohen Klagen, die Netzanbieter dürften mit möglichen Änderungen also erst einmal warten. Es ist denkbar, dass sie Onlinedienste wie Google, Facebook oder Netflix künftig dafür zur Kasse bitten, dass diese für ihr Angebot eine Art Schnellstraße bekommen. Die wiederum könnten die gestiegenen Kosten dann an die Konsumenten weitergeben.
Besonders hart träfe es womöglich Verbraucher in ländlichen Gebieten in den USA, wo es oft nur einen Internetanbieter und somit keine Wahlmöglichkeit gibt.
Es gibt aber noch viel Ungewissheit. So könnte die Bevorzugung mancher Dienste gegen Bezahlung möglicherweise auch die Kartellbehörden auf den Plan rufen – wenn sie in der Praxis dazu führt, dass der Wettbewerb begrenzt wird. In Europa schreibt eine vor etwas mehr als einem Jahr verabschiedete Leitlinie der EU-Telekom-Regulierungsbehörde Berec die Netzneutralität weitgehend fest. Daran wolle man festhalten, betonte die EUKommission am Freitag. Demnach dürfen Internetanbieter StreamingPlattformen keine großzügigen Sonderregelungen einräumen. Unter Auflagen sind aber Spezialdienste wie etwa Internet-TVAngebote ausgenommen.
Was besagt die neue Regelung in den USA genau? Was heißt das nun für Verbraucher in den USA? Wie ist die Rechtslage in Europa? Welche Auswirkungen werden für europäische Verbraucher erwartet?
Nach der Abschaffung der strikten Regeln in den USA dürften Nutzer in Europa zunächst kaum Auswirkungen wahrnehmen. Indirekt könnten sie es spüren, da die Marktmacht großer Anbieter wachsen und die Auswahl damit auch für europäische Nutzer schrumpfen werde, schätzt Klaus Müller, Vorstand des deutschen Verbraucherzentrale-Bundesverbands. Mittelfristig sieht der netzpolitische Sprecher der deutschen Grünen, Konstantin von Notz, damit aber die Netzneutralität in Europa gefährdet. Die Telekom und andere Anbieter würden nur darauf warten, mit immer neuen Datentarifen Geld im Netz zu verdienen.