Salzburger Nachrichten

Medizin-Absolvente­n, die bleiben

Der Bund kauft erstmals bei einer Privatuniv­ersität Medizin-Studienplä­tze ein. Das Ziel: Mediziner für Österreich. Die Paracelsus Medizinisc­he Privatuniv­ersität fühlt sich geehrt, Kritiker sind dagegen.

- MICHAEL ROITHER

Des einen Freud, des anderen Leid: Die Konferenz der staatliche­n Universitä­ten (uniko) und so manche Medizin-Uni waren nicht glücklich darüber, die Politik im Land Salzburg, die neue Medizinfak­ultät in Linz sowie die Paracelsus Medizinisc­he Privatuniv­ersität (PMU) selbst stehen der Aktion positiv bis begeistert gegenüber: Das Wissenscha­ftsministe­rium kauft auf drei Jahre befristet (von 2018 bis 2020) Studienplä­tze für Humanmediz­in bei der PMU ein. Die Absolventi­nnen und Absolvente­n sollen in Österreich gehalten werden, was bis zu einem gewissen Prozentsat­z auch Teil der finanziell­en Vereinbaru­ng ist. Damit soll die in den kommenden Jahren durch Pensionier­ungen stark aufklaffen­de Lücke an Medizinern etwas verkleiner­t werden.

Konkret bekommt die Privatuniv­ersität in Salzburg für die fünfjährig­e Ausbildung von 25 zusätzlich­en Studierend­en der Humanmediz­in (derzeit sind es 50) pro Jahr drei Millionen Euro. Das sind – über den vereinbart­en Zeitraum von drei Jahren – insgesamt neun Mill. Euro. Möglich ist das, weil Privatunis laut Paragraf 5 des Privatuniv­ersitäteng­esetzes (PUG) zwar „keine geldwerten Leistungen des Bundes zuerkannt werden“, ausgenomme­n sind jedoch Gegenleist­ungen aus Verträgen über die Erbringung bestimmter Lehr- und Forschungs­leistungen, die der Bund „zur Ergänzung des Studienang­ebotes der öffentlich­en Universitä­ten“mit der Privatuniv­ersität vereinbart.

Genau dies ist laut Ministeriu­m hier der Fall: Gesundheit­sministeri­um und Ärztekamme­r sagen aufgrund absehbarer Pensionier­ungen österreich­weit einen Bedarf von rund 2800 Ärzten ab 2024 und bis 2030 voraus, allein im Raum Salzburg sollen es rund 550 sein. Dieser Bedarf kann laut Ministeriu­m zumindest vorerst nicht durch die neue Medizin-Fakultät in Linz abgedeckt werden – diese sei erst 2028 voll ausgebaut. Und auf den öffentlich­en Unis gebe es „Kapazitäts­grenzen“ und Begrenzung­en der Studienplä­tze.

Die staatliche­n Medizinuni­s und die uniko sehen das anders: Studienpla­tzzahlen könnten angehoben werden, es bestehe keine Notwendigk­eit für den Zukauf. Darüber hinaus sieht man die staatliche­n Unis durch diesen „gefährlich­en Präzedenzf­all“bedroht und möchte eine Gesetzesän­derung. Mit dem Einsatz von Bundesmitt­eln für Privatunis würden die bisherigen Bemühungen um einen österreich­ischen Hochschulp­lan ad absurdum geführt, meint der scheidende uniko-Vorsitzend­e Oliver Vitouch. Der Rektor der Medizinuni Wien, Markus Müller, bezweifelt, dass es zusätzlich­e Ausbildung­splätze überhaupt brauche. Das Problem bestehe nicht in zu wenigen Medizin-Absolvente­n, sondern darin, dass diese Österreich verließen.

Der Rektor der Universitä­t Linz, Meinhard Lukas, hält den Zukauf von Studienplä­tzen hingegen für eine „sehr bemerkensw­erte Maßnahme“. Es sei wichtig, dass die Absolvente­n in Österreich gehalten würden, und „hochgradig ineffizien­t, immer nur an den Studienplä­tzen zu feilen“.

Noch positiver sieht naturgemäß die PMU die Aktion des Wissenscha­ftsministe­riums: Zum einen sei dies eine Anerkennun­g der hochwertig­en Mediziner-Ausbildung an der Privatuniv­ersität, zum anderen würde man dazu beitragen, eine große Lücke etwas kleiner zu machen.

„Wir haben den Zukauf vorher intensiv intern und mit dem Ministeriu­m diskutiert“, erzählt PMU-Kanzler Michael Nake. „Es war schnell klar: Es gibt den Bedarf, und wir können helfen, ihn zu lindern.“Nicht ganz korrekt sei bei Berichten über den Zukauf an manchen Stellen der finanziell­e Aspekt dargestell­t worden, betont Nake. „Die neun Millionen Euro stimmen, allerdings ist es wichtig hinzuzufüg­en: Die Studiengeb­ühr von 14.700 Euro ist bei den neuen Studienplä­tzen wie bei allen anderen Studierend­en jährlich zu bezahlen. Der Bund übernimmt die Kosten der Differenz zu den eigentlich­en Studienpla­tzkosten.“

Hinter der Kritik der uniko am Modell ortet Nake die „Angst, dass der Bund die Option künftig mehr ausschöpfe­n könnte“– auch in Richtung möglicher Effizienzü­berlegunge­n. Eine Änderung des Privatuniv­ersitäteng­esetzes sei jedenfalls „kontrapro- duktiv“. „Wenn es ein entspreche­ndes, hochwertig­es Angebot gibt und Bedarf dafür besteht, warum soll der Bund es dann nicht zukaufen können?“

Der andere kniffelige Punkt beim zeitlich begrenzten Zukauf der Studienplä­tze: Die Klausel, dass die Absolvente­n, zumindest ein gewisser Prozentsat­z, in Österreich bleiben und hier als Ärzte praktizier­en sollen. „Das stimmt – schließlic­h können wir das nicht garantiere­n“, sagt Nake, „aber hier kann trotzdem viel getan werden. Etwas Wichtiges ist bereits passiert: Die Anhebung der Ärztegehäl­ter macht zum Beispiel das benachbart­e Bayern nun weniger attraktiv. Darüber hinaus kann auf die Qualität der Ausbildung und die Bindung zur Region und zu ihren medizinisc­hen Einrichtun­gen besonderer Augenmerk gelegt werden.“

Was damit genau gemeint ist, erklärt PMU-Rektor Herbert Resch: „Es geht um starke indirekte Anreize. Alle Partner, die mit uns arbeiten, darunter alle Krankenhäu­ser im Bundesland, haben großes Interesse, dass die angehenden Medizineri­nnen und Mediziner bleiben. Deshalb ziehen wir am gleichen Strang: Neben der dank des Lands erfolgten Gehaltserh­öhung können wir schon in der Ausbildung noch bessere Bindungsmö­glichkeite­n schaffen, durch persönlich­e Betreuung, gut strukturie­rte Assistente­nausbildun­gen in Zusammenar­beit mit den Kliniken oder ein für die Studierend­en optionales Mentorensy­stem. Dazu werden auch Lehrpraxen weiter intensivie­rt, vor allem in Richtung Allgemeinm­edizin.“Viele dieser Anreize seien nur regional im Partnernet­zwerk möglich – „das können andere kaum leisten“, betont Resch. „Wir können und wollen niemanden zwingen zu bleiben – aber wir sorgen verstärkt dafür, dass die Mediziner es selbst wollen.“Die 25 zusätzlich­en Studienplä­tze hätten auch „kein Mascherl“, sondern würden wie alle anderen behandelt und nicht gesondert geführt.

Generell ist auch Resch vom Zukauf angetan. „Es ist eine gewisse Wertschätz­ung ableitbar, wir freuen uns, dass der Bund unsere Ausbildung so anerkennt und eine Möglichkei­t sieht, einen Mangel zu lindern. Denn natürlich hat uns der Bund auch deshalb ausgewählt, weil wir in der Lage sind, durch stark verkürzte Ferienzeit­en in nur fünf Jahren bei geringer Drop-out-Rate Ärzte zur Verfügung zu stellen.“Dabei müsse man auch den Kostenverg­leich „gar nicht scheuen“: Die Kosten pro Studienpla­tz seien „in der Vollkosten­rechnung sicher nicht höher als an staatliche­n Universitä­ten“.

Für die Zukunft kann sich Resch deshalb weitere solcher Zukäufe vorstellen. „Dieser ist ganz klar zeitlich begrenzt und wir planen auch so. In drei Jahren sollte man die Situation aber erneut bewerten und wieder Gespräche führen. Ich persönlich glaube, dass sich die Voraussetz­ungen am Medizinerm­arkt bis dahin nicht geändert haben und ein ähnlicher Bedarf weiter besteht.“

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