Medizin-Absolventen, die bleiben
Der Bund kauft erstmals bei einer Privatuniversität Medizin-Studienplätze ein. Das Ziel: Mediziner für Österreich. Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität fühlt sich geehrt, Kritiker sind dagegen.
Des einen Freud, des anderen Leid: Die Konferenz der staatlichen Universitäten (uniko) und so manche Medizin-Uni waren nicht glücklich darüber, die Politik im Land Salzburg, die neue Medizinfakultät in Linz sowie die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) selbst stehen der Aktion positiv bis begeistert gegenüber: Das Wissenschaftsministerium kauft auf drei Jahre befristet (von 2018 bis 2020) Studienplätze für Humanmedizin bei der PMU ein. Die Absolventinnen und Absolventen sollen in Österreich gehalten werden, was bis zu einem gewissen Prozentsatz auch Teil der finanziellen Vereinbarung ist. Damit soll die in den kommenden Jahren durch Pensionierungen stark aufklaffende Lücke an Medizinern etwas verkleinert werden.
Konkret bekommt die Privatuniversität in Salzburg für die fünfjährige Ausbildung von 25 zusätzlichen Studierenden der Humanmedizin (derzeit sind es 50) pro Jahr drei Millionen Euro. Das sind – über den vereinbarten Zeitraum von drei Jahren – insgesamt neun Mill. Euro. Möglich ist das, weil Privatunis laut Paragraf 5 des Privatuniversitätengesetzes (PUG) zwar „keine geldwerten Leistungen des Bundes zuerkannt werden“, ausgenommen sind jedoch Gegenleistungen aus Verträgen über die Erbringung bestimmter Lehr- und Forschungsleistungen, die der Bund „zur Ergänzung des Studienangebotes der öffentlichen Universitäten“mit der Privatuniversität vereinbart.
Genau dies ist laut Ministerium hier der Fall: Gesundheitsministerium und Ärztekammer sagen aufgrund absehbarer Pensionierungen österreichweit einen Bedarf von rund 2800 Ärzten ab 2024 und bis 2030 voraus, allein im Raum Salzburg sollen es rund 550 sein. Dieser Bedarf kann laut Ministerium zumindest vorerst nicht durch die neue Medizin-Fakultät in Linz abgedeckt werden – diese sei erst 2028 voll ausgebaut. Und auf den öffentlichen Unis gebe es „Kapazitätsgrenzen“ und Begrenzungen der Studienplätze.
Die staatlichen Medizinunis und die uniko sehen das anders: Studienplatzzahlen könnten angehoben werden, es bestehe keine Notwendigkeit für den Zukauf. Darüber hinaus sieht man die staatlichen Unis durch diesen „gefährlichen Präzedenzfall“bedroht und möchte eine Gesetzesänderung. Mit dem Einsatz von Bundesmitteln für Privatunis würden die bisherigen Bemühungen um einen österreichischen Hochschulplan ad absurdum geführt, meint der scheidende uniko-Vorsitzende Oliver Vitouch. Der Rektor der Medizinuni Wien, Markus Müller, bezweifelt, dass es zusätzliche Ausbildungsplätze überhaupt brauche. Das Problem bestehe nicht in zu wenigen Medizin-Absolventen, sondern darin, dass diese Österreich verließen.
Der Rektor der Universität Linz, Meinhard Lukas, hält den Zukauf von Studienplätzen hingegen für eine „sehr bemerkenswerte Maßnahme“. Es sei wichtig, dass die Absolventen in Österreich gehalten würden, und „hochgradig ineffizient, immer nur an den Studienplätzen zu feilen“.
Noch positiver sieht naturgemäß die PMU die Aktion des Wissenschaftsministeriums: Zum einen sei dies eine Anerkennung der hochwertigen Mediziner-Ausbildung an der Privatuniversität, zum anderen würde man dazu beitragen, eine große Lücke etwas kleiner zu machen.
„Wir haben den Zukauf vorher intensiv intern und mit dem Ministerium diskutiert“, erzählt PMU-Kanzler Michael Nake. „Es war schnell klar: Es gibt den Bedarf, und wir können helfen, ihn zu lindern.“Nicht ganz korrekt sei bei Berichten über den Zukauf an manchen Stellen der finanzielle Aspekt dargestellt worden, betont Nake. „Die neun Millionen Euro stimmen, allerdings ist es wichtig hinzuzufügen: Die Studiengebühr von 14.700 Euro ist bei den neuen Studienplätzen wie bei allen anderen Studierenden jährlich zu bezahlen. Der Bund übernimmt die Kosten der Differenz zu den eigentlichen Studienplatzkosten.“
Hinter der Kritik der uniko am Modell ortet Nake die „Angst, dass der Bund die Option künftig mehr ausschöpfen könnte“– auch in Richtung möglicher Effizienzüberlegungen. Eine Änderung des Privatuniversitätengesetzes sei jedenfalls „kontrapro- duktiv“. „Wenn es ein entsprechendes, hochwertiges Angebot gibt und Bedarf dafür besteht, warum soll der Bund es dann nicht zukaufen können?“
Der andere kniffelige Punkt beim zeitlich begrenzten Zukauf der Studienplätze: Die Klausel, dass die Absolventen, zumindest ein gewisser Prozentsatz, in Österreich bleiben und hier als Ärzte praktizieren sollen. „Das stimmt – schließlich können wir das nicht garantieren“, sagt Nake, „aber hier kann trotzdem viel getan werden. Etwas Wichtiges ist bereits passiert: Die Anhebung der Ärztegehälter macht zum Beispiel das benachbarte Bayern nun weniger attraktiv. Darüber hinaus kann auf die Qualität der Ausbildung und die Bindung zur Region und zu ihren medizinischen Einrichtungen besonderer Augenmerk gelegt werden.“
Was damit genau gemeint ist, erklärt PMU-Rektor Herbert Resch: „Es geht um starke indirekte Anreize. Alle Partner, die mit uns arbeiten, darunter alle Krankenhäuser im Bundesland, haben großes Interesse, dass die angehenden Medizinerinnen und Mediziner bleiben. Deshalb ziehen wir am gleichen Strang: Neben der dank des Lands erfolgten Gehaltserhöhung können wir schon in der Ausbildung noch bessere Bindungsmöglichkeiten schaffen, durch persönliche Betreuung, gut strukturierte Assistentenausbildungen in Zusammenarbeit mit den Kliniken oder ein für die Studierenden optionales Mentorensystem. Dazu werden auch Lehrpraxen weiter intensiviert, vor allem in Richtung Allgemeinmedizin.“Viele dieser Anreize seien nur regional im Partnernetzwerk möglich – „das können andere kaum leisten“, betont Resch. „Wir können und wollen niemanden zwingen zu bleiben – aber wir sorgen verstärkt dafür, dass die Mediziner es selbst wollen.“Die 25 zusätzlichen Studienplätze hätten auch „kein Mascherl“, sondern würden wie alle anderen behandelt und nicht gesondert geführt.
Generell ist auch Resch vom Zukauf angetan. „Es ist eine gewisse Wertschätzung ableitbar, wir freuen uns, dass der Bund unsere Ausbildung so anerkennt und eine Möglichkeit sieht, einen Mangel zu lindern. Denn natürlich hat uns der Bund auch deshalb ausgewählt, weil wir in der Lage sind, durch stark verkürzte Ferienzeiten in nur fünf Jahren bei geringer Drop-out-Rate Ärzte zur Verfügung zu stellen.“Dabei müsse man auch den Kostenvergleich „gar nicht scheuen“: Die Kosten pro Studienplatz seien „in der Vollkostenrechnung sicher nicht höher als an staatlichen Universitäten“.
Für die Zukunft kann sich Resch deshalb weitere solcher Zukäufe vorstellen. „Dieser ist ganz klar zeitlich begrenzt und wir planen auch so. In drei Jahren sollte man die Situation aber erneut bewerten und wieder Gespräche führen. Ich persönlich glaube, dass sich die Voraussetzungen am Medizinermarkt bis dahin nicht geändert haben und ein ähnlicher Bedarf weiter besteht.“