Gut verhandelt. Aber jetzt heißt es regieren
Die Bildung der Koalitionsregierung aus Türkis und Blau ist reibungslos verlaufen. Doch was kommt jetzt?
Die zu Ende gegangenen Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ sind anders verlaufen, als wir das aus der Vergangenheit gewohnt waren. 1. Die beiden Parteien haben sich nicht ständig in aller Öffentlichkeit bekämpft und einander die Projekte madiggemacht. Der Weg zum Standesamt ist ohne den üblichen vorkoalitionären Rosenkrieg zurückgelegt worden. 2. Türkise wie Blaue haben so gut wie nichts über die Inhalte der Verhandlungen an die Öffentlichkeit getragen. Indiskretionen gab es so gut wie keine, und wenn, dann sind die Medien gezielt und häppchenweise gefüttert worden. Für Journalisten ist diese Informationspolitik unbefriedigend, für den Fortgang der Verhandlungen ist sie positiv. 3. Wie es aussieht, soll jede Partei in der Regierung vor allem das machen, was sie kann und was ihr besonders am Herzen liegt. Die ÖVP wird vor allem für die wirtschaftlichen Fächer und die Bildung zuständig sein, die FPÖ für die Sicherheit und das Soziale.
Bisher wurden die Agenden im Aufpassersystem zwischen den Parteien aufgeteilt, sodass jeder den anderen blockieren konnte, wenn er wollte. Innenministerium schwarz, Verteidigungsministerium rot. Integration schwarz, Diversität rot. Wissenschaft schwarz, Unterricht rot. Wirtschaft schwarz, Arbeit rot. In vielen Bereichen herrschte durch das System der Spiegelung der Kompetenzen eine unbefriedigende Pattsituation.
Die Geburtsgeschichte der neuen Regierung hebt sich ab vom glück- losen Jamaika-Gezerre in Deutschland. Die fast übertrieben zur Schau gestellte Harmonie zwischen Kurz und Strache ist besser als das Nichtverhältnis zwischen Merkel, Seehofer und Schulz.
So weit zum technischen und atmosphärischen Teil der Koalitionsbildung. Der allein macht aber noch keine gute neue Regierung. So wie ein neues Stadion nicht garantiert, dass dort auch guter Fußball gespielt wird. Die Rahmenbedingungen sind wichtig. Zu einer Regierung gehören nicht nur eine gute Arbeitsaufteilung und möglichst untadelige Persönlichkeiten für die
Kurz hat hohe Erwartungen geweckt
Ministerien, sondern vor allem Inhalte und deren Umsetzung. Davon haben wir bis jetzt nicht viel Konkretes gehört.
Ein paar Signale waren rückwärtsgewandt. Die Verlängerung der Raucherlaubnis in der Gastronomie regt selbst passionierte Raucher und auch Wirte auf. Die Wiedereinführung des Schulnotensystems für Taferlklassler ist Marke Old School und signalisiert keinen Aufbruch in eine neue Bildungszukunft.
Das wirklich Neue ist noch nicht klar erkennbar. Der künftige Kanzler ist aber genau mit dieser Geschichte in die Wahl gegangen und hat sie damit auch gewonnen. Jetzt kommt es darauf an, ob er diese Story („Zeit für Neues“) auch mit Leben füllen kann.
Es gibt Ansätze für Reformen in der Sozialversicherung (weniger Krankenkassen) und im Föderalstaat, der ordentlich durchgelüftet gehört. Auch das Förderungssystem, längst ein Staat im Staat, in dem jährlich Milliarden Euro vergeben werden, gehört entrümpelt.
Sinnvoll ist die Trennung der Europaagenden und der klassischen Außenpolitik. Die Europapolitik ist zur Innenpolitik geworden, in den meisten Staaten der EU ist sie längst Chefsache. Die Außenminister haben in Brüssel nicht mehr viel zu melden. Die wahren Macher sind die Regierungschefs, die EUKommission und das EU-Parlament. Es ist daher folgerichtig, wenn der künftige Kanzler auch Europaminister ist. Zudem wird dadurch der Anschein vermieden, die Rechten säßen nicht nur in der österreichischen Regierung, sondern mischten auch in Europa mit.
Sebastian Kurz hat in den vergangenen Monaten die Erwartungen der Bürger in luftige Höhen geschraubt. Er hat die latente Unzufriedenheit der Österreicher mit sich und der Welt in einen Wahlerfolg umgemünzt unter dem Titel „Alles wird neu“. Dabei war es schon vor der Wahl nicht klar, was jetzt wirklich neu werden soll. Und es ist es auch jetzt nicht.
Sebastian Kurz muss jetzt beweisen, dass er nicht nur verhandeln, sondern auch regieren kann. Die Zeit der schönen Worte ist vorbei. Das gilt auch für die FPÖ. Sie hat ihr Image einer rechten Krakeelerpartei zuletzt ein wenig geglättet. Ob das nur Show ist oder tatsächlich eine Läuterung stattgefunden hat, wird sich schon bald zeigen.