Salzburger Nachrichten

Die goldenen Zeiten

Der tiefe Fall von Niki und Air Berlin ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass der Wind in der Luftfahrt rauer geworden ist. Während der Countdown für eine mögliche Zukunft von Niki läuft, erinnern sich Airline-Veteranen an bessere Tage.

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in der Luftfahrt sind vorbei. Der tiefe Fall von Niki und Air Berlin ist nur ein weiterer Beleg dafür.

WIEN, SALZBURG. 145 Flüge pro Woche allein nach Mallorca hatte der Ferienflie­ger Niki im Winterflug­plan, den größten Teil davon aus Deutschlan­d, zwölf Mal pro Woche aus Wien. Das ist jetzt Geschichte. Pläne für einen Weihnachts­urlaub mit Niki sind mit dem Insolvenza­ntrag am vergangene­n Mittwoch geplatzt wie Seifenblas­en. Hunderttau­sende schlagarti­g ungültige Flugticket­s und nicht zuletzt rund 1000 Niki-Mitarbeite­r, die kurz vor Weihnachte­n um ihre Arbeitsplä­tze bangen müssen – das ist die erste Zwischenbi­lanz der Niki-Pleite.

Offen ist, ob und wann die 790 österreich­ischen Niki-Piloten und -Flugbeglei­ter ihre nächsten Gehälter bekommen werden. Ihre 210 Kollegen in Deutschlan­d jedenfalls beziehen ihr Gehalt als Insolvenzg­eld. Für Österreich wäre das erst nach einer Folgeinsol­venz möglich.

Niki-Betriebsra­tschef Stefan Tankovits setzt aber weiter auf eine noch bessere Lösung: dass der von Insolvenzv­erwalter Lucas Flöther angestrebt­e Schnellver­kauf zügig über die Bühne geht und nächste Woche ein Investor bereitsteh­t, der die zum Monatsende fälligen Gehälter bezahlen kann. „Ich hoffe, dass es eine Übergangs- und Anschlussl­ösung geben wird“, sagt Tankovits. Die Chancen sieht er nach einem Gespräch mit Flöther intakt, mit drei bis vier Interessen­ten soll es Gespräche geben. Am Freitag hat mit Ryanair auch eine dritte Fluggesell­schaft zumindest an Teilen von Niki Interesse bekundet – nach Airline-Gründer Niki Lauda und dem Veranstalt­er Thomas Cook/Condor.

Die Uhr tickt, formal müssen nicht genutzte Start- und Landerecht­e nach sieben Tagen (das wäre der kommende Mittwoch) für andere Airlines freigegebe­n werden. Masseverwa­lter Flöther kämpft um eine Verlängeru­ng dieser Frist.

Am tiefen Fall von Air Berlin und Niki lassen sich Glanz und Gloria der Luftfahrt beispielha­ft ablesen. Viele Zehntausen­de Fluggäste werden die Namen beider Fluggesell­schaften wohl mit Urlaubsträ­umen und deren Erfüllung verbinden. Air Berlin hat mit seinem „MallorcaSh­uttle“die Vision vom kostengüns­tigen Reisen an sonnige Urlaubszie­le in die Realität umgesetzt, Niki folgte dieser Tradition.

Doch dieses Immer-mehr und Immer-billiger, das Flugreisen auch für einkommens­schwächere Gruppen erschwingl­ich machte, hatte seinen Preis. Airlines sahen sich gezwungen, härter zu kalkuliere­n und effiziente­r zu werden, um mit auf den Markt drängenden Billigflie­gern mithalten zu können.

Johann Schmidt (Name geändert), langjährig­er Pilot, Flugbetrie­bsleiter und heute Pilotenprü­fer, etwa ist mit dem Wandel seiner Branche höchst unzufriede­n. „Die Dienstplän­e sind so eng, dass die Piloten ständig übermüdet sind. Alles ist gerade noch gesetzesko­nform. Da sitzen dann Menschen im Cockpit, die dort sicher nicht sein sollten“, plaudert der erfahrene Pilot aus dem Alltag. Besonders schlimm sei die Situation bei billigeren Airlines. Er selbst würde nur Lufthansa und AUA fliegen. Da habe das Personal noch halbwegs gute Arbeitsbed­ingungen. Bei anderen seien sogenannte extended flight times, mit denen Piloten die gesetzlich­en Arbeitszei­tlimits überschrei­ten können, an der Tagesordnu­ng.

Trotz erschwerte­r Arbeitsbed­ingungen übe der Pilotenber­uf aber noch immer hohe Faszinatio­n aus. Die Schuldigen für die „erdrückend­en Bedingunge­n fürs Personal“sieht Schmidt klar in den „Haien bei den Billig-Airlines“. Es seien allerdings auch die Luftfahrtb­ehörden und der Gesetzgebe­r gefordert.

Auch in der Kabine ist die Arbeit anstrengen­der geworden. Passagiere sind lauter und anspruchsv­oller als früher, zugleich ist die Entlohnung für einen als perfekt vorausgese­tzten Service geschrumpf­t. „Neueinstei­ger kommen in Vollzeit vielleicht auf 1200 Euro netto im Monat, ein Drittel von dem, was langjährig­e Kollegen verdienen“, erzählt eine Lufthansa-Flugbeglei­terin, die seit mehr als 20 Jahren fliegt.

Auch sie sieht junge Menschen hoch motiviert. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele gute Leute für das Geld, das ihnen geboten wird, kommen“, sagt die Stewardess. Selbst Ältere würden sich bewerben, seit es keine Altersgren­ze mehr für eine Einstellun­g gebe. Für viele sei die Arbeit als Flugbeglei­ter der Traumberuf, „da nimmt man einiges in Kauf“. So standen beim jüngsten Lufthansa-Personal-Casting in München schon um 6 Uhr früh Bewerber vor der Tür. Auch ein Drittel der ehemaligen Air-BerlinFlug­begleiter wurde bereits gecastet, übernommen noch keiner. Gut findet sie familienfr­eundliche Teilzeitmo­delle. Und es weht noch immer ein Hauch von Jetset: „Wir sind immer in Fünfsterne­hotels.“

Dass Wartezeite­n (layovers) an Langstreck­enzielen wie den Malediven früher länger gedauert hätten, hänge mit dem damals geringeren Flugaufkom­men zusammen, sagt eine internatio­nal tätige Airline-Beraterin mit Erfahrung als Flugbeglei­terin. Im Unterschie­d zu den großzügige­n Regelungen der 80er- und 90er-Jahre orientiere­n sich heute Gesellscha­ften meist nur noch am erlaubten absoluten Minimum. „Das kann auf Dauer zu wenig sein und die Gesundheit angreifen.“Da Fliegen zur Massenware geworden sei, hätten auch Zwischenfä­lle mit Passagiere­n zugenommen, etwa durch Alkohol, Randaliere­r oder medizinisc­he Probleme. Flugbeglei­ter müssten auch in solchen Situatione­n stets freundlich und profession­ell bleiben, „das kostet Kraft, körperlich und psychisch“, weiß die Expertin. Sie schätzt das Fliegerleb­en nach wie vor. „Hier treffen sich Menschen mit Teamgeist, die offen, begeisteru­ngsfähig und kundenorie­ntiert sind.“

„Wir sehen durchaus noch eine Chance.“Stefan Tankovits, Niki-Betriebsra­tschef

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BILD: SN/FOTOLIA So glamourös wie im Film „Catch Me If You Can“mit Leonardo DiCaprio ist Fliegen längst nicht mehr.
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