Eminem gegen Trump – das ist Brutalität
Brillante Ausgangslage: Im Weißen Haus sitzt ein Phrasendrescher und der wortgewaltige Rapper Eminem kehrt zurück.
Eminem macht gleich mit dem Albumcover alles klar: Eine verwaschene US-Flagge ist da zu sehen. Das Land liegt im Argen, die Idee „Amerika“ist beschmutzt. Im Weißen Haus stapelt sich der Müll. Und einer muss kommen, um den Müll wegzubringen. Also ist Eminem wieder da und reimt für den Präsidenten: „Dieser Trottel schläft kaum/Er schaut nur Fox News/wie ein Papagei und wiederholt es“.
Mit seinen Alben setzte der mittlerweile 44-jährige Rapper um die Jahrtausendwende Standards. Kein Rapper war einflussreicher, keiner schneller, keiner reimte technisch brillanter. Kein Rapper mobilisierte die Massen wie er. Die ganz Bösen unter seinen Nachfolgern, wie The Creator, bedienen sich für ihre Sprachbilder bei blutrünstigen Rachegeschichten und mörderischen Horrorszenarien, die Eminem salonfähig gemacht hat. Wie er seine Geschichten dramaturgisch anlegte, klingt heute durch bei Kendrick Lamar. Sein böser Humor taucht bei einer neuen Rap-Generation wie selbstverständlich auf. Was den meisten Epigonen fehlt – und was Eminem auch auf seinem neuen Album immer noch in lässigen Zeilen formuliert – ist seine Selbstironie.
Mit den beiden Figuren Marshall Mathers (Eminems bürgerlicher Name), der ernst und nachdenklich reimt, und dem grellen, kasperlhaften Slim Shady schuf er sich zwei Pole, in denen er alle Gefühlswelten ausleben konnte.
Er drosch auf die Welt ein. Aber er scheute die Selbstbezichtigung nicht. Selbstzweifel und Ängste legt keiner radikaler offen. „How do you keep up the pace and the hunger pains once you’ve won the race?“, resümiert er bei seiner Rückkehr über die Last des Erfolgs.
Mit der Flagge als großem, sichtbaren Symbol erscheint nun „Revival“. Vier Jahre ist es her, dass Eminem zuletzt ein Album herausgebracht hat. Gefühlte zehn Jahre ist es her, dass ihm ein relevantes Album gelungen ist. Nun ist die Ausgangslage ideal: Das Land ist gespalten durch einen Präsidenten, der wie Eminem die Gewalt der Worte bedient – nur halt aus anderen Gründen.
Eminems Erfolg lag nicht bloß am Talent. Sein Erfolg passierte auch, weil er die zutiefst afroamerikanische Kultur des Hip-Hop weiß tünchte. Was Elvis für Rock ’n’ Roll war, war Eminem für Rap. Damit erarbeitete er sich zwar keine Street-Credibility in irgendeinem Ghetto, aber ein fettes Konto und ausverkaufte Riesenhallen.
Eminems Erfolg basiert kurioserweise auch auf einem Fundament, das auch Donald Trump für sich in Anspruch nehmen kann: Der kleine weiße Mann und die kleine weiße Frau hören beiden gebannt zu. Dem Politiker nehmen sie seine Versprechen ab. Beim Rapper fühlen sie sich verstanden, wie er ihre Wut und Ohnmacht mächtig formuliert.
Der britische „Guardian“schrieb deshalb, dass Eminem unter den Jungen in den USA genau jenen eine Stimme gegeben hat, die ein paar Jahre später zu wichtigen Wählergruppen Trumps zählen sollten. Das kann einem wie Eminem freilich nicht so recht passen.
Also trat er mit dem Song „The Storm“, einem Vorboten des Albums, zunächst gar nicht gegen Trump an. Er zielte auf diejenigen seiner Fans, die womöglich Trump ihre Stimme gegeben haben. Unwahrscheinlich ist das nicht. Eminem gestaltete die Antihelden seiner Songs als Vorzeigebeispiele einer verrotteten, verlassenen Vorstadtwelt, der Welt des White Trash. Der Trailerpark ist windiges Zuhause, in dem der Schimmel der Wut gedeiht. Schwere Arbeit und viele Jobs für wenig Lohn, der Alltag und die Radikalisierung die logische Konsequenz. Trump-Wähler! Eine eigenartige Situation, doch Eminem kann sich eine Belehrung der eigenen Fans durchaus leisten.
170 Millionen verkaufte Tonträger machen sicher. Da kann man auch auf jene losgehen, die einen vielleicht mögen und die Alben kaufen, die dann in der Wahlkabine aber einen Fehler begingen. Eminem tritt an, das zu formulieren. Spitzen gegen Trump gibt es viele auf „Revival“. Das Problem dieses Albums sind demnach auch nicht die Worte. Das Problem ist die Musik, in der Eminem seine Wortwasserfälle rauschen lässt. Mehr als Erinnerungsrauschen an frühere Tage passiert da nicht.
Alles verflacht zu einer müden Kopie einstiger Größe. Immer schon mischte Eminem raffiniert großen Pop zu seinen Beats und Worthieben. Und da vergreift er sich dieses Mal heftig.
Wenn er etwa den 90er-Jahre Kracher „Zombie“von The Cranberries anrührt, fällt ihm dazu nichts ein. Selbst der Songtitel „In Your Head“ist bloß ein Zitat aus dem Cranberries-Song.
Einen Mischmasch produzierte Eminem – 19 Songtitel, 80 Minuten. Von allem ein bisschen und deshalb von vielem so wenig. Er schnulzt mit Ed Sheeran um die Wette und sogar ein Pink-Song kommt vor. Gesampelt wird „I Love Rock ’n’ Roll“von Joan Jett und Alternative Rock taucht auf. Eminem spielt mit R ’n’ B und tut es – marktstrategisch gescheit – mit der im Moment hoch im Kurs stehenden Kehlani. Viel kommt so melodramatisch daher, als müsste je nach Stimmungslage eine Doku über Suizid oder ein schweres Liebesdrama musikalisch untermalt werden.
Das symbolisch mächtige, dreckige Albumcover verhüllt also eine Mogelpackung. Die Front, gegen die Eminem antritt, ist klar: harte Worte gegen eine Dummheit, die in seinen Augen das Land, womöglich die Welt ruinieren kann. Seine musikalischen Mittel, die klingenden Waffen, die er einst so zielgerichtet und raffiniert einsetzte, sind dieses Mal aber bloß dürftig gewählt.
Album: Eminem, „Revival“(erschienen bei Universal Music).
„Dieser Trottel schläft kaum/Er schaut nur Fox News/wie ein Papagei und wiederholt es.“Eminem rappt über Donald Trump