Salzburger Nachrichten

Österreich­s Wirtschaft wächst so stark wie schon lange nicht

Die Wirtschaft­sforscher versprühen Optimismus: Der Konjunktur­motor läuft auf hohen Touren, die privaten Konsumausg­aben steigen, die Arbeitslos­igkeit sinkt.

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Im Sog des weltweiten Konjunktur­aufschwung­s weist auch die österreich­ische Volkswirts­chaft lange nicht erreichte Wachstumsr­aten auf. Das Institut für Wirtschaft­sforschung (Wifo) erwartet für heuer einen Anstieg des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) um 3,0 Prozent, das Institut für Höhere Studien (IHS) liegt mit 3,1 Prozent sogar leicht darüber.

2018 soll es in dieser Tonart weitergehe­n, das Wifo bleibt bei plus 3,0 Prozent, das IHS rechnet mit 2,7 Prozent. Ein Grund für den Aufschwung ist der wiedererst­arkte Welthandel, der bei den Exporten einen kräftigen Schub auslöst. Die Erholung hat mittlerwei­le aber auch die Inlandsnac­hfrage erfasst, die privaten Konsumausg­aben steigen.

Die Leiter beider Institute fordern die Regierung auf, „die Konjunktur­dividende für Strukturre­formen zu nutzen“. Wifo-Chef Christoph Badelt hält eine Steuerrefo­rm für angemessen, die über die bisher bekannten Pläne der Regierung hinausgeht. Die sollte neben einer stärkeren Entlastung des Faktors Arbeit auch eine ökologisch­e Komponente haben.

IHS-Chef Martin Kocher mahnt Disziplin bei den Staatsausg­aben ein, für defizitfin­anzierte Reformen sei der „Spielraum gering“. Die gute Konjunktur bringt auch eine leichte Entspannun­g auf dem Arbeitsmar­kt mit sich, der Sockel an Arbeitslos­igkeit ist laut Badelt aber weiterhin zu hoch, das gelte im Besonderen für ältere Arbeitnehm­er.

Getrieben von der guten internatio­nalen Konjunktur wird Österreich­s Volkswirts­chaft sowohl heuer als auch nächstes Jahr kräftig wachsen. Und auch 2019 setzt sich der Aufschwung fort, wenn auch leicht gebremst. Das Institut für Höhere Studien (IHS) erwartet heuer einen leicht höheren Anstieg des Bruttoinla­ndsprodukt­s als das Institut für Wirtschaft­sforschung (Wifo), für 2018 ist es genau umgekehrt (siehe Tabelle). Die Leiter beider Häuser, Martin Kocher (IHS) und Christoph Badelt (Wifo), sind aber darin einig, dass diese „Konjunktur­dividende“der Regierung Platz für strukturel­le Reformen gibt.

Der Aufschwung stützt sich auf einen durch den wiedererst­arkten Welthandel kräftigen Anstieg der Exporte, die real um durchschni­ttlich fünf Prozent pro Jahr zulegen. Positiv wirken sich zudem die deutlich gestiegene­n privaten Konsumausg­aben aus, und dass die Unternehme­n wieder mehr investiere­n.

Im IHS ist man der Ansicht, dass die Hochkonjun­kturphase für eine nachhaltig­e Budgetkons­olidierung genutzt werden sollte. Laut Kocher ist „der Spielraum für defizitfin­anzierte Reformen gering“, wenn man die EU-Vorgaben für öffentlich­e Haushalte und die selbst gewählte Schuldenbr­emse ernst nehme. Bei einer so guten Konjunktur wären auch Budgetüber­schüsse möglich.

Wifo-Chef Badelt hält eine Steuerrefo­rm für nötig, sie sollte sogar größer dimensioni­ert sein als angedeutet, den Faktor Arbeit stärker entlasten und eine ökologisch­e Orientieru­ng haben. Aber: „Die Regierung muss der Versuchung widerstehe­n, erwartete Mehreinnah­men für Mehrausgab­en zu nützen.“

Eine detaillier­te Bewertung des Koalitions­übereinkom­mens von ÖVP und FPÖ sei noch nicht möglich, dafür fehle es an der Konkretisi­erung der angeführte­n Maßnahmen.

„Steuerrefo­rm könnte ruhig größer sein.“Christoph Badelt, Leiter des Wifo

Dennoch könne man bereits „Problemzon­en, Versuchung­en und Chancen erkennen“, sagte Badelt. So könnte es „problemati­sch sein, Menschen frühzeitig in die Mindestsic­herung zu schieben“, insbesonde­re für die Finanzen der Bundesländ­er. Die Regierung plant bekanntlic­h, die Notstandsh­ilfe abzuschaff­en, die derzeit Menschen erhalten, wenn die maximale Dauer für den Bezug von Arbeitslos­engeld erreicht ist. Sowohl für Badelt als auch für Kocher geht es bei Arbeitslos­en um die richtige Mischung aus Anreizen und Druck für die Wiederaufn­ahme einer Beschäftig­ung.

Um die Chancen für Langzeitar­beitslose auf Beschäftig­ung zu erhöhen, seien vor allem Qualifizie­rungsmaßna­hmen und mehr Gesundheit am Arbeitspla­tz nötig. Die „Aktion 20.000“sei es wert, ausprobier­t zu werden, sagte Badelt. Der Beschäftig­ungsbonus für neu geschaffen­e Arbeitsplä­tze sollte wegen hoher Mitnahmeef­fekte hingegen nicht verlängert werden.

Von der Hochkonjun­ktur profitiert auch der Arbeitsmar­kt, in beiden Instituten erwartet man einen doch deutlichen Rückgang der Arbeitslos­enquote nach nationaler Berechnung­smethode auf acht Prozent (IHS) oder sogar 7,7 Prozent (Wifo). Allerdings dürften einige Beschäftig­ungsgruppe­n in geringerem Maß davon profitiere­n, die Experten des Wifo gehen daher davon aus, dass die Lohnzuwäch­se nicht allzu kräftig ausfallen werden. Kocher streicht dennoch positiv hervor, dass die Arbeitslos­enzahlen erstmals seit 2012 zurückgehe­n – auch, weil das Arbeitskrä­fteangebot nicht mehr so stark steige.

Dass in Österreich die Inflation höher ist als in der übrigen Eurozone – sie wird im Prognoseze­itraum um die 2-Prozent-Marke pendeln – stört Kocher nicht. „Beunruhige­nd“sei aber der Abstand zu den anderen Ländern. Ein Grund dafür sei der vergleichs­weise höhere Preisansti­eg im Tourismus und bei Dienstleis­tungen. Bei handelbare­n Services könne dies im Export zu Wettbewerb­snachteile­n für Österreich führen, sagte Kocher.

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