Zwei Schlepplifte machen Politik
Wie ein kleines Skigebiet eine EU-Gerichtsentscheidung auslöste – und was das bedeutet.
WIEN. Zwei Schlepplifte, sechs Abfahrten, ein gemütliches Gasthaus mit Sonnenterrasse, die Saison-Liftkarte um 150 Euro. Kein Zweifel, die Aichelberglifte, bei Karlstift inmitten des Waldviertels gelegen, gehören eher nicht zu Österreichs führenden Skigebieten.
Dessen ungeachtet hat die familiäre Wintersportdestination Politik gemacht und dieser Tage eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausgelöst. Eine Entscheidung, die Umweltbewegte jubeln lässt. Und die Österreichs grüne Umweltlandesräte als Abfuhr für das kaum erst in Kraft getretene Regierungsübereinkommen werten.
Worum geht es? Die Aichelberglifte planten die Errichtung einer Beschneiungsanlage inklusive Speichersee, der durch den nahen Einsiedlbach gespeist werden sollte. Im Wasserrechtsverfahren beantragte die Umweltorganisation Protect die Parteienstellung, was ihr prompt verweigert wurde. Das Verfahren landete nach mehreren Instanzen bei EU-Gerichtshof. Und dieser entschied nun: Die Umweltorganisation muss Parteistellung bekommen, um den wasserrechtlichen Bescheid anfechten zu können. Die EU-Richter beriefen sich auf das von Österreich ratifizierte Umweltübereinkommen von Aarhus, demzufolge „die Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen“, die Möglichkeit haben muss, gegen einschlägige Entscheidungen vor Gericht ziehen zu können.
Was das mit dem neuen Regierungsprogramm zu tun hat? Dieses zielt haargenau in die entgegengesetzte Richtung. ÖVP und FPÖ stellen für die Errichtung von Großprojekten „Verfahrensbeschleunigungen im Umweltverträglichkeitsgesetz“in Aussicht. Unter anderem sollen „überschießende Beschwerde- und Verzögerungsmöglichkeiten“sowie „unnötige Verfahrensschleifen“beseitigt werden. Ein neuer „Standortanwalt“soll die öffentlichen Interessen gegenüber den Gegnern des Projekts vertreten, heißt es im Regierungspakt.
„Die Regierung wird sich von ihren Plänen, unter dem Vorwand der Verfahrensbeschleunigung das UVP-Gesetz auszuhöhlen, verabschieden müssen“, stellte Vorarlbergs grüner Umweltlandesrat Johannes Rauch fest. Mit der schlechten österreichische Tradition, völkerrechtliche Abkommen zwar zu unterzeichnen, aber nicht umzusetzen, sei nun Schluss.