Die FDP hat zu hoch gepokert
Das Jamaika-Aus macht der Partei und vor allem ihrem Vorsitzenden Christian Lindner zu schaffen. Der deutet eine Kehrtwende an.
BERLIN. „Fatal und kein gutes Signal für Wirtschaft und Gesellschaft“, so kritisierte Hans Peter Wollseifer vom Zentralverband des Deutschen Handwerks das Ende der JamaikaSondierungen. Der Deutsche Industrieund Handelskammertag (DIHK) sprach von einer „Enttäuschung.“Auch im Wahlvolk ist der plötzliche Abgang der FDP, die die Verhandlungen platzen ließ, nicht gut angekommen. Durch die Bank haben die Liberalen in den Umfragen zwei Punkte verloren. Das ist für eine Partei, die vor vier Jahren an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, schon bedrohlich, auch wenn sie derzeit bei acht Prozent liegt. FDP-Chef Christian Lindner ist ebenso abgesackt. Selbst bei den FDP-Anhängern hat er zehn Punkte verloren.
Nach wie vor schwebt das Jamaika-Aus wie ein Damoklesschwert über der FDP und vor allem über Lindner. Der Satz „lieber nicht regieren als falsch regieren“ist zum Synonym für den neuerlichen Tiefpunkt der Liberalen geworden. Er hat eine ähnlich verheerende Wirkung wie seinerzeit das Diktum von der FDP als der Partei der Besserverdienenden.
Lindner war angetreten, um die FDP aus dem Tal der Tränen herauszulösen. Das ist ihm mit einer Reihe von Wahlerfolgen bei Landtagswahlen zunächst sehr gut gelungen. Doch setzt der Parteichef wohl zu sehr auf sich selbst und seine PolitShow. Erinnerungen an die Auftritte des verstorbenen FDP-Chefs Guido Westerwelle werden wach. Der tourte durch die Talk- und Spielshows und war sich selbst für „Big Brother“nicht zu schade. Das Image der Spaßpartei wurden die Liberalen zu Westerwelles Lebzeiten nicht mehr los. Ganz so spaßig tritt Lindner nicht auf. Aber bei seinen Auftritten verzichtet er gerne auf das traditionelle Rednerpult und tänzelt wie ein Entertainer über die Bühne.
Nach außen ist Lindner eindeutig die Nummer eins der FDP. Doch sind zuletzt Zweifel aufgetaucht, ob er nach innen genauso unangefochten Alleinherrscher ist. Gleich zwei Politiker aus der Parteispitze wagten es, seine Doktrin vom JamaikaAus infrage zu stellen. Prompt wurden Generalsekretärin Nicola Beer und Parteivize Wolfgang Kubicki zurückgepfiffen. Nun aber kann sich Lindner selbst erneute Jamaika-Verhandlungen vorstellen, sollte es zu Neuwahlen kommen.
Fraglich ist indes, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenso begeistert ist. Zum einen hat Lindner die Kanzlerin persönlich für das Scheitern von Jamaika verantwortlich gemacht. Sie sei immer nur den Grünen entgegengekommen. Vor allem aber hatte er im Wahlkampf die Flüchtlingspolitik Merkels, die er zunächst unterstützt hatte, heftig attackiert – womit er eine Marktlücke entdeckte. So konnte die FDP als „AfD light“auftreten und Stimmen am rechten Rand abgrasen.