Möbel-Krimi
Rund um den Bilanzskandal der Kika/Leiner-Mutter Steinhoff führen viele Spuren nach Österreich.
SALZBURG. Die schwer angeschlagene Kika/Leiner-Mutter Steinhoff gerät nach Vorwürfen der Bilanzfälschung immer tiefer in den Abwärtsstrudel. Auch am Donnerstag stürzte der Aktienkurs weiter ab und erreichte am Vormittag mit 25 Cent ein neues Rekordtief. Und der tiefe Fall stellt sich immer stärker als Wirtschaftskrimi dar – mit starker Österreich-Beteiligung.
Mittlerweile kappen Kreditversicherer nicht nur ihre Deckungen für den Steinhoff-Konzern. Auch Lieferanten der heimischen Möbelketten Kika und Leiner bekamen bereits Post von Versicherungen, dass ihr Versicherungsschutz bei Ausfall von Forderungen mit sofortiger Wirkung gesenkt werde.
Entsprechend nervös ist man in der österreichischen Möbelindustrie, mit über 20 Prozent Marktanteil ist Kika/Leiner der zweitgrößte heimische Abnehmer. Georg Emprechtinger, Eigentümer von Team 7 und Vorsitzender der Möbelindustrie, spricht von einer schwierigen Situation. Einerseits wisse man nicht, was auf der Eigentümerebene los sei, „und das ist beunruhigend“. Auf der anderen Seite habe man mit Kika/Leiner gute Kontakte, die Geschäftsführung dort mache einen guten Job. Aber natürlich überlege man, „was wir jetzt tun, inwieweit wir nur mehr gegen Bezahlung liefern“. Zur Erklärung: Die Möbelindustrie produziert im Auftrag der Möbelhändler und geht damit in Vorlage. Denn wenn die Händler nach acht Wochen Lieferzeit die Möbel nicht abnehmen, hat der Hersteller ein Problem. Das zweite Risiko liegt dann in den Zahlungszielen. „Generell sind bei uns drei bis vier Wochenumsätze als Außenstände draußen, da sind etliche Beträge im Risiko“, erklärt Emprechtinger. Kika/Leiner ist für Team 7 der wichtigste Kunde in Österreich, allerdings macht Team 7 nur 14 Prozent des Umsatzes in Österreich.
Für andere ist Kika/Leiner viel bedeutender. „Für die Branche ist das ein schwerer Schlag“, sagt ein Möbelproduzent, der nicht genannt werden will. Zwar seien alle bisher an Kika/Leiner gelieferten Waren zu 100 Prozent versichert, bei einer Pleite würde man kein Geld verlieren. Für künftige Lieferungen habe der Versicherer diesen Delkredereschutz auf 75 Prozent gesenkt. „Bevor wir weiter liefern, wollen wir mehr Klarheit.“Dramatisch seien die Folgen der Krise bei Kika/Leiner jedenfalls. „Neben Lutz ist das für uns der einzige große Partner.“
In der Donnerstagsausgabe berichteten die SN darüber, dass Österreichs Banken mit einer halben bis dreiviertel Mrd. Euro bei Steinhoff mit Krediten und Kreditlinien engagiert seien. Zudem sitzt die Finanzholding und die Europe AG des südafrikanisch/niederländischen Konzerns in Brunn am Gebirge, Rennweg 77, direkt beim Golf- und Countryclub. In dieser Europe AG liegen 4,8 der 10,7 Mrd. Euro ausstehenden Schulden des Konzerns.
Aber es gibt noch andere Verbindungen zu Österreich. Die führen indirekt zum größten Konkurrenten von Kika/Leiner, zu XXXLutz, besser gesagt zu den Privatgeschäften von Lutz-Miteigentümer Andreas Seifert. Hintergrund ist ein seit Jahren schwelender Streit zwischen Steinhoff und Andreas Seifert. Seit 2015 sind etwa am Handelsgericht Wien dazu zwei Verfahren anhängig. Das bestätigt Alexander Schmidt, Vizepräsident des Handelsgerichts. Die Vorgeschichte ist lang und komplex. Lutz-Eigentümer Andreas Seifert war bei Steinhoffs Aufstieg in Europa ein enger Partner. Sowohl bei der zu Steinhoff zählenden deutschen Möbeldiskontkette Poco als auch bei der 2010 übernommenen französischen Conforama stieg Seifert an Steinhoffs Seite ein. Doch die Sache zwischen den Partnern ging irgendwann schief. Seifert beharrt auf der 50-Prozent-Beteiligung bei Poco und einer Beteiligung bei den Franzosen, Steinhoff bestreitet das. Gerichte in Wien und Dortmund sind am Zug. Spannend ist, dass der Steinhoff-Konzern beide Unternehmen in der Bilanz voll konsolidiert. Seifert hatte mit Steinhoff unter Führung von Markus Jooste, der im Bilanzskandal gerade abgelöst wurde, eine Zusammenarbeit über Joint Ventures bei Conforama und Poco vereinbart.
Unterdessen wurde Seifert nach einer Hausdurchsuchung der Staatsanwaltschaft bei Steinhoff in Deutschland befragt. Hintergrund ist, dass die Staatsanwaltschaft in Oldenburg Dokumente gefunden hat, die zeigen sollen, dass Seifert die Markenrechte für Möbelix in Osteuropa an die Steinhoff-Gruppe verkauft haben soll. Es ging dem Vernehmen nach um 850 Mill. Euro.
Seifert hat bei den deutschen Staatsanwälten ausgesagt, dass er diese Dokumente nie unterzeichnet habe. Bei der Staatsanwaltschaft in Oldenburg liegt daher eine Strafanzeige wegen Urkundenfälschung. Am Donnerstag hat XXXLutz auf Anfrage erklärt: „Die Markenrechte für Möbelix in Osteuropa liegen weiterhin bei der Markengesellschaft in Malta und werden dort auch betreut.“Die Marken GmbH gehört zur XXXLutz-Gruppe. Die Steinhoff-Gruppe bestritt diese Vorwürfe und verweist bei Presseanfragen generell auf ihre Homepage. Und Kika/Leiner verweist bei Anfragen auf den Mutterkonzern.
Indessen kämpft der neue vorläufige Steinhoff-Chef Danie van der Merwe bei Banken und Investoren um Geld und vor allem um Zeit.
„Die Möbelhersteller sind beunruhigt.“G. Emprechtinger, Möbelindustrie