Geboren aus dem iPhone-Schock
Vor zehn Jahren schlossen sich 34 Mobilfunkfirmen zur Android-Allianz zusammen. Mittlerweile dominiert das Betriebssystem den Smartphone-Markt. Doch die Vielfalt hat auch Nachteile.
„Android ist ein Balanceakt“
2007 machte sich in der Mobilfunkbranche Unruhe breit. Das iPhone von Apple war zwar gerade erst auf den Markt gekommen. Dennoch wurde schnell deutlich, dass das Smartphone das Zeug dazu hatte, das Segment komplett umzukrempeln: Das iPhone war ein ultrakompakter Computer samt Touchscreen statt Tastatur, der die Smartphone-Revolution greifbar machte. Die Hersteller machten sich Sorgen wegen des massiven technischen Vorsprungs von Apple. Und die Netzbetreiber fürchteten, die Kontrolle darüber zu verlieren, welche Software auf den Mobiltelefonen läuft.
Also blies die Branche zur Aufholjagd. Der damalige Handy-Weltmarktführer Nokia setzte auf seine Betriebssysteme Symbian und Maemo. Microsoft versuchte weiter, mit dem Rückenwind seiner WindowsPlattform in den SmartphoneMarkt vorzupreschen. Es gab Platzhirsche wie Blackberry und hoffnungsvolle Innovatoren wie Palm. Doch Ende 2007 formierte sich eine Industriegruppe, die alle anderen deutlich hinter sich lassen sollte: 34 Firmen bildeten die Open Handset Alliance zur Entwicklung des Mobilsystems Android.
Die Idee dahinter war, eine quellenoffene Software-Plattform zu entwickeln, die Hersteller kostenlos für ihre Geräte nutzen können, um schneller auf den Smartphone-Zug aufzuspringen. Im Zentrum der Allianz stand Google, das 2005 die Firma Android des Entwicklers Andy Rubin gekauft hatte. Als das iPhone vorgestellt worden sei, sei bei Google bereits ein Android-Telefon in Arbeit gewesen, beschreibt Tech-Insider und Journalist Fred Vogelstein. Nach dem Apple-Handy sei das Konzept aber nicht mehr brauchbar gewesen. Stattdessen setzte Google auf eine gemeinsame Attacke. Unter den 34 Gründungsmitgliedern der Allianz waren Handy-Anbieter wie Samsung oder HTC, Netzbetreiber wie T-Mobile oder Telefónica, Chipkonzerne wie Intel sowie Online-Firmen wie eBay. Das Konzept war von Anfang an, dass mithilfe der Plattform Telefone verschiedener Größen entwickelt werden konnten. Es sollte aber noch fast ein Jahr dauern, bis das erste Android-Smartphone auf den Markt kam, das G1 von HTC, T-Mobile und Google – mit Touchscreen und ausklappbarer Tastatur.
Nach dem etwas holprigen Start setzte eine schier unglaubliche Entwicklung ein. Inzwischen schwankt der Android-Marktanteil Quartal für Quartal zwischen 80 und 85 Prozent – je nachdem, ob gerade ein neues iPhone auf den Markt gekommen ist. Apple gehört der Rest des Marktes, alle anderen Mobilsysteme haben den Wettbewerb verloren. Und mit ihnen sank der Stern einiger Platzhirsche: Blackberry gab die Entwicklung eigener Geräte auf. Unter dem Markennamen werden heute Android-Telefone eines asiatischen Partners gebaut. Nokia traf 2011 die folgenschwere Entscheidung, auf das Windows Phone statt auf Android zu setzen – und scheiterte damit. Neue Smartphones, die mittlerweile als Nokia-Geräte vermarktet werden, laufen auf Android.
Apple versuchte, den Vormarsch von Android mit Patentklagen aufzuhalten. Vor Gericht erwiesen sich die Apple-Patente jedoch als stumpfe Waffen. So konnte Android in unzähligen Varianten ständig wachsen, auch außerhalb des SmartphoneMarktes, etwa als Betriebssystem für Mediaplayer, Netbooks und Tablets. Doch die Vielfalt, die die Verbreitung von Android befeuert, hat eine Kehrseite: die Fragmentierung des Ökosystems. App-Entwickler müssen Hardware mit verschiedenen Auflösungen, Chips und anderen Bauteilen unterstützen. Zudem sind die Hersteller selbst für die Aktualisierung auf neue Android-Versionen verantwortlich. „Android ist ein Balanceakt“– zwischen Offenheit und Sicherheit sowie verschiedenen Interessen, sagt der für das Betriebssystem zuständige Google-Manager Hiroshi Lockheimer.
In der Vergangenheit haben Hersteller wie Samsung versucht, sich mit eigenen AndroidOberflächen von der Masse abzuheben. Doch die Sololäufe erschwerten den Umstieg auf die jeweils aktuelle Android-Version. Deshalb setzen viele Anbieter mittlerweile wieder auf ein möglichst unverfälschtes Android, so wie es Google auf den eigenen Pixel-Handys verwendet.
Die Dominanz des Betriebssystems ruft nun aber auch die Regulierer auf den Plan. So stört sich die EU-Kommission daran, dass Smartphone-Anbieter, die Google-Dienste auf ihre Geräte bringen, immer das gesamte App-Paket des Konzerns annehmen müssen.