Eine Frau und ihr Sohn suchen das Glück
Jagminder Kaur hat viel durchgemacht: Ihr erster Mann wollte sie töten, der zweite ist verstorben, und ihr kleiner Sohn braucht viele Therapien. 22.
Wäre Jagminder Kaur im Pinzgau aufgewachsen, hätte sie wohl Karriere gemacht und vielleicht auch privat ihr Glück. Aber die 40-Jährige hatte das Pech, als Frau in Indien zur Welt zu kommen.
Als sie mit 19 verheiratet wurde, musste sie ihr Architekturstudium beenden. Ein Jahr später bekam sie Zwillinge. Zwei Buben. Warum sie gleich danach ihren Mann verließ, darüber spricht sie nicht. Nur darüber, dass er sie, als sie ging, mit Benzin übergoss und anzünden wollte. Im letzten Moment lief sie weg und ging zurück zu ihren Eltern. Sie setzte zunächst das Studium fort, schloss es aber nicht ab, weil sie Geld ver- dienen musste. Unter anderem arbeitete sie als Lehrerin. Heiraten wollte Jagminder nie mehr, aber die Eltern drängten sie aus finanziellen Gründen dazu.
Die Wahl fiel auf einen 25 Jahre älteren Landsmann, der schon lange im Pinzgau lebte und dort zwei kleine Geschäfte hatte. 2009 zog Jagminder in den Pinzgau, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Ihr neuer Mann sagte, das sei nicht nötig, weil sie den Haushalt führe. Bald wurde der heute siebenjährige Dilraj geboren. Die Zwillinge kamen erst später aus Indien nach. Es gab viel Streit.
Schon 2014 verstarb der Mann – am Tag von Dilrajs Geburtstag. Er hinterließ seiner Frau Schulden. Diese hat sie bis auf etwa 1000 Euro mühsam abgestottert, obwohl sie nur Notstandshilfe und eine geringe Witwenpension erhält. Das Geld reicht für sie und die drei Söhne kaum aus. Zumindest haben die Zwillinge inzwischen Lehren begonnen und können sie ein bisschen unterstützen. Ein Jahr lang hat auch Jagminder selbst in einem Geschäft in Saalbach gearbeitet. Aber dorthin war sie wegen der schlechten Verbindungen eine Stunde lang mit dem Bus unterwegs. Das war nicht mehr möglich, als sie mit Dilraj zu den Therapien musste.
Man hätte Dilraj schon früher unterstützen können, aber sein Vater lehnte es ab. Eine Kindergärtnerin kontaktierte dann die Hilfsorganisation Pro Mente. Dort erhält der Bub seit gut einem Jahr Ergotherapie und Logopädie. Die Therapeutin sagt, er habe motorische Probleme und Probleme bei der Sprachbildung, was wiederum dazu führe, dass er sehr ängstlich sei und sich zurückziehe. Sie empfiehlt auch eine Psychotherapie, damit er die Erlebnisse mit seinem Vater ver- arbeiten könne. Für zusätzliche Therapien mit Selbstbehalt fehlt seiner Mutter aber das Geld.
„Ich bin allein hier. Ich habe keine Verwandten, die mir helfen“, sagt Jagminder. Deshalb sucht sie jetzt wieder eine Arbeit als Verkäuferin. Es müsste eine Halbtagsbeschäftigung im Raum Schüttdorf sein, sonst geht sich für sie alles nicht aus. Sie hat schon zahlreiche Bewerbungen geschickt, Kurse besucht und kann inzwischen auch gut Deutsch. Aber bisher hat sie nichts gefunden. SN-Info: