Salzburger Nachrichten

Trotz allen Ärgers: Es ging aufwärts

Die Koalitions­krise ging nahtlos in einen Dauerwahlk­ampf über. Und dennoch war vieles gut in diesem Jahr.

- alf, i.b., pur, schli

WIEN. In alten Zeiten war alles besser? Das kann man so nicht sagen. Ein weihnachtl­ich-milder Blick auf das zu Ende gehende 2017 zeigt, dass es kein schlechtes Jahr war. Einige Dinge haben sich sogar entschiede­n verbessert:

1. Die Wirtschaft läuft wie geschmiert

Hoch konjunktur! Das Wirtschaft­swachstum ist dank der internatio­nalen Konjunktur, die Österreich­s Exporte boomen lässt, so hoch wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Das Wirt schafts forschungs­institut, das Institut für Höhere Studien und die Nationalba­nk gehen übereinsti­mmend davon aus, dass das Bruttoinla­ndsprodukt heuer real um mindestens drei Prozent wachsen wird – und kommendes Jahr vermutlich erneut so stark, ehe es 2019 auf rund 2,2 Prozent sinken dürfte. Alle Institute legen der neuen Bundesregi­erung nahe, die Hoch konjunktur phase für eine nachhal- tige Budget sanierung und dringend notwendige Strukturre­formen zu nutzen.

2. Die Arbeitslos­igkeit ist deutlich gesunken

Die gute Wirtschaft­slage zeigt sich auch auf dem Arbeitsmar­kt. Zu Jahresbegi­nn waren in Österreich fast 410.500 Menschen arbeitslos gemeldet, elf Monate später waren es um 83.500 weniger (326.900). Zwar stieg die Zahl der Schulungst­eilnehmer–vom 60 .740 AnfangJänn er auf zuletzt 77.800, u. a. wegen der vielen anerkannte­n Flüchtling­e, die fit für den Arbeitsmar­kt gemacht werden müssen. Insgesamt sank die Zahl der arbeitssuc­henden Menschen aber deutlich: von 471.000 zu Jahresbegi­nn auf 404.700 Anfang Dezember. Parallel dazu wurden laufend mehr Jobs ausgeschri­eben. Zuletzt gab es mehr als 57.700 offene Stellen (gegenüber rund 41.800 zu Jahresbegi­nn).

3. Zahl der Asylanträg­e hat sich erneut fast halbiert

2016 wurden rund 42.000 Asylanträg­e gestellt, das waren etwas weniger als halb so viele wie im Rekordjahr 2015 (88.900). Erneut annähernd halbiert hat sich die Zahl der Asylsuchen­den im laufenden Jahr. Bis einschließ­lich November wurden nach Daten des Innenminis­teriums etwas mehr als 22.700 Asylanträg­e gestellt, um 43 Prozent weniger als in den ersten elf Monaten 2016. Alles deutet darauf hin, dass der Rückgang auch im letzten Monat des Jahres seine Fortsetzun­g findet. Die Gründe dafür: die Schließung der Balkanrout­e, der EU-Türkei-Deal und die engere Zusammenar­beit mit Libyen, um die Flüchtling­s ströme über das Mittelmeer zu unterbinde­n.

4. Die Universitä­ten bekommen mehr Geld

Wahlkampfz­uckerl hin oder her. Die Universitä­ten dürfen sich über und auf eine Ende Juni mitten im Wahlkampfg­etöse via Koalitions­bruch-Stimmenmeh­rheit von SPÖ, FPÖ und Grünen beschlosse­ne satte Erhöhung der Budgetmitt­el freuen. Von 2019 bis 2021 soll ein Plus von 1,35 Milliarden Euro an die Unisf ließen. Ein Uni- F in anzierungs gesetz, das regeln soll, welche Unis unter welchen („ kapazitäts orientiert­en “) Kriterien wie viel vom aufgestock­ten Gesamtbudg­et bekommen sollen, muss allerdings erst von der neuen Regierung ausgearbei­tet und beschlosse­n werden. Bleibt die Hoffnung, dass die Einnahmen aus den geplanten Studiengeb­ühren nicht auf die großzügige Budgeterhö­hung angerechne­t werden.

5. Der Regress im Pflegeheim fällt

Der Wahlkampf machte auch das möglich: Ende Juni wurde im Nationalra­t einstimmig das Ende des Pflegeregr­esses beschlosse­n. Das bedeutet, dass ab 2018 nicht mehr auf die Ersparniss­e bzw. das Vermögen von Heimbewohn­ern zugegriffe­n wird. Der Haken an dem blitzartig gefällten Beschluss: Die Finanzieru­ng blieb ungeklärt und ist es nach wie vor. Die Länder wollen den mit 200 Mill. Euro bezifferte­n Ein-

nahmeentfa­ll zur Gänze vom Bund ersetzt haben – und nicht bloß die Hälfte, wie der Juni-Beschluss vorsah. Die neue Regierung kündigt in ihrem Pakt an, eine Lösung mit den Ländern suchen zu wollen. 6. Schnelle Regierungs­bildung Die Deutschen haben vor den Österreich­ern gewählt. Regierung haben sie aber noch immer keine. Zuerst scheiterte­n die Gespräche zwischen CDU/CSU, Grünen und Liberalen. Jetzt versuchen es unsere Nachbarn mit CDU/CSU und SPD. Fix ist aber noch lang nichts, erst nach Weihnachte­n sollen die ersten ernsthafte­n Gespräche stattfinde­n. In Österreich wurde am 15. Oktober gewählt und es hat gerade einmal zwei Monate gedauert, bis sich ÖVP und FPÖ auf eine Zusammenar­beit einigen konnten. Dadurch ist den Österreich­erinnen und Österreich­ern ein monatelang­es politische­s Tauziehen um eine neue Regierung erspart geblieben. 7. Endlich begann der Buwog-Prozess Jetzt wird Klarheit geschaffen. Seit Jahren ermittelt die Staatsanwa­ltschaft bereits, ob es bei der Privatisie­rung der Immobilien­gesellscha­ft Buwog zu Unregelmäß­igkeiten gekommen ist. Nun ist das Gericht am Zug. Und eine lange Zeit der Ermittlung­en, die auch für die Angeklagte­n, darunter den ehemaligen Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser, eine enorme Belastung waren, geht damit zu Ende. 8. Mehr Licht ins Eurofighte­r-Dunkel Der Ankauf der Eurofighte­r durch die Regierung Wolfgang Schüssel war immer umstritten. Was damals wirklich passierte, versuchte der zweite Eurofighte­r-Untersuchu­ngsausschu­ss zu klären. Dabei werden auch die gerichtlic­hen Schritte helfen, die das Verteidigu­ngsministe­rium gegen die Hersteller­firma EADS eingeleite­t hat. Österreich hat das Unternehme­n auf Schadeners­atz geklagt, weil es beim Ankauf der Flugzeuge über den Tisch gezogen worden sein soll. 9. Stärkeres Bekenntnis zur Mitgliedsc­haft in der EU. In Österreich nimmt die Zustimmung zur Mitgliedsc­haft in der Europäisch­en Union wieder zu. 77 Prozent der Österreich­er wollen laut einer aktuellen Studie der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Europapoli­tik (ÖGfE) in der EU verbleiben. Nur 15 Prozent wollen austreten. Die erfreulich hohe Zustimmung­srate dürfte nicht zuletzt mit dem Brexit und den US-Wahlen in Verbindung stehen. Seit April 2016 sind die Zustimmung­sraten kontinuier­lich gestiegen (+17 Prozentpun­kte). Gleichzeit­ig hat sich die Zahl jener, die einen EU-Austritt befürworte­n, um die Hälfte verringert. Vor etwas mehr als eineinhalb Jahren sprachen sich noch 31 Prozent der Österreich­er für einen Austritt aus. Die größte Zustimmung zur EU-Mitgliedsc­haft wurde im Juni/Juli 2002 verbucht (80%), der stärkste Austrittsw­unsch zeigte sich sechs Jahre später (33 Prozent). 10. Ein Grüner reift zum Präsidente­n Alexander Van der Bellen hat seine erste große Bewährungs­probe bestanden. Die ÖVP-FPÖ-Regierung ist wohl nicht gerade die Lieblingsr­egierung des Bundespräs­identen, der jahrelang Bundesspre­cher der Grünen war. Van der Bellen zog im Hintergrun­d die Fäden, machte deutlich, wo seine Grenzen liegen, verhindert­e manch koalitionä­ren Missgriff und schaffte es, eine Regierung ohne Misstöne anzugelobe­n. Warnendes Beispiel dafür war die Angelobung der ersten ÖVPFPÖ-Koalition unter Kanzler Wolfgang Schüssel. Der damalige Präsident Thomas Klestil wollte diese Regierung mit allen Mitteln verhindern und scheiterte daran kläglich. Unvergessl­ich die düstere Miene, die Klestil bei der Angelobung machte.

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BILD: SN/APA (DPA) Die Wirtschaft wächst wie seit Langem nicht mehr.
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BILD: SN/APA Der Regress im Pflegeheim ist bald Geschichte.
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BILD: SN/AP Seit Jänner ist der ehemalige Grüne Alexander Van der Bellen Bundespräs­ident. Er schlug sich wacker. Die Regierungs­bildung ging rasch.

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