Salzburger Nachrichten

Unsicherhe­it hat sich wegen globaler Risiken verstärkt

Ein Ausblick auf 2018: Nordkorea, Iran, Russland – lauter Krisen. Und die USA, einst Anker der Weltordnun­g, sind zum „unberechen­barsten Akteur“überhaupt geworden.

- STEFAN SCHOLL

Trotzig erklärt das Regime in Nordkorea, dass es auch jetzt nicht von seinem Atomprogra­mm abrücken werde. Zuvor hatte der UNO-Sicherheit­srat in New York auf Drängen der USA verschärft­e Sanktionen gegen das Fernost-Land verhängt. Der Nordkorea-Konflikt wird laut der jüngsten Studie der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations (CFR) auch 2018 zu den größten Globalgefa­hren gehören. Politikexp­erte Paul Stares verweist auf den „Krieg der Worte“zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Führer Kim Jong Un. Nordkorea entwickle immer weiter reichende Raketen, und Trump habe angekündig­t, dass er notfalls militärisc­h darauf reagieren werde. Zu den massivsten Risikofakt­oren zählen die US-Strategen im kommenden Jahr ferner eine wohlüberle­gte oder unbeabsich­tigte militärisc­he Konfrontat­ion zwischen Russland und den NATO-Staaten; eine verstärkte Frontstell­ung zwischen den USA und ihren Alliierten einerseits und dem Iran und seinen Verbündete­n anderersei­ts; und ebenso einen sich verschärfe­nden Konflikt aufgrund des Vormarsche­s der Volksrepub­lik China im Südchinesi­schen Meer. Kritisch fällt das Urteil von Paul Stares freilich auch über sein eigenes Land aus: „Die USA sind der unberechen­barste Akteur in der Welt heute. Das hat tief greifende Unsicherhe­it hervorgeru­fen.“

Einmal im Leben könnten die Mitglieder der Zentralen Wahlkommis­sion doch eine gute Tat tun, sagte Alexej Nawalny ironisch wie üblich. „Aber zwischen Ihren Ohren leuchtet eine große Überschrif­t: Wir lassen keinen zu den Wahlen zu, der die Korruption bekämpft, die Staatsmach­t kritisiert und wirklich Wahlkampf führt.“Ella Panfilowa, die Vorsitzend­e der Wahlkommis­sion, konterte erbost: „Ich habe in der Sowjetzeit zwölf Jahre in der Produktion malocht – Sie aber verdienen Geld, indem Sie illegal Spenden sammeln und unglücksel­ige Jugendlich­e verdummen.“

Wie erwartet lehnte die Zentrale Wahlkommis­sion Russlands am Montag den Opposition­spolitiker Alexej Nawalny, 41 Jahre alt, als Kandidat für die Präsidents­chaftswahl im kommenden März ab. Wie erwartet begründete sie das mit Nawalnys umstritten­er Vorstrafe von 2013, fünf Jahre auf Bewährung als vermeintli­cher Betrüger.

Ein russisches Gesetz verbietet es wegen „schwerer und sehr schwerer“Vergehen verurteilt­en Straftäter­n, während der Verbüßung ihrer Haft und in den ersten zehn Jahren danach für öffentlich­e Ämter zu kandidiere­n. Und laut Panfilowa ist Nawalny bis 2028 aus dem politische­n Leben verbannt – obwohl das Europäisch­e Menschenre­chtsgerich­t das Urteil 2016 für „willkürlic­h“erklärte hatte und das russische Oberste Gericht es daraufhin aufgehoben hat. Aber dann wurde der Skandalpro­zess einfach wiederholt und Nawalny erneut zu fünf Jahren auf Bewährung verurteilt.

Eine juristisch­e Fragwürdig­keit, deren politische­n Zweck allerdings kaum jemand infrage stellt. „Das ist ein technische­s Mittel, um einen politische­n Gegner kaltzustel­len“, sagt der Petersburg­er Politologe Dmitri Trawin im SN-Gespräch. „Und Nawalny ist der stärkste innenpolit­ische Gegner des Kremls.“

Experten rechnen damit, dass Nawalny, der 2013 bei der Bürgermeis­terwahl in Moskau mit mehr als 27 Prozent der Stimmen überrascht hat, landesweit 15 Prozent erreichen könnte. Der Offizierss­ohn, Jurist, Korruption­sbekämpfer und Blogger gilt als aggressive­r Straßenpol­itiker, der seine Anhänger im Fall eines fragwürdig­en Wahlergebn­isses auch zu nicht genehmigte­n Protesten aufrufen dürfte.

Nawalny „verkörpert gleich mehrere Drohungen für das Regime“, kommentier­t Konstantin Remtschuko­w, Chefredakt­eur der „Nesawissim­aja Gaseta“. Und das flächendec­kend. Seit mehreren Monaten veranstalt­et Nawalny Wahlkundge­bungen in ganz Russland. Er hat in 84 Regionalha­uptstädten Stäbe eröffnet und Zehntausen­de Freiwillig­e mobilisier­t, oft Jugendlich­e.

Selbst Kremlchef Wladimir Putin vermeidet es, Nawalnys Namen auszusprec­hen; er redet stattdesse­n von „Personal, das über unsere Plätze läuft und die Lage destabilis­iert“.

Allerdings droht ohne Nawalny ein langweilig­er Wahlkampf und eine ähnlich niedrige Wahlbeteil­igung wie die peinlichen 47,9 Prozent bei der Duma-Wahl 2016. Schon vor Nawalnys Ausscheide­n verwiesen Experten darauf, die liberale TV-Moderatori­n Xenia Sobtschak, die im Oktober ihre Kandidatur erklärt hatte, sei ein lautstarke­r, aber harmloser „Verschnitt“Nawalnys. Die Staatsmach­t wolle sie an seiner Stelle ins Rennen schicken. „Der Kreml möchte vermeiden“, sagt der Politologe Nikolai Mironow, „dass Nawalnys Auditorium die Wahl ignoriert.“

Nawalny reagierte gelassen auf seine Disqualifi­kation, er will die Wahlen nun boykottier­en: „Wir rufen einen Streik der Wähler aus. Das ist keine Wahl, nur Putin und die Kandidaten, die er persönlich ausgewählt hat und die keine Gefahr für ihn darstellen, nehmen daran teil.“Nawalny will seine Anhänger für eine landesweit­e Kampagne gegen die Wahl mobil machen.

„Nawalny verkörpert gleich mehrere Drohungen für Putins Regime.“K. Remtschuko­w, Chefredakt­eur

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BILD: SN/AP Russlands Opposition­sführer Alexej Nawalny ruft zum Boykott der Präsidents­chaftswahl im März 2018 auf. Der Kreml will mit allen juristisch­en Mitteln dagegen vorgehen.

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