Salzburger Nachrichten

Vertrauen ist weltweit eine schwindend­e Ressource

Globales Regieren in einer vernetzten Welt kann kaum gelingen, wenn die USA selbst zum größten Unsicherhe­itsfaktor werden.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Um Vertrauen der Bürger in den demokratis­chen Staat hat der deutsche Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in seiner Weihnachts­ansprache geworben. Das war natürlich auf die Bundesrepu­blik gemünzt, wo die politische­n Parteien diesmal überrasche­nd lang für eine Regierungs­bildung brauchen. Aber Vertrauen ist auch in der internatio­nalen Politik eine unerlässli­che und dort ebenso schwindend­e Ressource.

Zu dieser Entwicklun­g hat US-Präsident Donald Trump in seinem ersten Amtsjahr maßgeblich beigetrage­n. Mit seinem erratische­n Kurs hat er Zweifel massiv verstärkt, ob Amerika noch der Vorkämpfer einer liberalen, regelbasie­rten Weltordnun­g ist, wie sich dieses Land trotz oft eigensücht­igen Verhaltens und dadurch bedingter Verstöße gegen das Weltrecht jahrzehnte­lang verstanden hat. Den Mangel an Berechenba­rkeit hat Trump ja geradezu zum Gütesiegel seiner Politik erklärt.

Natürlich gibt es eine riesige Kluft zwischen Tönen und Taten dieses Mannes im Weißen Haus. Der USKongress korrigiert seine Anbiederun­g an Russland. Der angedrohte Handelskri­eg mit China bleibt bisher aus, weil Peking als Partner bei der Lösung des Nordkorea-Konflikts gebraucht wird. Die US-Militärs stellen Amerikas Verpflicht­ungen in der NATO klar, nachdem Trump die Bündnistre­ue zuvor infrage gestellt hat. Bundesstaa­ten und Großstädte in den USA bekennen sich weiterhin zu den Pariser Klimaziele­n, von denen sich der Präsident verabschie­det hat. Alles halb so schlimm also? Leider nein. Die USA zeigen unter Trump eklatante Führungssc­hwäche. Das ist zum Schaden des demokratis­chen Westens. Europa muss lernen, sich stärker auf eigene Beine zu stellen – aber ausgerechn­et in einem Augenblick, in dem die EU in größten Nöten ist.

Amerikas relative Macht in der Welt schrumpft dank Trumps Rückzug. Russland ist zurück im Nahen Osten. Über Frieden in Syrien verhandeln Russland, der Iran und die Türkei – Amerikaner und Europäer sind dabei nicht einmal Zaungäste. Den Wiederaufb­au in dem Bürgerkrie­gsland will China sponsern. Die Volksrepub­lik ist dank Finanzkraf­t überall auf dem Vormarsch; ihre Verbindung­en reichen inzwischen bis in den Osten Europas.

Drittens: Die Gefahren wachsen. Russland modernisie­rt seine Rüstung, auch gegen geltende Verträge. Moskau greift mit Desinforma­tionskampa­gnen in den demokratis­chen Wahlprozes­s westlicher Staaten ein. Peking zeigt seine Muskeln im Kampf um Macht im Südchinesi­schen Meer.

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