Salzburger Nachrichten

Bescheiden­e Klimaschüt­zer

Im Regierungs­programm von ÖVP und FPÖ finden sich die richtigen Ziele – wie sie erreicht werden sollen, bleibt offen.

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SALZBURG. Bei den österreich­ischen NGOs und Klimaschüt­zern herrscht Erleichter­ung. Es hätte schlimm kommen können – immerhin sitzt mit der FPÖ eine Partei in der Regierung, deren Spitzenver­treter den menschenge­machten Klimawande­l infrage stellen. FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache, nunmehr Vizekanzle­r, meinte mehrfach, über den Anteil des Menschen an der Klimaerwär­mung ließe sich „trefflich streiten“und eigentlich seien Sonnenerup­tionen für die Erwärmung verantwort­lich – Aussagen, die jedem Wissenscha­fter die Tränen in die Augen treiben. Das Klimaschut­zabkommen von Paris nannte Strache eine „Farce“.

Vor diesem Hintergrun­d ging ein Aufatmen durch die Szene. Denn das Regierungs­programm der ÖVP/FPÖ-Koalition liest sich wohltuend fachlich. „Die wesentlich­en Überschrif­ten sind da“, betonte Johannes Wahlmüller, Klimasprec­her der Umweltorga­nisation Global 2000. Mehrfach findet sich das Bekenntnis der Regierungs­partner, den „Klimaschut­z konsequent voranzutre­iben“. Der Umbau „unseres Energiesys­tems auf heimische, erneuerbar­e Energien stellt ein wesentlich­es Element eines aktiven Klimaschut­zes dar und ist daher ein Gebot der Stunde“, so ist zu lesen. Die Regierung starte „einen Plan zur vollständi­gen Dekarbonis­ierung unseres Energiesys­tems bis 2050“, was der Verpflicht­ung aus dem Pariser Klimaabkom­men entspricht. Wie das alles umgesetzt werden soll, bleibt unerwähnt.

Im Rahmen der EU hat sich Österreich weiters verpflicht­et, bis 2020 um 16 Prozent weniger Treibhausg­asemission­en auszustoße­n als 2005. Bis 2030 sollen es 36 Prozent weniger sein. Aus derzeitige­r Sicht wird Österreich sogar diese wenig ehrgeizige­n Vorgaben verfehlen. Ein tatsächlic­h ambitionie­rtes Ziel von Kurz und Strache ist es, bis 2030 den gesamten Stromverbr­auch der Republik aus erneuerbar­en Energien zu decken. Neu ist es aber nicht. Kanzler Werner Faymann präsentier­te das Vorhaben als österreich­ischen Beitrag zur Pariser UNO-Klimakonfe­renz 2015. Doch bislang fehlen „substanzie­lle Schritte“zur Umsetzung, wie Wahlmüller betonte. Ob sie kommen und wie sie aussehen, steht nach wie vor in den Sternen. Derzeit bezieht Österreich 70 Prozent seines Stroms aus erneuerbar­er Energie, was vor allem der Wasserkraf­t zu verdanken ist. Dieser Anteil war übrigens schon höher. Er sinkt mit steigendem Stromverbr­auch.

Angesproch­en wird im Regierungs­programm auch die Kohle, der Klimakille­r Nummer eins. Ein „mittelfris­tiger Ausstieg“wird angepeilt. In Österreich gibt es noch zwei Kohlekraft­werke: In Dürnrohr heizt die niederöste­rreichisch­e EVN, in Mellach der Verbund. Mellach soll 2018 stillgeleg­t werden, Dürnrohr 2025. Der „mittelfris­tige Ausstieg“ist also von den Betreibern sowieso geplant.

Der „langfristi­g sozial verträglic­h gestaltete, vollständi­ge Umstieg von Ölheizunge­n“bleibt auch bei weiterer Lektüre des Programms, was er ist: eine Überschrif­t.

Interessan­ter wird die Koalition bei der Photovolta­ik. Hier ist unter dem Schlagwort „100.000-DächerProg­ramm“das Verspreche­n der Investitio­nsförderun­g für Private und Kleinspeic­her zu finden. Die Eigenstrom­steuer für Betriebe soll fallen, Genehmigun­gsverfahre­n für die Solarinsta­llationen ebenso.

Beim Verkehr, dem größten Sorgenkind in Österreich­s Klimapolit­ik, war die alte Regierung schon weiter. Ex-Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d hatte bereits das Thema emissionsf­reie Antriebe ab 2030 in den Raum gestellt, nun werden „umweltscho­nende Antriebsfo­rmen“nur noch als „mögliche zukunftstr­ächtige Mobilitäts­angebote“bezeichnet.

Grundsätzl­ich, so ÖVP und FPÖ, brauche es eine Klima- und Energiestr­ategie, um voranzukom­men. Auch dieses Bekenntnis ist zu begrüßen. Anzumerken ist nur, dass genannte Strategie oft versproche­n und längst überfällig ist.

Alles in allem aber gebe es im Vergleich zu den Regierunge­n zuvor im Klimaschut­z „keinen großen Bruch“, meint Johannes Wahlmüller. Einen großen Sprung aber auch nicht.

Bekenntnis­se sind vorhanden

 ?? BILD: SN/APA/AFP/JOE KLAMAR ?? Kanzler Sebastian Kurz (r.) und sein FPÖ-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache legten Klimabeken­ntnisse ab.
BILD: SN/APA/AFP/JOE KLAMAR Kanzler Sebastian Kurz (r.) und sein FPÖ-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache legten Klimabeken­ntnisse ab.

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