„Weiter so“ist für Angela Merkel das falsche Rezept
In Frankreich stürmt Emmanuel Macron mit Elan in die Zukunft. Angela Merkels Kanzlerschaft hat hingegen ein Ablaufdatum.
In Deutschlands politischer Landschaft ist etwas in Bewegung, man könnte es ein Beben nennen. Angela Merkel, die Erfolgsverwöhnte und nach zwölf Regierungsjahren bereits zur ewigen Kanzlerin Erklärte, sieht sich zum ersten Mal fundamental angefochten.
In ihrer eigenen Partei, der CDU, mag sie noch starken Rückhalt spüren – vor allem auch deshalb, weil sich dort kaum zugkräftige Kandidaten für eine Nachfolge ausmachen lassen. Aber in großen Teilen von Politik und Gesellschaft greift der Zweifel an Merkel um sich. Die Liberalen, einst der natürliche Partner der Christdemokraten, drängen unverhohlen auf einen personellen Wechsel bei der Union. Wichtige Stimmen in der Presse skizzieren schon das Szenario einer Zukunft ohne Merkel. In Umfragen tritt jeder zweite Bürger dafür ein, dass Merkel bei einer Wiederwahl zur Kanzlerin vorzeitig abtreten sollte. Das lässt sich nur als Zeichen von Überdruss werten.
Unweigerlich stellt sich der Eindruck ein, dass auch Angela Merkel den richtigen Zeitpunkt für ihren Abgang von der politischen Bühne verpasst haben könnte. Wie bereits Helmut Kohl, der sich nach 16 Amtsjahren für unverzichtbar hielt und schließlich von Merkel vom (Partei-)Thron gestoßen wurde. Lang hat Merkel überlegt, ob sie zum vierten Mal für das Kanzleramt kandidieren sollte. Sie tat es schließlich, weil sie meinte, nach der Trump-Wahl in den USA Europa zusammenhalten zu müssen. Die Kanzlerin übersah dabei, dass sie selbst schon Spaltungslinien in der EU gezogen hatte: Erst rebellierten die Südeuropäer gegen ihren Kurs in der Eurokrisenpolitik. Dann kündigten die Ostmitteleuropäer wegen ihrer Flüchtlingspolitik die Gefolgschaft auf.
Inzwischen hat Merkel draußen wie drinnen an Autorität eingebüßt. In die Bundestagswahl zog sie, trotz aller Brüche in der Gesellschaft und massiven Unmuts über unkontrollierte Migration, ohne neue Ideen – und verlor. Auch das Scheitern der JamaikaGespräche mit FDP und Grünen wurde der CDUChefin angelastet. Von Führungsschwäche und dem Fehlen zukunftsweisender Projekte war die Rede.
Jetzt steht Merkel, die sonst stets alle Trümpfe in der Hand gehalten hat, ohne günstige Optionen da. Noch einmal eine Große Koalition mit der SPD, obschon dieses ungewollte Bündnis bloß die politischen Ränder stärkt? Oder eine Minderheitsregierung unter CDU-Regie, die Merkel selbst nicht für stabil hält? Oder neue Gespräche über eine JamaikaKoalition mit heterogenen Partnern? Oder am Ende doch Neuwahlen mit neuen Spitzenkandidaten?