Bulgarien hat große Pläne für die EU
Bevor Österreich in der zweiten Jahreshälfte die Ratspräsidentschaft übernimmt, führt Bulgarien ab 1. Jänner die Geschäfte.
„Einigkeit macht stark“, steht in großen Lettern über dem Eingang des Parlaments in Sofia. 1891 taucht diese Devise zum ersten Mal auf dem bulgarischen Staatswappen auf. Nun ist sie offizieller Slogan der ersten EU-Ratspräsidentschaft des Balkanlandes.
Bulgarien legt die Schwerpunkte der Präsidentschaft auf Konsens, Konkurrenz und Kohäsion. Konsens soll bei Sicherheit und Migrationspolitik gefunden werden, die Konkurrenz im Digitalmarkt soll gefördert und Kohäsion, also der Zusammenhalt, in der EU gestärkt werden – vor allem durch die Angleichung der Lebensverhältnisse.
Die Regierung wird in diesen ehrgeizigen Vorhaben gestärkt durch die traditionell proeuropäischen Stimmung in der Bevölkerung. Aber die vorgezogene Parlamentswahl im März 2017 führte zu Verzögerungen bei den Vorbereitungen. Und: Durch den Brexit musste die Präsidentschaft um sechs Monate vorgezogen werden.
Allem Anschein nach beginnen die harten Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien während der bulgarischen Ratspräsidentschaft. Im ersten Halbjahr 2018 starten die Vorarbeiten für den neuen siebenjährigen EU-Finanzrahmen für die Zeit nach 2020. Die Klärung der Budgetfragen gilt angesichts des Brexit als Herkulesaufgabe. Zusätzlich macht der Streit um die Quotenverteilung von Flüchtlingen den Ratsvorsitz alles andere als einfach für Bulgarien. Darüber hinaus liebäugelt das Land mit zwei Themen, die es in eigener Sache auf die Tagesordnung bringen will: Das Kabinett von Premier Bojko Borissow hat sich den Beitritt zum Schengenraum und zur Eurozone auf die Fahnen geschrieben. Dabei bekommt die konservative Regierung Unterstützung von der sozialistischen Opposition.
Während Beobachter davon ausgehen, dass die Schengenmitgliedschaft unbedenklich ist, scheint der Eintritt in die Eurozone nicht anzustehen. Bulgarien kann zwar sehr gute Wirtschaftszahlen vorlegen, hat aber nicht sehr viele Fürsprecher in der Eurozone. Das Wachstum des BIP liegt bei 3,5 Prozent, die Arbeitslosenquote ist mit 7,1 Prozent im europäischen Durchschnitt vergleichsweise niedrig. Doch ähnlich wie in der Causa Schengen begegnet man Bulgarien mit Misstrauen, was in erster Linie auf andere Problembereiche zurückzuführen ist: Zwar bestätigte die EU-Kommission Bulgarien jüngst Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und bei der Justizreform. Die von der EU geforderten Standards werden aber noch immer nicht erfüllt.
Als außenpolitisch markante Priorität der bulgarischen Ratspräsidentschaft gilt das Ziel, eine konkrete Vision und einen eindeutigen Aktionsplan für die Integration der Westbalkanstaaten zu entwickeln. „Wir wollen keine haltlosen Versprechungen geben, aber eine gute Perspektive mit einzelnen, klar definierten Schritten in Aussicht stellen“, erklärte die für die Ratspräsidentschaft zuständige Ministerin Liliana Pawlowa. Das sei der einzige Weg, damit dauerhafter Frieden, Sicherheit und Wohlstand in der Region gewährleistet sind.
Spannend scheint für Bulgarien das erste Halbjahr 2018 auch innenpolitisch zu bleiben. Nur wenige Tage nach dem offiziellen Start der Ratspräsidentschaft findet am 17. Jänner die Abstimmung über den ersten Misstrauensantrag der Opposition gegen das Kabinett Borissow statt. Die Sozialisten und die Türkenpartei DPS behaupten, die Regierung könne der Korruption im Land nicht die Stirn bieten, und fordern ihren Rücktritt.