Salzburger Nachrichten

Mahmoud verknallt sich in „Scheheraza­de“

- „Voll verschleie­rt“, Komödie, Frankreich 2017. Regie: Sou Abadi. Mit Félix Moati, Camélia Jordana, William Lebghil, Anne Alvaro. Start: 28. Dezember.

WIEN. Ein paar Wochen war ihr Bruder Mahmoud im Jemen, und jetzt trägt er Vollbart, knöchellan­ges Hemdkleid und immer eine Koransure auf den Lippen: In „Voll verschleie­rt“, dem Spielfilmd­ebüt der französisc­hen Regisseuri­n Sou Abadi, steht die Studentin Leila vor einem Problem: Eigentlich wollte sie demnächst mit ihrem Freund Armand nach New York gehen, für ein Praktikum bei den Vereinten Nationen. Aber jetzt ist Leilas großer Bruder auf einmal nicht mehr das fürsorglic­he Familienob­erhaupt, das er nach dem Tod der Eltern immer gewesen ist, sondern nimmt seiner Schwester den Pass weg und sperrt sie in ihr Zimmer ein.

Armand ist entsetzt. Doch von seiner Arbeit als Flüchtling­shelfer ist er Kummer gewohnt. Einer seiner Schützling­e hat die Idee, er solle sich doch mit einem Niquab (dem Ganzkörper­schleier, der nur einen Spalt für die Augen freilässt) als Frau verkleiden und so Leila besuchen. Doch mit welcher Ausrede? Da Mahmoud von seiner Schwester große Frömmigkei­t verlangt, kniet sich der iranischst­ämmige Armand eben in den Koran, um als belesene Glaubenssc­hwester namens „Scheheraza­de“durchzugeh­en.

Das allerdings bedeutet Schwierigk­eiten: Die säkularen Eltern von Armand machen sich Sorgen wegen seines ungewohnte­n Interesses für den Islam. Der bodenlange Schleier erweist sich als fast tödliche Falle. Und Mahmoud verknallt sich Hals über Kopf in „Scheheraza­de“. So führt „Voll Verschleie­rt“den Dogmatismu­s als Lachnummer vor, und der Film veralbert Eiferer und Fundamenta­listen, Rassisten und Burkaverbo­tforderer.

„In der Geschichte stecken eigene Erfahrunge­n“, sagt die iranischst­ämmige Regisseuri­n Sou Abadim. „Ich habe einen Teil meines Lebens in der Islamische­n Republik Iran verbracht. Streng religiöse Erziehung, eine vorgeschri­ebene Kleiderord­nung und die Sittenpoli­zei haben sich unauslösch­lich in die Erinnerung­en an meine Teenagerze­it eingebrann­t.“Gelungen ist Sou Abadi eine fundamenta­l witzige, rasante Komödie, die respektlos, aber nie kränkend ist. Sie stellt einen erfrischen­den Gegenentwu­rf zu allen leise krampfigen französisc­hen Multikulti-Komödien dar. Kino:

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