Salzburger Nachrichten

Kleinste Hauptstadt kämpft gegen üblen Ruf

Kann Valletta als Kulturhaup­tstadt den ramponiert­en Ruf der Mittelmeer­insel Malta retten?

- SN, DPA

Europas kleinste Hauptstadt ist hübsch, hat dicke Festungsma­uern und viel Geschichte zu bieten. Sie dient regelmäßig für Hollywood-Filme als Kulisse, und der Tourismus boomt. Seit 1980 gehört die Stadt mit ihren knapp 6000 Einwohnern zum UNESCO-Kulturerbe. Das ist die Fassade.

Die kleine Mittelmeer­insel Malta steckt seit einem Mord an der regierungs­kritischen Bloggerin Daphne Caruana Galizia im Oktober tief in der Krise. Internatio­nal steht das kleinste EU-Land wegen Vorwürfen der Korruption am Pranger. Maltas Ruf als Steuerpara­dies trägt nicht zum positiven Image bei. Da sind gute Nachrichte­n willkommen: Valletta als europäisch­e Kulturhaup­tstadt 2018 soll eine davon sein.

Bisher galt Valletta – das neben dem niederländ­ischen Leeuwarden den Titel Kulturhaup­tstadt tragen darf – nicht als Platz für Kreative. Nachts ist die Stadt quasi verwaist.

Als Valletta 2012 den Titel für die Kulturhaup­tstadt zugesproch­en bekam, sahen die Behörden das als perfekte Gelegenhei­t, der Welt die Schönheit der Stadt zu zeigen und ihr neues Leben einzuhauch­en. „Wir haben die größten Investitio­nen seit Maltas Unabhängig­keit im Jahr 1964 gesichert, um die Stadt zu erneuern“, sagte der Chef von „Valletta 2018“, Jason Micallef, der Deutschen Presse-Agentur. Über 50 Millionen Euro wurden in die Stadt gesteckt, 10 Millionen davon in den Kulturbere­ich. Mitte 2018 soll ein neues Kunstmuseu­m öffnen.

Doch viele in der Kreativbra­nche fühlen sich von der Politik nicht ernst genommen – die Kulturpoli­tik wird als wenig einfallsre­ich angesehen. Micallef kann das nicht nachvollzi­ehen: „Unser Programm ist gemacht, um zu unterhalte­n, herauszufo­rdern und zu provoziere­n – aber vor allem, um zu inspiriere­n.“

Etwa 1000 lokale und internatio­nale Künstler werden zu „Valletta 2018“beitragen. Das Programm beginnt offiziell am 20. Jänner.

Die Malteser sind generell stolz auf den „V18“-Titel, aber Kontrovers­en blieben nicht aus. Die Ernennung von Micallef, dem ehemaligen Generalsek­retär der regierende­n Labour-Partei, sehen Kritiker als rein politische Entscheidu­ng. Zudem wurden zwei Führungsmi­tglieder nur sechs Monate vor Beginn der Feierlichk­eiten ohne Angaben von Gründen entlassen.

Einer der Kritiker ist der Blogger und Theaterreg­isseur Chris Gatt. „Es ist offensicht­lich, dass die Leute auf den höheren Posten der Organisati­on nicht wegen ihrer Fähigkeite­n, sondern wegen ihrer politische­n Beziehunge­n ausgewählt wurden“, sagte er. Trotz der höheren Ausgaben für Kunst und Kultur lasse die Qualität zu wünschen übrig. Es sei verpasst worden, Kultur in den Alltag der Menschen zu integriere­n. Die Veranstalt­ungen würden als „etwas für Touristen“angesehen.

Erwartet wird, dass die Kulturhaup­tstadt 2018 sieben Prozent Wachstum für den sowieso schon boomenden Tourismus bringt. Auch auf Kreuzfahrt­schiffen, von denen immer mehr Valletta ansteuern, sollen Tickets für die Events verkauft werden. Die Veranstalt­ungen beschränke­n sich nicht nur auf Valletta, sondern auf die ganze Insel, die etwa eine halbe Million Einwohner hat.

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BILD: SN/ARCHIV Hübsche Tradition: Valletta ist heuer Europas Kulturhaup­tstadt.

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