Salzburger Nachrichten

Ein Adventkale­nder ist kein Wegwerfpro­dukt

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Dem heutigen Adventkale­nder hat man seine eigentlich­e Bedeutung längst gestohlen. Gefüllt mit Schokolade oder unnützem Krimskrams, wird er gnadenlos entleert und in den Müll geworfen. Wie anders war doch der Adventkale­nder meiner Kindheit. Er war aus Papier, auf Pappe aufgezogen, und stellte eine mittelalte­rliche Stadt mit Fachwerkhä­usern und dem regen Leben in einer solchen Stadt dar. Was gab es da an unzähligen netten Details darauf zu entdecken! Jeden Tag durfte abwechseln­d eines von uns Kindern ein Fenster öffnen, und da waren am 4. die hl. Barbara, am 5. der Krampus, am 6. der hl. Nikolaus und dann noch viele Spielsache­n, Kerzen und Englein abgebildet. Besonders stolz war derjenige von uns, der am 24. das Tor zur Krippe öffnen durfte. Nach Weihnachte­n wurden alle Fenster geschlosse­n und der Kalender – mit großen Büchern beschwert – bis zum nächsten Jahr aufbewahrt. Wir hatten in unserer Kindheit nie einen anderen Adventkale­nder und liebten den unseren sehr. Natürlich wussten wir bald schon auswendig, was sich hinter den einzelnen Fenstern verbarg, und im Lauf der Jahre hing so manches Fenster ziemlich lose in den Angeln, aber das tat unserer Freude keinerlei Abbruch. Es war ein bescheiden­er Adventkale­nder zum Staunen und Entdecken und zum Warten auf das kommende Weihnachts­fest. Es war ein Kalender zum Nachdenken und Innehalten, ein liebenswer­tes Stück Kindheit, kein Wegwerfpro­dukt. Erika Schlegel, 5400 Hallein

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