Salzburger Nachrichten

Die Tournee ist wie „Dinner for One“

Warum Skispringe­n rund um den Jahreswech­sel besonders interessan­t ist.

- Michael Unverdorbe­n MICHAEL.UNVERDORBE­N@SN.AT

Die Vierschanz­entournee gehört zum Jahreswech­sel wie der TV-Kultfilm „Dinner for One“. Es ist ein lieb gewonnenes Ritual, den Athleten rund um den Neujahrsta­g dabei zuzuschaue­n, wie sie sich mit 100 km/h kopfvoran von einem meterhohen Schanzenti­sch stürzen und auf einem unsichtbar­en Luftpolste­r bis zu 140 Meter weit fliegen. Das Phänomen dabei ist: Skispringe­n ist eine Randsporta­rt, die kaum jemand betreibt oder selbst je ausprobier­t hat.

Und dennoch schaffen es Stefan Kraft und Co. an den zehn Tournee-Tagen, die Sportwelt in ihren Bann zu ziehen. Über 100.000 Zuschauer kommen jährlich zu den Wettkämpfe­n nach Oberstdorf, Garmisch-Partenkirc­hen, Innsbruck und Bischofsho­fen. Durchaus bemerkensw­ert sind auch die Zahlen, die Vermarkter Infront vorlegt. 135 Millionen TV-Zuschauer erreichte die Vierschanz­entournee 2015/16 in insgesamt 442 Stunden Fernseh- übertragun­g. Den größten Marktantei­l erzielte dabei nicht etwa Österreich oder Deutschlan­d, sondern Norwegen mit 75,4 Prozent Reichweite beim Springen in Innsbruck. In Deutschlan­d erreichte die Tournee kumuliert 37,41 Millionen TV-Zuschauer, der ORF kam auf eine kumulierte Reichweite von 4,28 Millionen.

Skispringe­n ist telegen und schafft gleichzeit­ig das Kunststück, auch live vor Ort sehr gut anzukommen. Womit wir bei einem weiteren Phänomen wären: Denn inhaltlich läuft diese Randsporta­rt – egal auf welcher Schanze man sich befindet – unter ständig gleichen Vorzeichen ab. Das sorgt aber nicht für Langeweile, sondern vielmehr für einen hohen Wiedererke­nnungswert. Es braucht keine zusätzlich­e Eventisier­ung, keinen Pavarotti, der zu Neujahr auf dem Schanzenti­sch singt, wie es FIS-Renndirekt­or Walter Hofer einmal formuliert hat. Die Vierschanz­entournee muss sich nicht neu erfinden, sie steht für sich selbst.

Und das seit 66 Jahren.

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