Gestern, heute, morgen
Ein Silvestermenü mit Anregungen der Familie Schellhorn aus Goldegg. Drei Generationen haben ein Kochbuch verfasst, dessen Ausblick fast schon wieder ein Rückblick ist.
Es ist etwa fünf Jahre her. Sepp Schellhorn saß in seiner Küche in Goldegg und versuchte, seine neue Küchenlinie zu erklären. Zuvor verlieh er seinem Restaurant Hecht im Seehof den geheimnisvollen Zusatz r120. Das klang sportlich. Irgendwie nach Autoreifen. Aber an Beschleunigung war er nicht interessiert. Im Gegenteil: Er wollte einen Gang zurückschalten.
Die Zutaten sollten fortan größtenteils aus einem Umkreis von 120 Kilometern kommen. Er meinte, das sei machbar. Und das war es auch. Aber nur mit einem enormen Kraftakt. Seine Mitarbeiter begannen Gemüse zu pflanzen, sie gruben Löcher für Erdkeller und sie studierten die Vegetation in den umliegenden Wäldern. Die Methode begann zu wirken: Die FAZ etwa beschrieb den Seehof als „Landschaft gewordene Pausetaste“.
Ohne Rückendeckung seiner Köche Rudi Pichler und Rene Leitgeb hätte Schellhorn das nicht geschafft. Perfektioniert wurde das System von seinem Sohn Felix. Er hatte weltweit viel Erfahrung in Spitzenküchen gesammelt. Etwa im dänischen Aarhus. Dort hospitierte Felix im Restaurant Koch bei den Gebrüdern Koch – ja: Die heißen wirklich so.
Heute gibt es bereits viele Nachahmer in Österreich. Sogar Fast-Food-Ketten und Lebensmittelriesen setzen auf regionale Produkte. Das erinnert ein wenig an ein Zitat von Mark Twain. Dieser sagte: „ Menschen mit einer neuen Idee gelten so lange als Spinner, bis sich die Sache durchgesetzt hat.“
Aber das Spiel der Großen ist sowieso nicht Schellhorns Ding. „Mir geht es um enkeltaugliche Küche“, sagte er damals. Gemeint ist eine Arbeitsweise, die keinen Dreck hinterlässt und die mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen fürsorglich umgeht. Für Schellhorn ist Kochen eine Möglichkeit, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. „Wir erfinden nichts neu“, sagt er. „Wenn wir heute Hollerblüten und Farne sammeln, dann tun wir nichts anderes als früher unsere Großeltern: Kochen mit dem, was da ist.“
Wer wüsste das besser als Sepps Mutter Karola Schellhorn. Gemeinsam mit Felix haben die beiden nun das erste Generationenkochbuch eines österreichischen Spitzenkochs vorgelegt. Darin sind zu gleichen Teilen Rezepte aller drei Generationen enthalten. Oma Karola verrät ihre besten Gerichte aus der Zeit, als die Beatles gerade auf dem Zenit ihres Schaffens waren. Papa Sepp zeigt sein Händchen für einfach geniale Spitzenküche, mit der er an sein Vorbild Karl Eschlböck erinnert. Und Felix? Er gibt einen großartigen Ausblick auf eine nachhaltig gedachte Küche von morgen. Der Autor und Verleger Christian Seiler hat die Schellhorns mit einfühlsamer Feder vorgestellt, Ingo Pertramer machte exzellente Fotos. Absolute Kaufempfehlung!