Auf Stress reagiert das Blut süß
Deutsche Psychiater geben Hoffnung für eine völlig neue Behandlungsmethode von Diabetes.
Ein Eiweißbaustein, der bei Stress eine Rolle spielt, wirkt auch auf den Zuckerstoffwechsel. Das weckt Hoffnungen auf neue Diabetes-Therapien.
MÜNCHEN. Vom Protein FKBP51 wissen Forscher schon länger, dass es in Zusammenhang mit depressiven Erkrankungen und Angststörungen steht. Es ist an der Regulierung des Stresssystems im Körper beteiligt. Nicht nur in Notsituationen zieht dieses Stresssystem die Fäden im Körper. Es steuert mittels hormoneller Signalketten vom Gehirn zum Körper und wieder zurück alle lebenswichtigen Prozesse und überwacht sie. Ist dieser Mechanismus gestört, können psychische Erkrankungen entstehen.
Nun haben Forscher am MaxPlanck-Institut für Psychiatrie eine neue, überraschende Rolle dieses Proteins FKBP51 entdeckt: Es ist auch ein Bindeglied zwischen dem Stresssystem und Stoffwechselvorgängen im Körper. „FKBP51 beeinflusst im Muskelgewebe eine Signalkaskade, die bei zu großer Kalorienzufuhr zur Entstehung von Glukoseintoleranz führt, also dem Kernsymptom von Typ-2-Diabetes“, sagt Projektleiter Mathias Schmidt. Viel fettreiche Ernährung bedeutet Stress für den Körper.
FKBP51 wird daraufhin vermehrt im Muskel gebildet und führt fatalerweise dazu, dass Glukose ver- mindert aufgenommen wird – Diabetes und Fettleibigkeit können entstehen. Blockiert man FKBP51, so kommt es auch nicht zu Diabetes – selbst dann nicht, wenn weiterhin ein Überangebot an Kalorien zugeführt wird, wenn der Stress für den Körper also bestehen bleibt.
Weniger FKBP51 im Muskelgewebe bedeutet weniger Glukoseintoleranz und damit einen normal weiterlaufenden Stoffwechsel. Das Protein FKBP51 kann durch bestimmte Moleküle gehemmt werden, die am Max-Planck-Institut für Psychiatrie entwickelt wurden. Zusammen mit Wissenschaftern der TU Darmstadt sollen diese Substanzen zu klinischen Testpräparaten weiterentwickelt werden. Diese Erkenntnisse würden einen neuen Behandlungsansatz für Diabetes und weitere Stoffwechselerkrankungen liefern, meinen die Forscher.
Diabetes mellitus umfasst chronische Stoffwechselerkrankungen, bei denen zu wenig Insulin gebildet wird. Gemeinsames Symptom aller unbehandelten Patienten sind erhöhte Blutzuckerwerte (Hyperglyk- ämie). Bei Typ-1-Diabetes liegt ein absoluter Mangel am Hormon Insulin zugrunde. Meist beginnt diese Form des Diabetes im Kindes- und Jugendalter. Typ-1Diabetes kann aber auch bei Erwachsenen erstmals auftreten.
Bei Typ-2-Diabetes entwickelt sich zunächst eine verminderte Empfindlichkeit der Körperzellen auf Insulin.
Man spricht von der sogenannten Insulinresistenz, die sich fast immer auf Basis von Übergewicht entwickelt. Die insulinproduzierenden Zellen sind durch die jahrelange Überproduktion von Insulin schließlich erschöpft.
In Österreich leben rund 700.000 Diabetiker, 90 Prozent davon leiden an Typ-2-Diabetes. Die Hauptursache für die Entstehung dieser Stoffwechselerkrankung ist überschüssiges Körperfett im Bauchraum, das die Körperzellen immer weniger auf das Insulin ansprechen lässt.
Die gute Nachricht: Schon eine Umstellung der Ernährung und mehr Bewegung können – zumindest in einer frühen Phase der Krankheit – ausreichen, um die Blutzuckerwerte wieder zu normalisieren.
In Österreich leben 700.000 Diabetiker