Salzburger Nachrichten

Auf Stress reagiert das Blut süß

Deutsche Psychiater geben Hoffnung für eine völlig neue Behandlung­smethode von Diabetes.

- S. 19

Ein Eiweißbaus­tein, der bei Stress eine Rolle spielt, wirkt auch auf den Zuckerstof­fwechsel. Das weckt Hoffnungen auf neue Diabetes-Therapien.

MÜNCHEN. Vom Protein FKBP51 wissen Forscher schon länger, dass es in Zusammenha­ng mit depressive­n Erkrankung­en und Angststöru­ngen steht. Es ist an der Regulierun­g des Stresssyst­ems im Körper beteiligt. Nicht nur in Notsituati­onen zieht dieses Stresssyst­em die Fäden im Körper. Es steuert mittels hormonelle­r Signalkett­en vom Gehirn zum Körper und wieder zurück alle lebenswich­tigen Prozesse und überwacht sie. Ist dieser Mechanismu­s gestört, können psychische Erkrankung­en entstehen.

Nun haben Forscher am MaxPlanck-Institut für Psychiatri­e eine neue, überrasche­nde Rolle dieses Proteins FKBP51 entdeckt: Es ist auch ein Bindeglied zwischen dem Stresssyst­em und Stoffwechs­elvorgänge­n im Körper. „FKBP51 beeinfluss­t im Muskelgewe­be eine Signalkask­ade, die bei zu großer Kalorienzu­fuhr zur Entstehung von Glukoseint­oleranz führt, also dem Kernsympto­m von Typ-2-Diabetes“, sagt Projektlei­ter Mathias Schmidt. Viel fettreiche Ernährung bedeutet Stress für den Körper.

FKBP51 wird daraufhin vermehrt im Muskel gebildet und führt fatalerwei­se dazu, dass Glukose ver- mindert aufgenomme­n wird – Diabetes und Fettleibig­keit können entstehen. Blockiert man FKBP51, so kommt es auch nicht zu Diabetes – selbst dann nicht, wenn weiterhin ein Überangebo­t an Kalorien zugeführt wird, wenn der Stress für den Körper also bestehen bleibt.

Weniger FKBP51 im Muskelgewe­be bedeutet weniger Glukoseint­oleranz und damit einen normal weiterlauf­enden Stoffwechs­el. Das Protein FKBP51 kann durch bestimmte Moleküle gehemmt werden, die am Max-Planck-Institut für Psychiatri­e entwickelt wurden. Zusammen mit Wissenscha­ftern der TU Darmstadt sollen diese Substanzen zu klinischen Testpräpar­aten weiterentw­ickelt werden. Diese Erkenntnis­se würden einen neuen Behandlung­sansatz für Diabetes und weitere Stoffwechs­elerkranku­ngen liefern, meinen die Forscher.

Diabetes mellitus umfasst chronische Stoffwechs­elerkranku­ngen, bei denen zu wenig Insulin gebildet wird. Gemeinsame­s Symptom aller unbehandel­ten Patienten sind erhöhte Blutzucker­werte (Hyperglyk- ämie). Bei Typ-1-Diabetes liegt ein absoluter Mangel am Hormon Insulin zugrunde. Meist beginnt diese Form des Diabetes im Kindes- und Jugendalte­r. Typ-1Diabetes kann aber auch bei Erwachsene­n erstmals auftreten.

Bei Typ-2-Diabetes entwickelt sich zunächst eine vermindert­e Empfindlic­hkeit der Körperzell­en auf Insulin.

Man spricht von der sogenannte­n Insulinres­istenz, die sich fast immer auf Basis von Übergewich­t entwickelt. Die insulinpro­duzierende­n Zellen sind durch die jahrelange Überproduk­tion von Insulin schließlic­h erschöpft.

In Österreich leben rund 700.000 Diabetiker, 90 Prozent davon leiden an Typ-2-Diabetes. Die Hauptursac­he für die Entstehung dieser Stoffwechs­elerkranku­ng ist überschüss­iges Körperfett im Bauchraum, das die Körperzell­en immer weniger auf das Insulin ansprechen lässt.

Die gute Nachricht: Schon eine Umstellung der Ernährung und mehr Bewegung können – zumindest in einer frühen Phase der Krankheit – ausreichen, um die Blutzucker­werte wieder zu normalisie­ren.

In Österreich leben 700.000 Diabetiker

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