2017, das Jahr, in dem so viele gingen
Das abgelaufene Jahr brachte unzählige neue Gesichter – zugleich gingen extrem langgediente Politiker von der Politbühne ab.
Schuldspruch, Plagiat und Reformunwillen
WIEN. Das Ausnahme-Politikjahr 2017 brachte nicht nur eine Umkehrung der politischen Machtverhältnisse und damit eine Vielzahl neuer Gesichter an entscheidenden Positionen. 2017 brachte auch viele Abgänge prominenter Politiker – und das nicht nur im Gefolge des Ergebnisses der Nationalratswahl.
Das Wahlergebnis vom 15. Oktober führte – und dies, obwohl die ÖVP in der Regierung verblieb – zum Ausscheiden sämtlicher Regierungsmitglieder aus dem Amt. Mit einer Ausnahme: Ex-Außenminister und Neokanzler Sebastian Kurz.
Der 15. Oktober führte auch zum notgedrungenen Abgang aller grünen Bundespolitiker – mit einer Ausnahme: Werner Kogler, der als grüner „Trümmermann“versucht, die Reste der an der Vier-ProzentHürde gescheiterten Partei wieder zukunftsfit zu machen.
Am Beginn des Wahlkampfs war ein Rücktritt zum falschen Zeitpunkt gestanden. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hatte es satt, als Platzhalter für Sebastian Kurz zu agieren, und gab Anfang Mai nach monatelangen Spekulationen über seine Ablöse überraschend auf. Die Strategen um Sebastian Kurz hatten eine spätere Übergabe angestrebt gehabt. Mitterlehner wurden die internen Querschüsse zu viel. Er machte den Weg frei für Kurz und für Schwarz-Blau. Mitterlehner, der 2014 selbst als bejubelte schwarze Zukunftshoffnung angetreten war, räumte später Kränkungen aufgrund der lang geplanten Machtübernahme durch Kurz ein.
Mitterlehner war längst nicht der einzige Parteichef, der 2017 das Handtuch geworfen hat: Eva Glawischnigs überraschender Rücktritt im Mai brachte tiefe Risse in der Partei ans Tageslicht, die schon über viele Jahre bestanden hatten, allerdings für das Ziel, auch im Bund eine Regierungsbeteiligung zu schaffen, übertüncht worden waren. Dem Hofburgerfolg Alexander Van der Bellens hatten die Grünen zu viel untergeordnet. 2017 ging es bergab. Der Streit mit Peter Pilz und mit Teilen der Jungen Grünen trat offen zutage. Glawischnig trat gesundheitlich angeschlagen zurück. Ihre nie in die politischen Gänge gekommene Nachfolgerin als Bundessprecherin, Ingrid Felipe, war nach der Wahl Geschichte und zog sich wieder in die Tiroler Landespolitik zurück.
Mit Mitterlehner, Glawischnig und Kurzzeitchefin Felipe traten 2017 drei Parteichefs von der politischen Bühne ab. Manch Politbeobachter zählt sogar vier: Im Jänner hatte der über viele Jahre als heimlicher ÖVP-Chef geltende niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll seinen Rücktritt mitgeteilt. Pröll war fast ein Vierteljahrhundert Landeshauptmann und galt als die schwarze Eminenz.
Kurz darauf verkündete im Februar mit Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer ein zweites ÖVP-Schwergewicht seinen Rückzug. Pröll und Pühringer gehören zu den sieben Landeshauptleuten der Zweiten Republik, die länger als 22 Jahre im Amt waren. Auch Michael Häupl zählt zu den glorreichen sieben Dauerlandeshäuptlingen. Häupl hat zwar angekündigt, sich bald nach der Nationalratswahl aus der Politik zurückzuziehen, sieht sich derzeit aber die Diadochenkämpfe um seine Nachfolge noch erste Reihe fußfrei an.
Peter Pilz ging 2017 als GrünPolitiker und als Nationalratsabgeordneter. Als Parteigründer war Pilz im Jahr 2017 sehr erfolgreich. Als Parteivorsitzender der Liste Pilz ist er auch nicht abgetreten. Der engagierte Aufdecker hat lediglich auf die Annahme seines Nationalrats- mandats verzichtet und ist dann zur Selbstfindung längere Zeit abgetaucht. Im Hintergrund standen Vorwürfe wegen sexueller Belästigung, die Pilz stets dementiert hat.
Die grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek hatte sich nach Glawischnigs Abgang auf ein politisches Himmelfahrtskommando als Spitzenkandidatin eingelassen, bei dem nichts zu gewinnen war. Die Grünen verloren alles. Lunacek legte nach der Wahlpleite alle Funktionen auf österreichischer und europäischer Ebene zurück – auch die Position als Vizepräsidentin des EU-Parlaments.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler war auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs angesichts der Dirty-CampaigningAktivitäten Tal Silbersteins aus dem Amt gespült worden.
Einen dramatischen Abgang setzte es in der Salzburger Stadtpolitik. SPÖ-Bürgermeister Heinz Schaden trat im September nach 18 Jahren Amtszeit aufgrund einer nicht rechtskräftigen Verurteilung zurück. Er war wegen eines SwapDeals, bei dem die Stadt dem Land 2007 sechs negativ bewertete Derivate ohne Gegenleistung übertragen hatte, in erster Instanz schuldig gesprochen worden.
Schon im Jänner hatte in Wien eine rote Zukunftshoffnung ihren Posten als Sozial- und Gesundheitsstadträtin geräumt. Sonja Wehsely war unter anderem wegen des Kostenanstiegs beim Krankenhaus Nord und des enormen Mehrbedarfs beim Wiener Modell der Mindestsicherung unter Druck geraten.
In Pension ging nach mehr als 18 Jahren als Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer.
Der steirisches Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann (ÖVP) musste im April, zwei Wochen nachdem ihm sein Doktortitel wegen Plagiatsvorwürfen aberkannt worden war, seinen Sessel in der Landesregierung abgeben. Völlig planmäßig und hoch angesehen zieht sich Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofs, in die Pension zurück.
Ulrike Rabmer-Koller legte im April nach nicht einmal eineinhalb Jahren den Vorsitz im Hauptverband der Sozialversicherungsträger zurück. Das Spannendste am Rücktritt war die Begründung: Mangelnder Reformwille in der Politik.
Für immer gegangen ist 2017 SPÖ-Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, die im Alter von 53 Jahren einem Krebsleiden erlag. Im Juni verstarb der frühere ÖVP-Obmann und Außenminister Alois Mock mit 82 Jahren. Bereits im März war mit Karl Korinek ein früherer VfGH-Präsident und profilierter Hüter der Verfassung gestorben.