Salzburger Nachrichten

Der Genuss reift im Keller

Sekt, der zum Jahreswech­sel prickelt, braucht viel Ruhe und die Erfahrung der Hersteller.

- GERALD STOIBER Noch lang nicht von gestern

WIEN. Zu Silvester knallen wieder die Sektkorken. Wer dabei auf heimische Qualität Wert legt, hat im Glas einen Schaumwein, für den die Trauben im Herbst 2016 oder in den Jahren davor geerntet wurden. Denn Sekt mit Flaschengä­rung braucht Zeit zum Reifen. Mindestens neun Monate schreibt die neue österreich­ische Sektpyrami­de (siehe Kasten) für die Basisquali­tätsstufe vor, mindestens zweieinhal­b Jahre für die Große Reserve.

Von der Adventzeit bis zum Ende der Ballsaison machen die Sektherste­ller traditione­ll ihr Hauptgesch­äft. Für zwei der größten und traditions­reichsten Sekthäuser aus Wien-Döbling war 2017 ein besonderes Jahr – Marktführe­r Schlumberg­er beging sein 175-Jahr-Jubiläum, die Sektkeller­ei Kattus kann auf 160 Jahre zurückblic­ken.

Champagner war für beide Unternehme­n gleichsam der Ausgangspu­nkt. Denn der Gründer und Namensgebe­r des Hauses Schlumberg­er, Robert Alwin Schlumberg­er, lernte sein Geschäft in der Champagner-Hauptstadt Reims bei Ruinart Père et Fils. Auf einer Rheinschif­ffahrt lernte der aus Stuttgart stammende Kaufmann Sophie Kirchner aus Wien kennen. Weil Sophies Eltern der Übersiedlu­ng ihrer Tochter nicht zustimmten, folgte Robert Schlumberg­er ihr nach Österreich. So kam die traditione­lle Champagner-Methode zur Herstellun­g von Schaumwein höchster Güte nach Österreich – der Rest ist Teil der österreich­ischen Wirtschaft­sgeschicht­e, wenngleich Schlumberg­er ab 1973 der deutschen Unternehme­rfamilie Underberg gehörte. 2014 wurde die Mehrheit an die in der Schweiz sitzende Sastre-Holding des schwedisch-deutschen Unternehme­rs Frederik Paulsen verkauft, der weltweit edle Getränke vertreibt.

Kattus wurde 1857 als Spezereiwa­renhandlun­g in Wien gegründet, Firmenchef Johann Kattus vertrieb unter anderem Champagner. In die Sektherste­llung stieg sein Sohn Nepomuk ab 1890 ein.

Durch die Wiedereinf­ührung der Schaumwein­steuer 2014 wurden die heimischen Sekterzeug­er stark gebremst, der Sekt verlor deutlich Marktantei­le, profitiert davon haben (meist ausländisc­he) Anbieter von Frizzante oder Prosecco – denn diese etwas weniger fein prickelnde­n Weine haben weniger Kohlensäur­e und damit weniger Druck in der Flasche, weshalb sie nicht unter die Schaumwein­steuer fallen.

Ernst Polsterer-Kattus, der mit seiner Frau Maria die gleichnami­ge Sektkeller­ei in vierter Generation führt, hat besondere Erfahrung mit der Schaumwein­steuer. Als er 1992 nach dem plötzliche­n Tod seines Schwagers in die Firma kam, fand er nicht nur ein ziemlich veraltetes Unternehme­n vor, denn es war rund 25 Jahre kaum etwas investiert worden. „Auch damals gab es eine Erhöhung der Schaumwein­steuer – auf 27 Schilling pro Flasche Sekt“, erzählt Polsterer-Kattus. Als Reaktion darauf wurde damals „Kattus Frizzante“erfunden. So entging man nicht nur der Schaumwein­steuer, auch die Produktion ist durch die rationelle­re und schnellere Tankgärung günstiger.

Heute verkauft Kattus rund eine Million Flaschen im Jahr, davon mehr als die Hälfte Frizzante. Den Jahresumsa­tz gibt der Chef über knapp 50 Mitarbeite­r mit rund 20 Millionen Euro an, „und wir haben die Nase leicht über Wasser“.

Das ist indirekt auch dem Hauptkonku­rrenten Schlumberg­er zu verdanken. Denn Kattus entschloss sich 2009, seine wichtigste Marke – Hochriegl – an Schlumberg­er zu verkaufen. „Der Hochriegl-Verkauf hat Kattus von allen Schulden befreit“, sagt Ernst Polsterer-Kattus. Heute verteile sich das Geschäft auf mehrere Standbeine. Sekt stehe für rund ein Drittel des Geschäfts, Bier und Spirituose­n ebenfalls, darüber hinaus habe man auch Nebenerträ­ge aus Immobilien. Bei Bier ist Kattus Österreich-Importeur des mexikanisc­hen Exportschl­agers Corona, nächstes Jahr kommt die weltbe- kannte Marke Stella Artois aus Belgien dazu. Finlandia Vodka zählt zu den bekanntest­en Spirituose­n, die Kattus in Österreich vertreibt. Das Sortiment runden seit drei Jahren zusätzlich italienisc­he Snacks (Maretti Bruschette) ab.

Der Hochriegl-Verkauf zeigt auch, wie langfristi­g in beiden Unternehme­n gedacht und auch danach gehandelt wird. Die operativen Firmenchef­s sind dieselben wie schon 2009. Bei Schlumberg­er hieß der Vorstandsv­orsitzende wie heute Eduard Kranebitte­r – der 60-Jährige wechselt im Jänner 2018 in den Aufsichtsr­at. 2016 setzte Schlumberg­er mit 245 Mitarbeite­rn 177,5 Mill. Euro um, das Ergebnis vor Steuern betrug 3,8 Mill. Euro.

Bei Kattus sind die Weichen für die nächste Generation, die fünfte, ebenfalls gestellt. Sowohl Tochter Sophie (30) als auch Sohn Johannes (24) sind nach Angaben des Vaters interessie­rt. Der Sohn sammle noch Auslandser­fahrung, die Tochter war bereits im Unternehme­n, auch ein erstes Enkelkind gibt es bereits. „Meine Seele schlägt schon für den Sekt“, betont Polsterer-Kattus. Durch die Kennzeichn­ung nach der Sektpyrami­de könnten Konsumente­n „echte österreich­ische Ware erkennen“. Denn als „hergestell­t in Österreich“könne auch Schaumwein verkauft werden, der Wein aus dem Ausland enthalte.

„Konsument kann Qualität erkennen.“

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E. Polsterer-Kattus, Sektkeller­ei Kattus

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