„Ich bin ein Wettkampftyp“
Wie Skispringer Stefan Kraft den hohen Erwartungen standhält und warum es Nervosität braucht, um erfolgreich zu sein, erzählt der Tournee-Mitfavorit im SN-Interview.
Dass Stefan Kraft weiß, wie man die Vierschanzentournee gewinnt, hat er bei seinem Sieg vor drei Jahren schon ein Mal unter Beweis gestellt. Seitdem hat der 24-jährige Salzburger eine Reihe anderer Skisprung-Trophäen eingesammelt, ist Doppelweltmeister, Gesamtweltcupsieger – und zählt damit natürlich auch bei der 66. Tournee-Auflage zum engsten Favoritenkreis. SN: Mit dem Tourneestart beginnt der Rummel. Sind Sie zumindest zu Weihnachten zur Ruhe gekommen? Stefan Kraft: Ja, ich habe mir drei Tage Ruhe gegönnt, um den Kopf frei zu bekommen. Ich habe gemeinsam mit meiner Familie und meiner Freundin Marisa Weihnachten gefeiert. Jetzt bin ich bereit, es kann losgehen. SN: Vor Weihnachten haben Sie noch ein „Trainingslager“in Garmisch absolviert. Mit welchen Erkenntnissen? Dass ich gut drauf bin, mich auf der Schanze wohlfühle. Ich habe in Garmisch neun lockere Sprünge gemacht, ganz ohne Hektik. Ich habe einen neuen Ski und einen neuen Anzug probiert. Es hat sich alles richtig angefühlt, nur die Farbe des Sprunganzugs ist gewöhnungsbedürftig: silber mit lachsrosa. (lacht) SN: Sie haben in dieser Saison drei Podestplätze, aber noch keinen Weltcupsieg zu Buche stehen. Die Ausgangssituation erinnert frappant an das Vorjahr. Und da haben Sie das Tourneespringen in Oberstdorf ... ... gewonnen, ich weiß. Es ist tatsächlich mit der vergangenen Saison zu vergleichen. Ich habe gute Leistungen und konstante Sprünge gezeigt, aber es war noch kein perfekter Wettkampf dabei, wo wirklich alles gepasst hat. Trotzdem bin ich ganz vorn dabei, was mir zeigt: Ich brauche mir keine Sorgen zu machen. SN: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Tournee? Ausnahmslos positive. Mit Rang drei in Bischofshofen (2013, Anm.) ist mir der Durchbruch gelungen, zwei Jahre später habe ich die Tournee gewonnen. Ich mag die Tourneeschanzen, ich mag die Wettkampforte. Mir gefällt, wenn es richtig zur Sache geht und dass viele Zuschauer kommen. SN: Erhöht das aber nicht auch gleichzeitig den Druck? Klar kribbelt es noch einmal mehr als bei einem gewöhnlichen Weltcupspringen. Aber diese Nervosität brauche ich. Aus Erfahrung kann ich sagen: Je aufgeregter ich war, umso besser bin ich gesprungen. SN: Was ist größer: der Leistungsdruck, den Sie sich selbst auferlegen, oder der, der von außen an Sie herangetragen wird? In erster Linie mache ich mir selbst Druck, weil ich ja eine gewisse Erwartungshaltung an mich selbst habe. Von außen habe ich diesen Druck nie so richtig gespürt, was mich vielleicht von anderen Sportlern unterscheidet. SN: Angenommen, Sie sitzen beim Tourneefinale in Bischofshofen im zweiten Durchgang als Letzter am Zitterbalken. Welcher Film spielt sich da in Ihrem Kopf ab? Dass ich im ersten Durchgang schon vieles richtig gemacht haben muss und mir deshalb klar sein sollte, was ich zu tun habe. Aber natürlich spielt man in so einer Situation alle möglichen Szenarien durch. Sollte die Nervosität zu groß werden, versuche ich mich abzulenken, unterhalte mich mit den Vorspringern oder dem Ablasser. In Bischofshofen habe ich den Vorteil, dass ich die alle persönlich kenne. (lacht) SN: Sie verzichten als einer von wenigen Springern auf einen Mentaltrainer. Woher kommt denn Ihre Souveränität? Ich denke, das muss in dir drin sein. Ich war immer schon ein Wettkampftyp. Wenn ich weiß, dass ich alles für den Erfolg getan habe und auch mein Team um mich herum das Beste getan hat, dann finde ich auch die innere Ruhe, die es im Skispringen braucht.
„Mit der Tournee verbinde ich ausnahmslos positive Erinnerungen.“
SN: Wie lautet Ihre persönliche Zielsetzung für die Tournee? Ich würde mir schon wünschen, dass ich noch Chancen auf den Gesamtsieg habe, wenn der ganze Tross zu meinem Heimspringen nach Bischofshofen zieht. Daheim will ich voll zuschlagen. Ein bisher noch unerreichtes Ziel ist es ja, einmal ein Heimspringen zu gewinnen. Dazu gilt es vor allem Richie Freitag zu schlagen. Der ist derzeit auf einer ähnlichen Welle, wie ich es in der zweiten Hälfte der letzten Saison war. Noch dazu ist er vor Kurzem nach Oberstdorf umgezogen und genießt zum Tourneestart sozusagen doppelten Heimvorteil. Programm Oberstdorf