Lektüre, die aus unverdienter Schattenexistenz treten muss
Heuer wurde auf drei wichtige österreichische Romane vergessen. Hier tauchen sie zum Jahresende auf.
Bemerkenswerte Bücher führen eine unverdiente Schattenexistenz. Deshalb wird hier auf drei Autoren aus Österreich aufmerksam gemacht, deren 2017 erschienene Bücher vernachlässigt worden sind. Rosemarie Poiarkov, Jahrgang 1974, ist das Pech widerfahren, dass ihr Roman „Aussichten sind überschätzt“als Buch ihrer Generation aufgenommen wurde. Damit hat sie schon verloren. Hätte sie ein solches tatsächlich im Sinn gehabt, wäre es vollkommen missraten. Sie aber will etwas anderes. Gewiss steht Luise, in prekärem Arbeitsverhältnis gefangen, für eine Generation der begrenzten Sicherheit. Aber sie und ihr Freund Emil sind mit historischem Gedächtnis ausgestattet. So weitet sich der Roman zu einer Familiengeschichte, die in die Nazijahre ausgreift, und dank einer alten Tonaufnahme auf einem Wachszylinder kommt es zum vorsichtigen Stochern in den Tiefen der Zeitgeschichte. Damit hat man den Roman noch immer nicht gefasst, kommt in ihm doch dem Hören eine besondere Rolle zu. Emil arbeitet in einem Tonarchiv und sammelt Aufnahmen des Ungehörten, wenn er sich aufs Eis eines Gewässers legt, um Geräusche aus der Tiefe aufzunehmen. Natürlich brennt er darauf, dem Wachszylinder sein Geheimnis zu entlocken. Geräusche, Gesprochenes, Musiziertes sind flüchtige Erscheinungen. Im Buch füllen sie die Menschen aus und nähren ihre Fantasien.
Mit Herbert Sklenka kommen wir im Roman „Chamäleonhimmel“nach Afrika. Die Weißen haben sich abgeschottet von den Einheimischen, die zu den Armen gehören und deshalb verachtet werden. Die Habenichtse und die Satten, das ergibt vorerst eine Geschichte des Konflikts. Dann nimmt die Erzählung einen zynischen Tonfall an, der der Haltung der Weißen entspricht, für die alle anderen Gesindel sind. Macht und Ohnmacht prallen aufeinander, und die Mächtigen bekommen recht, weil ihre Perspektive eingenommen wird. Schnitt. Wir befinden uns unter Nomaden, die sich mit kläglichen Zirkusaufführungen ein karges Leben holen. Unter ihnen die junge Bijou. Sie ist intelligent und ambitioniert, sie schafft es unter die Weißen. „Bijou hob den Revolver.“So endet der Roman. Es scheint so, als ob sie auf einen schwarzen Dieb schießen würde. Mit dieser Form der Integration macht sie Schluss mit der eigenen Geschichte.
Vernünftig ist das nicht und vernünftig geht es auch bei Leonie Hodkevitch nicht zu. Ihr Roman „Der Stadlbauer“spielt im Mostviertel. Aber in welchem! Die Zivilisation ist nur spärlich vorgedrungen. Ein Paar sucht den Heimatort von Kilian auf. Die Zeit läuft hier anders, wenn nicht gar rückwärts. So abgeschottet und verwildert, wie die Menschen dort leben, wirken sie aus der Geschichte gefallen. Kein Wunder, dass Mythos und Legenden sich stärker erweisen als all das, was uns die Aufklärung hinterlassen hat. Eine Atmosphäre des hinterwäldlerisch Unheimlichen spannt Hodkevitch auf und mittendrin ein Paar, das davon aufgefressen zu werden droht. Bücher:
Rosemarie Poiarkov, „Aussichten sind überschätzt“, Residenz, Salzburg 2017. Herbert Sklenka, „Chamäleonhimmel“, Müry Salzmann, Salzburg 2017. Leonie Hodkevitch, „Der Stadlbauer“, Edition Keiper, Graz 2017.