Die dunkle Seite der Macht
Nicht jeder Manager ist eine Lichtgestalt. Viele leiden an Persönlichkeitsstörungen, sind Narzissten oder im schlimmsten Fall sogar Psychopathen.
Und wieder einmal dient Donald Trump als Beispiel, als schlechtes Beispiel wohlgemerkt. Denn wenn es um Narzissmus im Management geht, ist der amerikanische Präsident für viele das eindrucksvollste Beispiel dafür. Doch es ist nicht nur eine Störung wie der Narzissmus, der auf der obersten Ebene oftmals ein fixes Plätzchen hat.
Was macht aus aufrechten Managern korrupte Betrüger? Der Leadership-Experte und WU-Professor Günter Stahl und Stephan Doering, Leiter der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien, haben sich den schmalen Grat zwischen Narzissmus und Psychopathentum im Topmanagement genauer angesehen. Im seinem aktuellen Forschungsprojekt „Responsibility & Leadership“beschäftigte sich Stahl mit einer in der Forschung etablierten Theorie, dass es sich bei korrupten Managern meist um Psychopathen handelt. „Wir haben uns angeschaut, welche Faktoren maßgeblich sind für verantwortungsvolles und verantwortungsloses Verhalten“, sagt Stahl. Gerade in Hinsicht auf Psychopathen hat sich Stahl jene Manager angeschaut, die es in den vergangenen Jahren weltweit in die negativen Schlagzeilen geschafft haben und die zumeist auch im Gefängnis landeten. Dass es sich dabei aber um Psychopathen im klinischen Sinn handelt, glaubt der Experte nicht. „Ich arbeite viel mit dem Topmanagement und da ist es unwahrscheinlich, dass es ein echter Psychopath bis dahin geschafft hätte.“Es gebe zwar auch eine umgangssprachliche Definition, doch die zähle bei einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht. Stahl arbeitete mit einer von Robert D. Hare, einem führenden Psychopathenforscher, entwickelten Untersuchungsmethode mit 20 Skalen. „Wir hatten aber das Problem, dass die Betroffenen im Gefängnis saßen und für eine echte Untersuchung nicht zur Verfügung standen“, erzählt Stahl. Deshalb haben er und sein Team Tausende Seiten mit Unterlagen, vom Schulheft bis zu Gerichtsakten durchforstet, um sich ein Bild machen zu können. Stahl: „Psychopathen manifestieren sich sehr früh im Leben. Wenn er also erst mit 50 auffällig wird, ist das nicht wahrscheinlich.“Wer aber schon als Kind ein „schwarzes Schaf“war, andere Kinder verprügelte etc., wäre ein Kandidat. Stahl und sein Team haben sechs Manager analysiert, vier aus den USA und zwei aus Europa. Darunter war Richard Fuld, ehemals CEO von Lehman Brothers, ebenso wie der frühere Bertelsmann- und Arcandor-Manager Thomas Middelhoff.
Stahls Analyse: „Einige zeigten milde Spuren von Psychopathie, aber keiner hatte hohe Werte.“Für eine klinische Einstufung als Psychopath müsste einem Menschen etwa Einfühlungsvermögen und ein schlechtes Gewissen völlig fehlen. „Sie leben oft auch parasitär, also von den Erträgen anderer Leute, und haben eine reduzierte Impulskontrolle“, ergänzt Stahl. Das heißt, sie werden bei geringsten Anlässen sofort gewalttätig. Außerdem lügen Psychopathen wie gedruckt und bauen sich gern eine Fassade gegenüber der Umwelt auf, was dann oft als charismatisch betrachtet wird. Und es fehlt ihnen an Antrieb.
Stahl: „Wir haben zwar manche Merkmale gefunden, etwa verringertes Einfühlungsvermögen, aber vieles auch gar nicht.“Dazu gehört die fehlende Impulskontrolle, das schlechte Gewissen oder die Antriebslosigkeit. „Ganz im Gegenteil“, sagt der Experte, der auch Psychologe ist: „Die meisten sind Workaholics und extrem ehrgeizig.“
Anders schaut es beim Thema Narzissmus aus. Der finde sich bei den sechs untersuchten Personen viel eher. „Narzissmus ist ein ganz anderes Störungsbild“, weiß Stahl. Generell haben Narzissten ein extrem übersteigertes Selbstwertgefühl, suchen ständig nach Bestätigung ihrer Umwelt und sind sehr dünnhäutig gegenüber Kritik. Stahl: „Trump ist hier der Prototyp.“Narzissten und Psychopathen hätten also wenig gemeinsam. Während Psychopathen nie zum Vorteil einer Firma agieren können, ist das bei Narzissten jedoch durchaus möglich. „Steve Jobs, der Apple-Gründer, war ein hochgradiger Narzisst, das hat sich aber nicht schlecht auf das Unternehmen ausgewirkt.“Eine gewisse Dosis an Narzissmus sei gesund und für Führungskräfte unabdingbar. Die Kombination von Charisma und Narzissmus sei hingegen toxisch, sagt Stahl. „Solche Manager manipulieren andere und schaden ihnen, um ihre Ziele zu erreichen.“Andererseits seien viele großartige Manager ziemlich gewöhnliche Leute.
Bei den sechs untersuchten Topmanagern habe er aber auch festgestellt, dass deren Versagen nicht nur in ihrem eigenen Charakter zu finden gewesen sei, sondern auch im Umfeld. Stahl: „Wir haben gesehen, dass die Organisation das Verhalten dann zusätzlich noch beeinflusst hat, etwa durch ein extrem kompetitives Umfeld, das Gehaltssystem, das Fehlen von Diversität oder das Versagen der Aufsichtsräte.“Oft finden sich in solchen Firmen zwar die „Sonntagsreden“der Manager, die tatsächlich gelebten Werte sehen im Alltag anders aus. Stahl: „Das hat Auswirkungen bis auf die unterste Ebene, denn die Mitarbeiter merken ganz schnell, was an den Reden wirklich dran ist. Und wenn sich der Manager nicht an die Werte hält, dann machen das die Mitarbeiter auch nicht. Das ist für die Unternehmenskultur dann verheerend.“