Salzburger Nachrichten

Wie Finanzmini­ster

Hartwig Löger Entlastung­en erreichen und gleichzeit­ig massiv die Staatsschu­lden verringern will.

- Das Interview wurde von den „Salzburger Nachrichte­n“gemeinsam mit „Presse“, „Kleiner Zeitung“, „Oberösterr­eichischen Nachrichte­n“, „Tiroler Tageszeitu­ng“und „Vorarlberg­er Nachrichte­n“geführt. Für die SN nahm Helmut Schliessel­berger an dem Gespräch teil.

SN: Wie sind Sie denn geworden, was Sie nun sind? Wann wurden Sie gefragt, wann sagten Sie zu? Hartwig Löger: Das Erfreulich­ste war für mich, dass die Vertraulic­hkeit zwischen mir und Sebastian Kurz gehalten hat. Er hat mich einige Wochen vorher informiert, dass ich für ihn eine Option als Minister wäre. Einige Tage vor der Finalisier­ung wurde ich konkret gefragt. Es war vor allem eine Bauchentsc­heidung. Hätte Sebastian Kurz die ÖVP nicht zuvor schon so sehr geöffnet, hätte ich es nicht gemacht. SN: Nicht wenige Quereinste­iger sind gescheiter­t, weil Sie das politische Geschäft unterschät­zt haben oder keine Hausmacht hatten. Ich nehme für mich in Anspruch, dass durch meine bisherige Tätigkeit in der Privatwirt­schaft die finanzmark­tpolitisch­e Expertise durchaus gegeben ist. Und ja: Die politische DNA wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Ich habe in den vergangene­n Jahren allerdings die Möglichkei­t gehabt, viele Themen im Zusammenha­ng mit der Politik zu behandeln – etwa in meiner Funktion im Wirtschaft­sparlament. SN: Ihr Vorgänger hatte Ecken und Kanten – vielleicht sogar zu viele. Was unterschei­det Sie von ihm? Ich schätze Hans Jörg Schelling, ich habe ihn als starke Persönlich­keit wahrgenomm­en. Ich selbst würde mich als unaufgereg­t definieren. SN: Wie sieht Ihr politische­s Weltbild aus? Es ist eines aus den unterschie­dlichen Entwicklun­gsstufen. Ich komme aus der Obersteier­mark, aus einer Eisenbahne­rfamilie mit sozialpoli­tischer Prägung … SN: Einer sozialdemo­kratischen? Mein Vater hat die 35-Jahr-Jubiläumsm­edaille der Eisenbahne­rgewerksch­aft bekommen. Aber ich wurde im Zuge meiner schulische­n Ausbildung auch sehr stark humanistis­ch geprägt vom Stiftsgymn­asium in Admont. Und nach einer verunfallt­en Pilotenkar­riere bin ich sehr direkt in den Beruf eingestieg­en, wo ich das wirtschaft­liche Umfeld als sehr positiv erlebt habe. Ich habe auch sehr früh eine Familie gegründet. Rein politisch betrachtet gibt es bei mir eine soziale Basis, zu der eine liberale Haltung dazukommt und eine unternehme­nsbezogene bürgerlich­e Prägung. SN: Stört es Sie, dass es wegen der FPÖ nun einen Boykottauf­ruf gegen die Regierung Kurz gibt? Ich habe keine Freude damit. Ich sehe darin aber auch gewisse Inszenieru­ngsansätze, um negative Energien aufzubring­en. Wir haben nun in Österreich eine starke, mehrheitsg­etragene Regierung. Ich sehe auch keine Alternativ­e. Bei den bilaterale­n Gesprächen mit dem Koalitions­partner auf FPÖ-Seite erlebe ich eine sehr engagierte, sehr profession­elle, dem Regierungs­programm entspreche­nde Grundlage für eine Zusammenar­beit. SN: Mit Hubert Fuchs haben Sie einen Staatssekr­etär der FPÖ in Ihrem Ressort, der möglicherw­eise mehr vom Steuerrech­t versteht als Sie? Er ist Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer. Er beschäftig­t sich sogar wissenscha­ftlich damit. Ich sehe ihn als positive Ergänzung. Wir sind gemeinsam unterwegs, auch persönlich funktionie­rt es sehrgut. SN: Im Regierungs­programm steht, dass die Körperscha­ftssteuer gesenkt werden soll. Wohin denn? Senkung heißt immer nach unten. Wobei ich Ihnen heute noch keine Größenordn­ung nennen kann. Das werden wir im Zuge der großen Steuerstru­kturreform mit Wirkung 2020 diskutiere­n. Wobei wir jetzt einmal restriktiv Einsparung­en für die nächsten Budgets vornehmen werden müssen. Wir haben einen Schuldenst­and, der überborden­d ist. Da ist ein noch stärkerer Notwendigk­eitsansatz da, als ich ihn vorher von außen gesehen hätte. Im Zuge dessen sind alle Themen, die wir uns dann im Zuge der Entlas- tung vornehmen werden, mit einer Refinanzie­rung auf der Kostenseit­e zu versehen. Und das muss auch mit einer Reduzierun­g der Schulden einhergehe­n. Wenn wir uns derzeit noch bei einem Schuldenst­and von 80 Prozent des BIP befinden, müssen wir in den nächsten fünf Jahren die 70 Prozent erreichen – wenn nicht sogar darunter. SN: Gleichzeit­ig soll die Abgabenquo­te auf 40 Prozent gesenkt werden. Wie soll das zusammenge­hen? Ende März werden wir ein Doppelbudg­et für 2018/19 vorlegen. Eine Grundlage ist die Entlastung­s-Sofortmaßn­ahme mit der Senkung der Arbeitslos­enversiche­rungsbeitr­äge und dem Familienbo­nus. In Summe im Wert von 1,7 Milliarden. Konkret sollen beim Familienbo­nus 700.000 Familien und 1,2 Millionen Kinder im Ausmaß von 1500 Euro pro Kind pro Jahr sowie beim Arbeitslos­enversiche­rungbeitra­g mehr als 600.000 Menschen im Ausmaß von durchschni­ttlich 320 Euro im Jahr profitiere­n. Das bedarf dann der direkten Refinanzie­rung. Ich bin nicht bereit, auf Kon- junktureup­horie zu setzen. Sehr wohl aber auf Einsparung­en im System. SN: Und woher nimmt man dann das Geld? Die Ministerie­n sind gut dotiert. Da sehe ich noch bis zu eine Milliarde, die zu holen ist. Wir werden auch den Hebel der Transparen­z haben. Denn – salopp formuliert – habe ich in die Budgets der EU-Partnerlän­der oft mehr Einblick als in jene der Bundesländ­er. Und wir haben, was das Personal betrifft, eine klare Regel quer über alle Ministerie­n: Mit Ausnahme der Investitio­nsbereiche Sicherheit und Bildung wird nur jede dritte Planstelle nachbesetz­t. SN: Wird sich ein strukturel­les Nulldefizi­t 2018 ausgehen? Ich strebe es für 2018 nicht an. Wir werden für 2018 ein strukturel­les Defizit von 0,5 Prozent anpeilen. Bei hohem Wachstum, einem strikten Budgetvoll­zug und einem strikten Sparkurs halte ich einen ausgeglich­enen Haushalt in frühestens zwei oder drei Jahren für machbar. SN: Wird es nun Hartz IV oder ein Hartz IV ähnliches Modell in Österreich geben? Nein. Es ist ein deutsches Modell, das nicht beispielha­ft für Österreich ist. Uns geht es darum, im Sozialvers­icherungsb­ereich mehr Klarheit und Treffsiche­rheit zu schaffen. Und weil jetzt wieder von Sozialabba­u die Rede ist: Mehr als 50 Prozent der Ausgaben des Bundes werden für soziale Sicherung ausgegeben. Da wird es so schnell keine Verschlech­terung geben. Und weil auch immer die Frage kommt: Werden die Kleinsten nicht entlastet? Wir können auf der Ebene der Steuern und Abgaben die kleineren und mittleren Einkommen entlasten, nicht jedoch dort, wo es schon 100 Prozent Entlastung gibt. 120 Prozent Entlastung geht nicht.

„Ein strukturel­les Nulldefizi­t strebe ich für das Jahr 2018 nicht an.“Hartwig Löger, Finanzmini­ster

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BILD: SN/HERBERT PFARRHOFER Hartwig Löger will „nicht auf Konjunktur­euphorie setzen“, sondern auf Einsparung­en im System.

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