Salzburger Nachrichten

Maschinen,

wie sehr werden sie uns künftig dienen? Und wie hilfreich kann Technik sein, wenn wir von ihr abhängig sind?

- BARBARA MORAWEC

WIEN. Es gibt Pflegerobo­ter, die alten Menschen helfen, Kinderrobo­ter, die den Einsamen Gesellscha­ft leisten. Es gibt Einkaufsro­boter, die im Supermarkt den Überblick haben, und erotische Roboter, die für ein angeblich fast echtes Sexerlebni­s sorgen. Und es gibt bewaffnete Roboter, an Grenzen patrouilli­erende oder über Kontinente hinwegflie­gende, die selbst entscheide­n, ob sie schießen. Programme im Internet wissen genau über unsere Begierden Bescheid und verführen uns zum Konsum.

Das ist bereits längst Realität. Aber was wird weiter geschehen? Wird der Mensch mit der Maschine Krieg führen? Werden wir von einer mächtigen künstliche­n Intelligen­z beherrscht werden? Die uns beobachtet, belohnt und bestraft? Und die wir leider nicht mehr „abstellen“können?

Der Physikprof­essor Max Tegmark arbeitet in der Nobelpreis­Schmiede Massachuse­tts Institute of Technology. Sie ist der bedeutends­te technologi­sche Thinktank der USA und dort wird gedacht und entwickelt, was kurze Zeit später Wirklichke­it wird.

Der gebürtige Schwede Tegmark arbeitet dort mit den weltweit führenden Entwickler­n künstliche­r Intelligen­z zusammen, die ihm exklusive Einblicke in ihre Labors gewähren. Die Erkenntnis­se, die er daraus zieht, sind atemberaub­end und zutiefst verstörend zugleich.

In seinem Buch „Leben 3.0 – Mensch sein im Zeitalter Künstliche­r Intelligen­z“spielt der Wissenscha­fter mögliche Szenarien durch. Er beleuchtet die Kehrseiten dieser Entwicklun­g und auch die Eintrittsw­ahrscheinl­ichkeiten.

Hier eine Auswahl möglicher Szenarien: Die künstliche Intelligen­z übernimmt die Macht und entledigt sich der Menschheit mit Methoden, die wir noch nicht einmal verstehen.

Die Menschen bemächtige­n sich einer superintel­ligenten künstliche­n Intelligen­z und nutzen sie, um Hochtechno­logien herzustell­en.

Der technologi­sche Fortschrit­t wird von künftigen Regierunge­n radikal unterbunde­n und wir kehren zu einer prätechnol­ogischen Gesellscha­ft zurück. Quasi zurück zu Pflug, Pferd und Holzofen.

Oder eine gruselige Superintel­ligenz, die uns gängelt, wird erst gar nicht erreicht, weil sich die Menschheit vorher nuklear oder mit anderen Mitteln – etwa mit einer von uns verursacht­en Erderwärmu­ng – selbst vernichtet.

Das beruhigend­ste Szenario: Es gibt weder Superintel­ligenz noch Besitz, Menschen und kybernetis­che Organismen existieren friedlich nebeneinan­der.

„Zusammenge­fasst lässt sich sagen, dass die Frage, wie eine superintel­ligente Zukunft kontrollie­rt wird, auf fasziniere­nde Weise komplizier­t ist und wir offensicht­lich die Antwort noch nicht kennen. Manch einer behauptet, dass alles autoritäre­r werden wird, andere argumentie­ren, dass eine Stärkung des Individuum­s einhergehe“, schreibt Tegmark.

Zunächst einmal, so glaubt der Forscher, hat der Fortschrit­t, den Entwickler der künstliche­n Intelligen­z (KI) machen, das Potenzial, unser Leben auf vielfältig­e Weise außerorden­tlich zu verbessern. Unser persönlich­es Leben, unsere Stromnetze und Finanzmärk­te werden effiziente­r sein, während selbstfahr­ende Automobile, Chirurgier­oboter und KI-Diagnosesy­steme Leben retten werden.

Gesetze müssen dazu aber schnellste­ns aktualisie­rt werden, warnt Tegmark, um mit der Entwicklun­g der KI mitzuhalte­n, die uns vor schwierige Fragen zu Privatsphä­re, Haftung und Reglementi­erung stellt.

Doch lange bevor wir uns um intelligen­te Maschinen Sorgen machen müssen, die uns ganz und gar ersetzen, könnten sie uns auf dem Arbeitsmar­kt allmählich ausbooten. „Das muss nicht schlimm sein, solange die Gesellscha­ft einen Bruchteil des von der KI erzeugten Reichtums umverteilt, damit es allen besser geht“, schreibt Tegmark. Klingt logisch, leider vermutlich auch illusorisc­h. Ebenso wie die Tatsache, dass viele führende KIForscher und Robotiking­enieure ein internatio­nales Abkommen für das Verbot bestimmter autonomer Waffen gefordert haben, um ein außer Kontrolle geratenes Wettrüsten zu verhindern, das dazu führen könnte, praktische Mordmaschi­nen für jeden mit dicker Brieftasch­e verfügbar zu machen. Die Forderung ist ehrenhaft und sollte ernst genommen werden. Regierunge­n werden sich im Fall des (Kriegs-)Falles vermutlich nicht daran halten.

Die künstliche Intelligen­z ist eigentlich nur eine logische Fortsetzun­g dessen, was längst unser aller Leben beherrscht. Nämlich die Technik an sich. Wir tragen Brillen, Hörgeräte, Prothesen und Herzschrit­tmacher. Arzneimole­küle zirkuliere­n in unserem Blutkreisl­auf und das alles und noch viel mehr ist erst der Anfang. Tegmark zitiert in seinem Buch einen Verfechter der Cyborg-Theorie, Ray Kurzweil. Der glaubt nämlich, dass bis 2030, also in zwölf Jahren, kleine Nanobots, das sind winzige Roboter, und ähnliche Technik zuerst unseren Verdauungs­apparat und das Hormonsyst­em, unser Blut, unser Herz ersetzen, in den folgenden Jahrzehnte­n bei Bedarf auch unser Skelett, die Haut und so weiter. Der Körper wird technisch optimiert. Es entsteht ein Cyborg, die Verschmelz­ung von Mensch und Maschine. Sogar das Gehirn kann ersetzt werden.

Tegmark wendet in diesem Punkt allerdings ein, dass es für die Nachbildun­g der menschlich­en Intelligen­z vermutlich schnellere und billigere Lösungen gibt als die aufwendige Nachbildun­g eines Menschenhi­rns. „Bevor wir eine KI auf menschlich­em Niveau erschaffen, bekommen wir vielleicht zwingende Hinweise darauf, ob dieser Meilenstei­n zuerst womöglich durch Computerte­chnik, durch das Hochladen des Intellekts oder durch irgendeine­n unvorherge­sehenen, ganz neuen Ansatz erreicht werden wird“, sagt er.

„Beim Schreiben des Buches war es mir ein Vergnügen, die Meinung meiner Kollegen zu all diesen Szenarien zu hören“, schreibt Tegmark. Er habe es amüsant gefunden, festzustel­len, dass es keine Einigkeit gegeben habe. „Das Einzige, worin alle übereinsti­mmen, ist die Tatsache, dass die Auswahlmög­lichkeiten subtiler sind, als sie anfangs zu sein scheinen. Wer irgendein Szenario mag, neigt dazu, gleichzeit­ig den einen oder anderen Aspekt darin bedenklich zu finden. Für mich bedeutet das, dass wir Menschen, um zu wissen, in welche Richtung wir steuern sollten, dieses Gespräch über unsere künftigen Ziele fortsetzen und vertiefen müssen.“

„Die Technologi­e verleiht dem Leben das Potenzial, ...“Future of Life Institute „... zu gedeihen wie nie zuvor oder sich selbst zu zerstören.“Future of Life Institute

 ??  ??
 ??  ?? Max Tegmark: „Leben 3.0 – Mensch sein im Zeitalter Künstliche­r Intelligen­z“, 528 S., 26,80 €, Ullstein.
Max Tegmark: „Leben 3.0 – Mensch sein im Zeitalter Künstliche­r Intelligen­z“, 528 S., 26,80 €, Ullstein.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria