Maschinen,
wie sehr werden sie uns künftig dienen? Und wie hilfreich kann Technik sein, wenn wir von ihr abhängig sind?
WIEN. Es gibt Pflegeroboter, die alten Menschen helfen, Kinderroboter, die den Einsamen Gesellschaft leisten. Es gibt Einkaufsroboter, die im Supermarkt den Überblick haben, und erotische Roboter, die für ein angeblich fast echtes Sexerlebnis sorgen. Und es gibt bewaffnete Roboter, an Grenzen patrouillierende oder über Kontinente hinwegfliegende, die selbst entscheiden, ob sie schießen. Programme im Internet wissen genau über unsere Begierden Bescheid und verführen uns zum Konsum.
Das ist bereits längst Realität. Aber was wird weiter geschehen? Wird der Mensch mit der Maschine Krieg führen? Werden wir von einer mächtigen künstlichen Intelligenz beherrscht werden? Die uns beobachtet, belohnt und bestraft? Und die wir leider nicht mehr „abstellen“können?
Der Physikprofessor Max Tegmark arbeitet in der NobelpreisSchmiede Massachusetts Institute of Technology. Sie ist der bedeutendste technologische Thinktank der USA und dort wird gedacht und entwickelt, was kurze Zeit später Wirklichkeit wird.
Der gebürtige Schwede Tegmark arbeitet dort mit den weltweit führenden Entwicklern künstlicher Intelligenz zusammen, die ihm exklusive Einblicke in ihre Labors gewähren. Die Erkenntnisse, die er daraus zieht, sind atemberaubend und zutiefst verstörend zugleich.
In seinem Buch „Leben 3.0 – Mensch sein im Zeitalter Künstlicher Intelligenz“spielt der Wissenschafter mögliche Szenarien durch. Er beleuchtet die Kehrseiten dieser Entwicklung und auch die Eintrittswahrscheinlichkeiten.
Hier eine Auswahl möglicher Szenarien: Die künstliche Intelligenz übernimmt die Macht und entledigt sich der Menschheit mit Methoden, die wir noch nicht einmal verstehen.
Die Menschen bemächtigen sich einer superintelligenten künstlichen Intelligenz und nutzen sie, um Hochtechnologien herzustellen.
Der technologische Fortschritt wird von künftigen Regierungen radikal unterbunden und wir kehren zu einer prätechnologischen Gesellschaft zurück. Quasi zurück zu Pflug, Pferd und Holzofen.
Oder eine gruselige Superintelligenz, die uns gängelt, wird erst gar nicht erreicht, weil sich die Menschheit vorher nuklear oder mit anderen Mitteln – etwa mit einer von uns verursachten Erderwärmung – selbst vernichtet.
Das beruhigendste Szenario: Es gibt weder Superintelligenz noch Besitz, Menschen und kybernetische Organismen existieren friedlich nebeneinander.
„Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Frage, wie eine superintelligente Zukunft kontrolliert wird, auf faszinierende Weise kompliziert ist und wir offensichtlich die Antwort noch nicht kennen. Manch einer behauptet, dass alles autoritärer werden wird, andere argumentieren, dass eine Stärkung des Individuums einhergehe“, schreibt Tegmark.
Zunächst einmal, so glaubt der Forscher, hat der Fortschritt, den Entwickler der künstlichen Intelligenz (KI) machen, das Potenzial, unser Leben auf vielfältige Weise außerordentlich zu verbessern. Unser persönliches Leben, unsere Stromnetze und Finanzmärkte werden effizienter sein, während selbstfahrende Automobile, Chirurgieroboter und KI-Diagnosesysteme Leben retten werden.
Gesetze müssen dazu aber schnellstens aktualisiert werden, warnt Tegmark, um mit der Entwicklung der KI mitzuhalten, die uns vor schwierige Fragen zu Privatsphäre, Haftung und Reglementierung stellt.
Doch lange bevor wir uns um intelligente Maschinen Sorgen machen müssen, die uns ganz und gar ersetzen, könnten sie uns auf dem Arbeitsmarkt allmählich ausbooten. „Das muss nicht schlimm sein, solange die Gesellschaft einen Bruchteil des von der KI erzeugten Reichtums umverteilt, damit es allen besser geht“, schreibt Tegmark. Klingt logisch, leider vermutlich auch illusorisch. Ebenso wie die Tatsache, dass viele führende KIForscher und Robotikingenieure ein internationales Abkommen für das Verbot bestimmter autonomer Waffen gefordert haben, um ein außer Kontrolle geratenes Wettrüsten zu verhindern, das dazu führen könnte, praktische Mordmaschinen für jeden mit dicker Brieftasche verfügbar zu machen. Die Forderung ist ehrenhaft und sollte ernst genommen werden. Regierungen werden sich im Fall des (Kriegs-)Falles vermutlich nicht daran halten.
Die künstliche Intelligenz ist eigentlich nur eine logische Fortsetzung dessen, was längst unser aller Leben beherrscht. Nämlich die Technik an sich. Wir tragen Brillen, Hörgeräte, Prothesen und Herzschrittmacher. Arzneimoleküle zirkulieren in unserem Blutkreislauf und das alles und noch viel mehr ist erst der Anfang. Tegmark zitiert in seinem Buch einen Verfechter der Cyborg-Theorie, Ray Kurzweil. Der glaubt nämlich, dass bis 2030, also in zwölf Jahren, kleine Nanobots, das sind winzige Roboter, und ähnliche Technik zuerst unseren Verdauungsapparat und das Hormonsystem, unser Blut, unser Herz ersetzen, in den folgenden Jahrzehnten bei Bedarf auch unser Skelett, die Haut und so weiter. Der Körper wird technisch optimiert. Es entsteht ein Cyborg, die Verschmelzung von Mensch und Maschine. Sogar das Gehirn kann ersetzt werden.
Tegmark wendet in diesem Punkt allerdings ein, dass es für die Nachbildung der menschlichen Intelligenz vermutlich schnellere und billigere Lösungen gibt als die aufwendige Nachbildung eines Menschenhirns. „Bevor wir eine KI auf menschlichem Niveau erschaffen, bekommen wir vielleicht zwingende Hinweise darauf, ob dieser Meilenstein zuerst womöglich durch Computertechnik, durch das Hochladen des Intellekts oder durch irgendeinen unvorhergesehenen, ganz neuen Ansatz erreicht werden wird“, sagt er.
„Beim Schreiben des Buches war es mir ein Vergnügen, die Meinung meiner Kollegen zu all diesen Szenarien zu hören“, schreibt Tegmark. Er habe es amüsant gefunden, festzustellen, dass es keine Einigkeit gegeben habe. „Das Einzige, worin alle übereinstimmen, ist die Tatsache, dass die Auswahlmöglichkeiten subtiler sind, als sie anfangs zu sein scheinen. Wer irgendein Szenario mag, neigt dazu, gleichzeitig den einen oder anderen Aspekt darin bedenklich zu finden. Für mich bedeutet das, dass wir Menschen, um zu wissen, in welche Richtung wir steuern sollten, dieses Gespräch über unsere künftigen Ziele fortsetzen und vertiefen müssen.“
„Die Technologie verleiht dem Leben das Potenzial, ...“Future of Life Institute „... zu gedeihen wie nie zuvor oder sich selbst zu zerstören.“Future of Life Institute