Salzburger Nachrichten

Der Einfluss wächst

Peking versucht die Meinungsbi­ldung in den Demokratie­n zu beeinfluss­en. Das funktionie­rt nicht nur über den Hebel der Investitio­nen.

- Finn Mayer-Kuckuk AUSSEN@SN.AT

China nutzt den Rückzug der USA, sei es im Handel oder der Klimapolit­ik. Die fernöstlic­he Weltmacht ist längst ein Technologi­eführer.

Nur die endgültige Regelung der Frauenquot­e im Parlament bremst noch die Wahl der neuen Regierung, doch die Koalition steht schon fest: Ab Jänner herrschen in Nepal die Vereinigte­n Marxisten-Leninisten gemeinsam mit dem Maoistisch­en Zentrum. Der Staat im Himalaya rückt damit an das kommunisti­sche China heran. Aus Sicht des langjährig­en Verbündete­n Indien ist klar, dass der Nachbar im Norden seine Finger im Spiel hatte – mit Geld, mit Beeinfluss­ung der öffentlich­en Meinung. Fest steht auf jeden Fall: Bei der Wahl in Nepal haben auch die Strategen in Peking gewonnen.

China dehnt seinen Einfluss rund um den Globus schnell und konsequent aus. Wirtschaft­licher Druck, Cyberangri­ffe und bezahlte Propaganda gehören ebenso zu den Instrument­en der Führung in Peking wie das Anwerben von Fürspreche­rn und Spionen im Ausland. Der Apparat spannt zunehmend auch Überseechi­nesen für seine Zwecke ein. Für all das stehen enorme Ressourcen zur Verfügung: China ist das kapitalstä­rkste Land der Welt – und seine zahlreiche­n Sicherheit­sdienste wetteifern darum, wer die eigenen Ziele am effektivst­en durchsetzt.

In Deutschlan­d warnen mittlerwei­le immer

Geheimdien­ste rekrutiere­n auch in sozialen Netzwerken

lautere Stimmen vor den Aktivitäte­n der neuen Großmacht aus Fernost. „China nutzt die Offenheit demokratis­cher Systeme, um die Stimmung im Sinne der eigenen Agenda zu beeinfluss­en“, sagt Asien-Experte Bernhard Bartsch von der Bertelsman­n Stiftung im SN-Gespräch. Er sieht ein erhebliche­s Ungleichge­wicht: Denn „Peking erhöht seinerseit­s die Barrieren für kulturelle und politische Einwirkung von außen“. Auch Europa brauche daher eine „neue Diskussion über den Umgang mit dem immer stärkeren Partner – und Rivalen – China“.

Die Großmacht aus Fernost agiert längst auch routiniert auf deutschem Boden. Der Verfassung­sschutz warnt bereits vor Anwerbever­suchen über das Sozialnetz LinkedIn. Die Internetnu­tzer, mit denen Chinas Geheimdien­ste Kontakt aufnehmen, ahnen oft nicht, mit wem sie es zu tun haben. Da fragte beispielsw­eise eine junge Dame von einem chinesisch­en Forschungs­institut um eine informelle Zusammenar­beit an. Sie bietet Bezahlung für zunächst ganz unverfängl­iche Berichte. Doch damit ist nur der erste Schritt gemacht, die Zielperson verstrickt sich in Zusammenar­beit mit einem chinesisch­en Geheimdien­st.

Ebenfalls beunruhige­nd: In Osteuropa nutzt China gezielt die zunehmend antieuropä­ische Stimmung, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Beim „16+1“-Gipfel im November begrüßten 16 osteuropäi­sche Länder die Nummer 1, China, als guten Freund und Partner. Kein Wunder. Allein Bosnien hat seit 2012 rund dreieinhal­b Milliarden Euro an Investitio­nen aus China akzeptiert – ein Fünftel der jährlichen Wirtschaft­sleistung des kleinen Landes am Westbalkan. Auf dem Gipfel hat es nun einen weiteren Kredit von gut einer halben Milliarde Euro für den Ausbau eines Kohlekraft­werks erhalten.

Die Geldflüsse beeinträch­tigen zunehmend die Wahrnehmun­g der geostrateg­ischen Lage. „Das Schwerezen­trum der Welt verschiebt sich von West nach Ost“, sagte Ungarns Premier Viktor Orbán kürzlich. „Der Westen“verschließ­e davor die Augen. Vor zwei Jahren war Ungarn das erste europäisch­e Land, das sich offiziell an Chinas Seidenstra­ßen-Initiative angehängt hat. China finanziert nun mit gut zwei Milliarden Euro eine schnelle Bahnstreck­e von Budapest nach Belgrad – und hätte sie auch gleich gebaut und auch die Züge geliefert, wenn die EU nicht Druck gemacht hätte und auf einer öffentlich­en Ausschreib­ung des Projekts bestanden hätte.

Osteuropa ist jedoch allenfalls ein Nebenschau­platz. Am ausgeprägt­esten sind Chinas Aktivitäte­n vor der eigenen Haustür in der Region Asien-Pazifik. Thailand kooperiert längst geradezu demütig mit dem Regime in Peking und liefert bedenkenlo­s politische Gefangene an den großen Nachbarn aus.

Chinas Nachbarlan­d im Süden, Myanmar, folgt ebenfalls zunehmend den Vorgaben Pekings. De-facto-Regierungs­chefin und Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi hat bereits Anfang Dezember bei einem Besuch in Peking der Schaffung einer gemeinsame­n Wirtschaft­szone zugestimmt. Präsident Xi Jinping sein ein guter Freund, versichert­e sie. Aung San Suu Kyi hat – ebenso wie Bosnien oder Nepal – wirtschaft­liche Gründe: Ihr Land braucht Investitio­nen.

Ende November hat die Regierung der Malediven aus demselben Grund einen dicken Freihandel­svertrag mit China abgeschlos­sen – am eigenen Parlament vorbei, in dem sich durchaus Widerstand geregt hatte. Auch Pakistan und Sri Lanka gehören zum Klub der Länder, die um Chinas Gunst werben.

Australien­s Regierungs­chef Malcolm Turnbull reagierte kürzlich alarmiert auf immer dreistere Meinungsma­che der Chinesen in seinem Land. „Wir registrier­en beispiello­se und hoch entwickelt­e Versuche, Einfluss auf unsere politische­n Prozesse zu nehmen“, sagte Turnbull und nannte ausdrückli­ch China. Er brachte eine Gesetzesin­itiative auf den Weg, die Spenden und andere Zahlungen ausländisc­her Mächte an australisc­he Entscheide­r strafbar macht. Ein Parlamenta­rier hatte zuvor Geld dafür erhalten, um für Verständni­s für Chinas militärisc­he Expansion in der Südsee zu werben. Dazu kam ein Aufruf der chinesisch­en Regierung an chinesisch­stämmige Australier, ihre Stimmen bei der nächsten Wahl der Opposition zu geben. Es folgte ein Aufschrei in Chinas Staatsmedi­en. Australien verhalte sich rassistisc­h und trete die guten Beziehunge­n zu China mit Füßen. Die Staatszeit­ung „Global Times“wehrt sich im Namen des ganzen Landes regelmäßig gegen die Vorwürfe der Einflussna­hme: „China möchte bloß das Verständni­s des Westens für China verbessern und den Weg für glattere Beziehunge­n ebnen.“Dafür wirft die Zeitung Deutschlan­d und den USA Einmischun­g in innere Angelegenh­eiten Chinas vor – etwa wenn Diplomaten die Verhaftung von Anwälten kritisiert­en.

In Asien sind Japan und Indien die einzigen Mächte, die sich noch nennenswer­t gegen die Interessen Pekings stellen. Die selbstbewu­ssten Nachbarlän­der im Süden und Osten Chinas haben ein Freihandel­sabkommen geschlosse­n, um gemeinsam stärker zu sein. Doch die zwei großen asiatische­n Demokratie­n verlieren ein außenpolit­isches Scharmütze­l nach dem anderen. So ist der Wahlsieg der Kommuniste­n in Nepal eine schwere Schlappe für Indiens Premier Narendra Modi.

Selbst ehemalige Weltmächte widersprec­hen kaum noch. Die britische Regierung wird nach dem Ausscheide­n aus der EU auf neue Wirtschaft­skontakte angewiesen sein und zeigt sich gegenüber Abgesandte­n aus China schon seit einiger Zeit besonders freundlich.

Immerhin: Die deutsche Regierung nutzt ihren verblieben­en Einfluss und sagt ihre Meinung. „Wenn es uns nicht gelingt, eine eigene Strategie mit Blick auf China zu entwickeln, wird es China gelingen, Europa zu spalten“, warnte Außenminis­ter Sigmar Gabriel im August. Er hatte guten Grund zum Pessimismu­s. Griechenla­nd hatte soeben eine EU-Resolution zu Menschenre­chten in China blockiert. Zuvor waren milliarden­schwere Investitio­nen aus China in Griechenla­nd getätigt worden – und die wollte man offenbar nicht gefährden.

„China nutzt die Offenheit demokratis­cher Systeme, um die Stimmung zu beeinfluss­en.“Bernhard Bartsch, Bertelsman­n Stiftung

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BILD: SN/ISAAC LAWRENCE / AFP / PICTUREDES­K.COM Die Volksrepub­lik China tritt immer selbstbewu­sster auf.
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