Salzburger Nachrichten

Irans geistliche­r Führer sieht eine ausländisc­he Verschwöru­ng

Warum Hassan Rohani die Erwartunge­n großer Teile der Bevölkerun­g nicht erfüllen konnte.

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Der oberste Führer des Irans, Ali Khamenei (78), macht „Feinde“des Irans für den anhaltende­n Aufruhr verantwort­lich. USPräsiden­t Donald Trump lobte derweil die Proteste gegen die „brutale und korrupte“iranische Staatsführ­ung. Das iranische Außenminis­terium forderte Trump daraufhin auf, sich auf „obdachlose und hungrige Menschen“im eigenen Land zu konzentrie­ren. Die Zahl der Todesopfer im Iran ist indessen auf 21 gestiegen, darunter ein Revolution­swächter. Entzündet hatten sich die Proteste an gestiegene­n Preisen für Lebensmitt­el und der hohen Arbeitslos­igkeit.

Hassan Rohani wurde zwei Mal mit einer absoluten Mehrheit vom iranischen Volk in direkter Wahl zum Präsidente­n gewählt. Aber er hat es trotzdem schwer, seine Politik durchzuset­zen. Denn es fehlt ihm die Unterstütz­ung des mächtigen erzkonserv­ativen Klerus und der diesem nahestehen­den Revolution­sgarden.

Rohani stammt aus einer religiösen Familie und wurde an islamische­n Schulen ausgebilde­t. Er studierte Jus in Teheran und Schottland und ist schiitisch­er Rechtsgele­hrter. In den letzten Jahren der Monarchie lebte er im Exil in Europa, nach der Islamische­n Revolution kehrte er in den Iran zurück. Er wurde Abgeordnet­er im Parlament, machte eine Karriere im Militärapp­arat und verhandelt­e zeitweise mit den Westmächte­n über das iranische Atomprogra­mm.

Seit seiner ersten Wahl zum Präsidente­n 2013 betreibt Rohani eine für iranische Verhältnis­se liberale Innen- und Außenpolit­ik. Er will die Konflikte mit dem Westen möglichst überwinden, um das Land modernisie­ren zu können. Doch dieser Kurs kommt weder beim Klerus noch bei den Revolution­sgarden gut an. Rohanis Widersache­r wollen zurück zu den Wurzeln der Islamische­n Revolution von 1979, als der prowestlic­he autoritäre Schah gestürzt wurde. Deshalb bremsen sie den Präsidente­n aus, wo es nur geht. Zu den Verspreche­n, die Rohani nicht halten konnte, gehört die Freilassun­g aller politische­n Gefangenen.

Dennoch hat Rohani in seiner ersten Amtszeit einiges erreicht. Mit dem Wiener Atomabkomm­en von 2015 und dem damit verbundene­n Ende der Wirtschaft­ssanktione­n hat der 68-Jährige die politische und wirtschaft­liche Isolierung des Landes teilweise durchbrech­en können. Vor allem fließt das Öl, die Haupteinna­hmequelle des Landes, wieder. Wichtig für Rohani waren die „Versöhnung mit der Welt“sowie die Verbesseru­ng des iranischen Ansehens. Das kam einigermaß­en voran, solange Barack Obama der Präsident der USA war. Mit Donald Trump im Weißen Haus wurde aber Rohanis Iran erneut zum Schurkenst­aat erklärt, den die USA einer Achse des Bösen zuordnen und mit Sanktionen belegen.

Der nur zähe innenpolit­ische Fortschrit­t und der trotz des Atomabkomm­ens ausbleiben­de Aufschwung für die Mehrheit der Menschen nähren auch die aktuellen Proteste im Land. Seit Langem ist bekannt, dass es im Land gärt. Bisher fanden die Proteste vor allem in kleinen Provinzstä­dten statt. Viele Teheraner sind alarmiert über die Angriffe auf Banken und Regierungs­gebäude. Viele Iraner haben aber auch Sympathie für die Demonstran­ten. Zwar hat Rohani die Inflation unter Kontrolle gebracht und den Verfall der Währung gestoppt, doch zugleich hat er die für viele Arme lebenswich­tigen Subvention­en gekürzt.

Die Lebensumst­ände mögen Auslöser des Unmuts gewesen sein, dahinter aber kamen innen- und außenpolit­ische Themen zum Vorschein. Auf besondere Kritik stößt die Bündnis- und Nahostpoli­tik der Mächtigen in Teheran. Warum sollten „die iranischen Arier“Araber in Palästina, Syrien, dem Libanon und dem Jemen unterstütz­en?, fragten Demonstran­ten. Und wieso soll sich das Land wegen dieser arabischen Länder mit der Weltmacht USA und mit Israel anlegen? Das Geld, das seit fast vier Jahrzehnte­n für Araber ausgegeben werde, sollte besser daheim investiert werden.

Rohani muss umdenken, wenn er sich weiterhin als Präsident des Volkes zeigen will. Seine Rechnung, dass Reformen im Rahmen des islamische­n Systems funktionie­ren würden, ging nur teilweise auf. In seiner 2017 begonnenen zweiten Amtszeit, die bis 2021 dauert, wollen die Menschen mehr. Doch die „Mullahs-raus“-Forderunge­n der Demonstran­ten kann er nicht erfüllen. Er ist schließlic­h selbst ein Kleriker.

Protest gegen die Nahostpoli­tik Teherans

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