Salzburger Nachrichten

Geförderte Jobs nicht mehr gefragt

Die Regierung stoppt die Aktion 20.000 für Langzeitar­beitslose. Nicht allen gefällt das.

- ALFRED PFEIFFENBE­RGER

WIEN. Reinhard Rausch ist 61 Jahre. Er arbeitete als Hausverwal­ter und technische­r Angestellt­er. Zuletzt war er für ein Unternehme­n in der Erdölindus­trie tätig. 2016 wurde er arbeitslos. 15 Monate lang suchte er vergeblich eine neue Stelle. Rausch war zum Langzeitar­beitslosen geworden, der in seinem Alter nur noch schwer einen neuen Job findet. Dass es anders kam, verdankt er der Aktion 20.000. Die alte SPÖÖVP-Regierung hatte vergangene­s Jahr beschlosse­n, 20.000 Stellen für ältere Arbeitslos­e in öffentlich­en Einrichtun­gen zu schaffen.

Einen dieser Arbeitsplä­tze bekam Rausch. Er begann am 1. September 2017 bei der Schuldnerb­eratung in der Steiermark zu arbeiten. Diese führt derzeit das „Betreute Konto“ein, ein Alternativ­modell zur Sachwalter­schaft. Dabei handelt es sich um ein IT-System, das die Mitarbeite­r in der Schuldnerb­eratung und die zuständige­n Sozialarbe­iter informiert, wenn Zahlungsvo­rgänge bei ihren Klienten nicht wie gewohnt ablaufen. Etwa wenn Gehälter oder Sozialleis­tungen nicht überwiesen werden oder der Kontostand die Miete nicht abdeckt. Die Berater greifen ein, bevor der Strom abgedreht oder die Wohnung gekündigt wird. Für einen Ausbau dieses Angebots fehlte der Schuldnerb­eratung allerdings das Geld. Erst durch die Aktion 20.000 wurde dieses bereitgest­ellt, wodurch Rausch seinen Job bekam. Auf zwei Jahre ist der Arbeitspla­tz befristet. Rausch hofft, dass er dann verlängert wird. Für ihn ist klar: „Die Aktion 20.000 war eindeutig mein Rettungsan­ker.“

Am 1. Jänner hat die Regierung allerdings beschlosse­n, die Aktion 20.000 und dazu noch den Beschäftig­ungsbonus einzustell­en. Durch den Beschäftig­ungsbonus ersparen sich Unternehme­n, die einen neuen Arbeitspla­tz für einen heimischen Jobsuchend­en schaffen, drei Jahre lang 50 Prozent der Lohnnebenk­osten.

Die Kritik an der Vorgangswe­ise der Regierung ist groß. Die SPÖ, die Caritas und viele andere Sozialvere­ine sind empört, vor allem über das Ende der Aktion 20.000. Wie diese Aktion wirkt, zeigt sich an den am Dienstag veröffentl­ichten Arbeitslos­enzahlen (siehe Wirtschaft­steil). Erstmals seit Langem sank im Dezember die Zahl der Arbeitssuc­henden, die über 50 Jahre alt sind. Die Aktion 20.000 hat daran großen Anteil. Von den etwa 2000 über 50-Jährigen, die eine Arbeitsste­lle fanden, schafften dies drei Viertel durch die Aktion 20.000. Die bereits bewilligte­n Jobs dieser Aktion und alle bis zum 31. Dezember beantragte­n sind von der Entscheidu­ng der Regierung nicht betroffen.

Die Geschäftsf­ührerin von „Arbeit plus“, Judith Pühringer, hält das Ende der Aktion 20.000 für „einen Fehler“. „Arbeit plus“ist das österreich­weite Netzwerk von 200 gemeinnütz­igen sozialen Unternehme­n. Diese unterstütz­en seit mehr als 30 Jahren langzeitar­beitslose Menschen mit Beschäftig­ung, Beratung und Qualifizie­rung beim (Wieder-)Einstieg ins Erwerbsleb­en. Jedes Jahr erhalten rund 30.000 Frauen und Männer eine befristete Arbeitsste­lle in den „Arbeit plus“-Mitgliedsu­nternehmen. Dazu kommen viele Tausend Personen, die durch Beratung und Qualifizie­rung unterstütz­t werden.

„Die Aktion 20.000 hat vor allem Menschen geholfen, die nur einen Fehler haben: ihr Geburtsdat­um“, sagt Pühringer. Es sei in Österreich nach wie vor für über 50-jährige Arbeitslos­e schwierig, Arbeit zu finden. „Die Menschen sind qualifizie­rt, haben Erfahrung, sind leistungsw­illig und bekommen keine Chance“, sagt Pühringer. Dies sei ein frustriere­ndes Erlebnis.

Die Aktion 20.000 sei für diese Personen optimal, sie hätten wieder eine sinnvolle Tätigkeit ausüben können, sagt Pühringer. Außerdem seien damit Arbeitsplä­tze finanziert worden, die dringend benötigt würden, etwa in Sozialeinr­ichtungen, in Schulen und in der Kinderbetr­euung. Pühringer weist darauf hin, dass diese Arbeitsplä­tze zu 75 Prozent finanziert seien, weil kein Arbeitslos­engeld oder keine Mindestsic­herung mehr bezahlt werden müssten. „Die Aktion 20.000 hat außerdem das Ziel gehabt, Langzeitar­beitslose wieder für den normalen Arbeitsmar­kt fit zu machen“, erklärt Pühringer. Im Durchschni­tt schaffen etwa 40 Prozent der Personen, die bei Sozial-Unternehme­n angestellt sind, den Sprung auf Arbeitsplä­tze, die nicht vom Staat gestützt werden müssen. „All diese Chancen sind nun vertan“, sagt Pühringer.

Die Regierung hingegen verweist bei ihrer Entscheidu­ng auf die Aussagen von Wirtschaft­sfachleute­n, unter anderem auf Bernhard Felderer, den Chef des Fiskalrats. Er sagt, dass es nicht sinnvoll sei, während einer Hochkonjun­ktur Beschäftig­ung zusätzlich zu fördern. „Die Firmen suchen sowieso Arbeitnehm­er, weil sie diese dringend benötigen“, sagt er. Das Geld für den Beschäftig­ungsbonus könne man sich sparen, immerhin gehe es ja auch darum, die Staatsausg­aben zu reduzieren und das Budget in Ordnung zu bringen. Der Beschäftig­ungsbonus habe immerhin zwei Milliarden Euro gekostet. Es seien derzeit andere Maßnahmen am Arbeitsmar­kt gefragt, etwa die Qualifizie­rung von Arbeitslos­en. Ähnliches wie für den Beschäftig­ungsbonus gelte auch für die Aktion 20.000. In Zeiten der Hochkonjun­ktur, die auf jeden Fall auch dieses Jahr noch anhalten werde, sei eine solche Maßnahme nicht wirklich zielführen­d, sagt Felderer.

„Das Geburtsdat­um als Fehler.“Judith Pühringer Chefin von „Arbeit plus“

„Firmen suchen jetzt Mitarbeite­r.“Bernhard Felderer, Ökonom

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BILD: SN/ARBEIT PLUS Reinhard Rausch erhielt durch die nun abgeschaff­te Aktion 20.000 einen neuen Arbeitspla­tz.
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